
Der neue Kreispokal-Spielleiter Markus Häbel (r.), hauptberuflich Polizeibeamter, erkennt eine neue Qualität an Gewaltübergriffen im Fußball. © Ronny von Wangenheim
„Qualität der Gewaltübergriffe gestiegen“: Markus Häbel sieht Problem abseits des Sportplatzes
Attacken im Fußball
Markus Häbel ist neuer Kreispokal-Spielleiter. In seinen zwölf Jahren beim Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen entwickelte er ein Konzept zur Gewaltprävention im Fußball mit. Er sieht ein großes Problem - und das liegt abseits des Sportplatzes.
In der vergangenen Woche hatte Markus Häbel (47) seinen ersten Einsatz als neuer Kreispokal-Spielleiter im Fußballkreis Herne/Castrop-Rauxel: Als eine seiner ersten Amtshandlungen loste er am 20. Juli die erste Runde des Kreispokals aus. Als ehemaliger Schiedsrichter und Schiedsrichter-Lehrwart immer mit dabei: Die Hoffnung auf friedliche Spiele. Das war in der Vergangenheit nicht immer so.
Konzept richtet sich nicht nur an Schiedsrichter
Zwölf Jahre arbeitete der Polizeibeamte Häbel zuvor beim Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) in Kaiserau. In dieser Zeit entwickelte er gemeinsam mit seinen Kollegen ein Deeskalationskonzept, dass sich sowohl an Schiedsrichter als auch an Spieler und Vereinsvertreter im Verband richtet. Das große Ziel: Die Reduzierung von Gewaltvorfällen und Spielabbrüchen. „Es geht auch um erwartete oder erfahrene Gewalterfahrungen sowie Diskriminierung“, erklärt Häbel. Mit Alexander Lüggert ist beim FLVW mittlerweile ein hauptamtlicher Mitarbeiter federführend.
Das Konzept umfasse unterschiedliche Module für unterschiedliche Alters- und Zielgruppen, berichtet Häbel. „Ein Schiri im Jugendbetrieb hat ganz andere Herausforderungen als ein älterer Schiedsrichter. Bei einem 15-Jährigen, der am Montag wieder in die Schule muss und eventuell Mobbing ausgesetzt ist, geht es vor allem um Charakterfestigung.“ Bei älteren Schiedsrichtern hingegen gehe es laut Häbel eher um strafrechtliche Ansprüche nach körperlichen Attacken. Die Fußballkreise können jeweils die entsprechenden Module buchen.
Vor rund acht Jahren habe man beim FLVW beschlossen, das Thema „in professionelle Hände“ auszulagern, erzählt Häbel. „Es wurden Teams aus Polizei, Psychologen, Sozialarbeitern, Rechtsanwälten und Kreismitarbeitern zusammengestellt, um bestmöglich aufgestellt zu sein“, erklärt Häbel weiter. Die Arbeitsgemeinschaft Gewaltprävention sei dabei ein wichtiger Eckpfeiler.
„Hemmschwelle gesunken“
Sind die Angriffe auf Schiedsrichter denn tatsächlich häufiger geworden in den vergangenen Jahren? Häbel antwortet ohne zu zögern: „Ich kann nicht sagen, dass die Anzahl der Fälle gestiegen ist, aber die Qualität der Gewaltübergriffe ist gestiegen, das kann ich bestätigen.“ Das habe laut Häbel mit dem gesellschaftlichen Phänomen zu tun, „dass die Hemmschwelle deutlich gesunken“ sei.
Häbel hat sofort ein Beispiel parat, das sich vor noch nicht allzu langer Zeit abgespielt hat: Das Aufstiegsspiel zwischen dem SV Wacker Obercastrop III und dem VfL Herne vor wenigen Wochen. Beide Teams kämpften zu diesem Zeitpunkt - überaus fair - um den Aufstieg in die Kreisliga B. Was dann passierte, macht Häbel immer noch fassungslos: „Alles ist ruhig und auf einmal wird auf den Schiedsrichter eingeschlagen.“ Ein Spieler des VfL Herne war auf den Schiedsrichter losgegangen. Weil auf Seiten von Wacker ein nicht spielberechtigter Spieler zum Einsatz gekommen war, wurde das Spiel wiederholt und Obercastrop III sicherte sich den Aufstieg.
Selbst Fußballspiele bis zur Oberliga gepfiffen
Fußballspiele bis zur Oberliga hat Häbel selbst in seiner Zeit als Schiedsrichter gepfiffen – in der Regionalliga war er Assistent an der Seitenlinie. Er weiß also wie es ist, selbst als Unparteiischer auf dem Spielfeld zu stehen. Pauschale Ratschläge an andere Schiedsrichter könne er jedoch nicht geben - aus folgendem Grund: „Jeder Gewaltakt ist ein Einzelfall, auf den man individuell reagieren muss. Es kann ein älterer Schiedsrichter sein, der beleidigt wurde. Es kann aber auch ein 15-jähriges Mädchen sein, worauf man ganz anders reagieren muss.“
Sei dem 1. Juli ist Markus Häbel nun also der zuständige Leiter für den heimischen Kreispokal-Wettbewerb. „Ich mache das ehrenamtlich, weil ich einfach Bock drauf habe“, sagt er. Das Deeskalationskonzept des FLVW läuft währenddessen weiter, um die Gewaltakte im Fußball - speziell gegen Schiedsrichter - zu unterbinden. Dass das Konzept nun in professionellen Händen liegt ist auch ein Verdienst von Markus Häbel.
Kommt gebürtig aus dem beschaulichen Forchheim in Bayern, lebt aber mittlerweile seit über 20 Jahren glücklich im „Pott“. Nach der Bankausbildung in den Journalismus gewechselt und an der Ruhr-Uni Germanistik und Medienwissenschaft studiert. Hat eine besondere Leidenschaft für den Fußball, sei es auf dem realen oder auf dem virtuellen Rasen.