Handball
Trainer diskutieren Sinn und Unsinn der Handball-WM in Ägypten
Machen sportliche Großveranstaltungen wie EM, WM oder Olympia in Zeiten einer Corona-Pandemie überhaupt Sinn - oder sind sie der blanke Unsinn? Wir haben Castrop-Rauxeler Handball-Experten zur WM befragt.
Bei der Handball-WM wurde vor dem Auftaktspiel in Kairo zwischen Gastgeber Ägypten und Chile das Spielfeld desinfiziert. © AFP
Egal wie: Der Handball-Weltmeisterschaft in Ägypten mit 32 Nationen läuft. Positiv dabei ist, dass Ägypten bei knapp 103 Millionen Einwohnern mit nur 151.000 Infektionen kein Corona-Hotspot ist. Trotzdem haben mehrere deutsche Nationalspieler aus Rücksicht auf die Familie auf diese WM verzichtet.
Kurz vor dem Anpfiff schon die erste Schreckens-Meldung: Die USA und Tschechien haben wegen zu hoher Corona-Infektionen im Kader abgesagt. Nordmazedonien (15. der EM) und die Schweiz rücken nach. Ist dass noch eine WM? Ob sinnvoll, oder sinnlos, wie denken Castrop-Rauxeler Handball-Experten darüber?
Thorsten Stiller ist Abteilungsleiter Handball beim Castroper TV. Der CTV hatte in der Saison 2019/20 noch je ein Team bei den Frauen und Männern. © Volker Engel
Thorsten Stiller, Abteilungsleiter des Castroper TV, meint: „Es ist schwierig zu beurteilen, ob eine Handball-WM in Corona-Zeiten einen Sinn macht. Bei einer Weltmeisterschaft geht es um sehr viel Geld - da will der Weltverband sie unbedingt durchziehen. Ob Mannschaften dafür quer durch die Welt fliegen müssen, bleibt jedoch fraglich.“
Die Menschheit müsse auch in Corona-Zeiten belustigt werden, sonst habe sie gar keinen Spaß mehr. Über das Aufblähen dieser Handball-WM auf 32 Nationen, ist Stillers Meinung eindeutig: „Je länger eine WM dauert, je mehr Geld fließt. Die sportliche Qualität spiele keine Rolle, was schon komisch ist. Es geht nur um Masse statt Klasse.“ Stiller fragt sich allgemein: Ist eine Fußball-WM, aufgebläht zu 48 Nationen sinnvoll? Oder eine Fußball-Winter-WM in Katar? Oder eben diese Handball-WM in einem Land wie Ägypten? „Bei allem geht es immer nur noch um den Kommerz.“
Sebastian Clausen ist Coach des Handball-Landesligisten HSG Rauxel-Schwerin. © Volker Engel
Sebastian Clausen, Trainer des Landesligisten HSG Rauxel-Schwerin: „Im Grunde kann in Corona-Zeiten alles in Frage gestellt werden. 32 Mannschaften bei einer Handball-WM braucht keiner. Diese WM in Ägypten bleibt trotz einer angeblich vernünftigen Konzeption fraglich. Bundesliga-Handball ist okay. Die Spieler sind Profis und verdienen ihr Geld mit dem Handball.“
Durch die größere Medien-Präsenz rücke der Handball wieder stärker in den Fokus, was gut sei für diesen Sport. Für den Deutschen-Handball-Bund gäbe es auch keine Alternative zur WM-Teilnahme. „Dass der Weltverband auf Intervention der Spieler wegen Corona ohne Zuschauer spielen zu wollen, eingeknickt ist, war ein großer Erfolg“, freut sich Clausen. Ursprünglich sollte 20 Prozent der Hallen-Kapazität für Fans freigegeben werden.
Ralf Utech ist Trainer des TuS Ickern in der Bezirksliga. © Volker Engel
Ralf Utech, Trainer beim Bezirksliga-Aufsteiger TuS Ickern, sieht die Sache zwiespältig: „Es ist ein Wahnsinn, eine Handball-WM mit 32 Nationen künstlich in die Länge zu ziehen. Die Profis verdienen ihr Geld mit dem Handball - ich verstehe aber jeden Spieler, der in dieser Corona-Krise seine Teilnahme abgesagt hat.“
Ob eine WM gespielt werde oder nicht, in dieser Frage nehme der Weltverband keine Rücksicht auf die Spieler - wichtig sei allein das viele Geld, das in die Kasse kommt. „Bei 32 Nationen ist der Leistungsunterschied zu groß. Die ohnehin hohe Belastung der Spieler bei einer WM wird durch die erhöhte Spiele-Zahl weiter gesteigert. Die Verletzungsgefahr wird größer“, plädiert Utech für ein Umdenken.
Fabian Wolf ist der Trainer der Bezirksliga-Handballerinnen im TuS Ickern. © TuS Ickern
Fabian Wolf, Trainer beim Bezirksliga-Frauen-Team des TuS Ickern: „Auch wenn ohne Zuschauer die Atmosphäre fehlt, ist es gut, dass bei der WM nun doch auf sie verzichtet wird. Ob diese Handball-WM stattfinden sollte, kann man so oder so sehen - in Corona-Zeiten gibt es sicher Wichtigeres als Sport. Wie gut die Ägypter im Vorfeld alles geregelt haben, um Corona-Infektionen zu vermeiden, vermag ich nicht zu beurteilen. Ein Risiko bleibt immer - wird bei unsinnigen 32 Nationen umso größer. Man hätte die Länder reduzieren sollen.“
Wen aber streichen? Die kleinen Handball-Länder haben sich qualifiziert wie die Großen, so Wolf. Welchen Sinn diese Handball-WM gemacht hat, werde man erst hinterher wissen. Fabian Wolf respektiert jeden Grund eines Handball-Nationalspielers, der wegen Corona nicht nach Ägypten geflogen ist.
Bleibt abschließend die Hoffnung, dass die Hygiene-Maßnahmen bei der Ägypten-WM greifen. Zweifel sind jedoch angebracht. Die Unterbringung der Spieler lässt indes hoffen: Während der WM-Tage leben sie abgeschottet in vier so genannten „Blasen“. Deutschland mit mehreren anderen Ländern zuerst im 5*-Hotel Mena House in Gizeh - mit Blick auf die weltberühmten Pyramiden.