Der Videobeweis im Profifußball gibt trotz vieler Kameras häufig Anlass zu Diskussionen. Die FIFA will weitergehen und den Videobeweis Light von der Regionalliga bis zur Kreisliga einführen - auch in Castrop-Rauxel.
Man stelle es sich vor: 80. Minute im Kreisliga B-Spiel von Wacker Obercastrop II beim RSV Holthausen. Die Herner Gastgeber erzielen ein Tor - jubeln aber noch nicht. Denn der Schiedsrichter zeigt an: „Videobeweis“ - und schaut sich die Szene auf einem Monitor an.
Es ist kein Witz: In Holland steckt der Videobeweis auf Amateur-Fußballplätzen bereits in einer Erprobungsphase. Kugelkameras über der Mittellinie des Sportplatzes könnten eine Lösung sein. Oder auch die schon in höheren Amateurligen installierten Livestream-Kameras von „Sportportal“ oder „Soccerwatch“. Die Meinung der Castrop-Rauxeler Trainer und Vereins-Verantwortliche fällt deutlich aus.

Die Entscheidung steht: Ein Schiedsrichter gibt nach einem Videobeweis einen Elfmeter - vielleicht bald auch im Amateurbereich. © Jens Lukas
Funktionäre Fragen: Wer übernimmt Kosten für den VAR?
Peter Wach, Geschäftsführer des Bezirksligisten Spvg Schwerin, sagt dazu: „Die Herren von der FIFA haben wohl Langeweile und kommen dann auf solche Ideen. Wie soll das funktionieren? So etwas ist in den Amateurligen nicht umsetzbar - das ist reine Spinnerei.“ Besonders stellt Wach diese Frage in den Raum: „Welcher Verein im Amateurfußball kann die Kosten für Kameras und was sonst noch gebraucht wird, überhaupt stemmen?“
Michael Wurst, Trainer des Landesligisten FC Frohlinde, meint: „Diese Videobeweis-Idee ist weltfremd. Aber das sind wir in Corona-Zeiten bei Entscheidungen der Verbände im Jahr 2020 ja schon gewohnt.“ Wer das alles bezahlen soll, sieht Wurst ebenfalls nicht: „Die FIFA gibt den Vereinen ganz sicher kein Geld für die Umrüstung.“ Zudem lebe der Fußball von Fehlentscheidungen, die sich im Saisonverlauf immer wieder ausgleichen würden.
Uwe Blase: Mehr Linienrichter sind eine bessere Lösung
Uwe Blase, Vorsitzender des Bezirksliga-Aufsteigers FC Castrop-Rauxel, gibt zu bedenken: „Der Videobeweis bei den Profis hat sich in den letzten zwei Jahren noch nicht hundertprozentig eingeschliffen. Wie soll das dann im Amateurfußball funktionieren? Blase sieht in Linienrichtern bis hinunter in die Kreisliga eine bessere Möglichkeit für eine sportliche Gerechtigkeit.

Michael Wurst versucht beim Fußball-Landesligisten FC Frohlinde immer neue Ideen einzubringen. Diese holt er sich auch beim VfL Bochum, für den er als Stadionsprecher arbeitet. © Volker Engel
Steffen Golob, Sportlicher Leiter und Co-Trainer beim Westfalenligisten Wacker Obercastrop, erklärt: „Der Videobeweis in Amateurligen ist nicht machbar, da schon jetzt die Schiedsrichter fehlen. Man sollte lieber durch bessere Schulungen der Schiedsrichter mehr Effektivität in deren Arbeit bringen. Ich bin ohnehin kein Freund des Videobeweises.“
Technisch kann Golob sich das Projekt vorstellen - durch eine Linien-Kalibrierung. Grundsätzlich denkt er aber: „Den Videobeweis brauchen wir im Amateurbereich nicht, da viele Fans den Fußball lieben mit seinen Fehlentscheidungen. Emotionen wie etwa beim Torjubel könnten wegfallen, weil ein Treffer nach Minuten langem in den Bildschirm starren vom Schiedsrichter nicht anerkannt wird. Das braucht niemand.“
Merklindes Trainer Brinkmann glaubt an April-Scherz
Tino Westphal, Trainer des Bezirksligisten SG Castrop, meint: „Wer soll das denn alles bezahlen? Letztlich bleibt alles wieder an den Vereinen hängen, die in Corona-Zeiten ohnehin um jeden Cent kämpfen müssen. Der Videobeweis in Amateurligen ist albern.“

Uwe Blase, der Vorsitzende des FC Castrop-Rauxel. © Jens Lukas
Björn Brinkmann, Trainer des A-Kreisligisten SuS Merklinde, sagt zur VAR-Frage bei Amateuren: „Wenn heute der 1. April wäre, würde ich denken, dass man mich veräppeln will. Das hört sich wie ein Witz an. Diese Idee wird schon an der Umsetzung hapern.“ Sollten die aktuellen Livestream-Kameras genutzt werden, sei die Qualität doch so schlecht, dass kaum ein Abseits zu erkennen sei.
Alexander Schmottlach, Trainer des B-Kreisligisten TuS Henrichenburg, erklärt: „Beim Videobeweis würde das bei Vereinen in den unteren Liga daran scheitern, dass man mehr Leute dafür braucht, die aber keiner hat. Die bereits existierende Schiedsrichter-Knappheit spricht auch dagegen.“
Um eine Video-Gerechtigkeit mit Qualität zu erzielen, bräuchte es mindestens drei Kameras an beiden Torlinien und an der Mittellinie. „Mit der schlechten Kamera-Qualität im aktuellen Livestream ist kaum ein Foul zu erkennen, geschweige denn die Beurteilung strittiger Szenen möglich.“
Zudem kann sich Schmottlach nicht vorstellen, dass „der Fußballverband auf Amateurplätzen ein vernünftiges WLAN oder Internet finanzieren wird“.
Über 30 Jahre als Sportredakteur aktiv, bin ich nun im "Unruhestand" seit der Saison 2018/2019 als Freier Mitarbeiter für den Castroper Sport am Ball - eine neue, spannende Erfahrung. Meine journalistischen Fachgebiete sind alle Ballsportarten, die Leichtathletik und Golf. Mit den deutschen Spitzen-Fechtern war ich in den frühen 2000er-Jahren bei Welt- und Europameisterschaften in der "halben Welt" unterwegs.