CDU-Chef verbreitet populistische Lüge über Jugendsport Lieber Herr Merz, das war peinlich!

CDU-Chef verbreitet populistische Lüge über Jugendsport: Lieber Herr Merz, das war peinlich!
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Die Nutzung der Lüge in der Politik ist eine heikle Angelegenheit: Kurzfristig kann sie äußerst effektiv sein und dem Täuschenden, wenn er auf empfängliche Wähler trifft, bemerkenswerte Erfolge bringen.

Dies zeigt insbesondere der wiedergewählte US-Präsident Donald Trump seit Jahren auf erschreckende Weise: Selbst mit andauernden und belegbaren Unwahrheiten lässt sich Erfolg erzielen. Solange die eigene Wählerschaft bereit ist, alles zu ignorieren oder zu verzeihen, was übersehbar oder verzeihlich ist, wenn dabei nur ihre eigenen Vorurteile weiterhin mit Zuverlässigkeit angesprochen werden.

Merz-Aussagen über Nachwuchsfußball sind faktisch falsch

Beim Neujahrsempfang der CDU Baden-Württemberg in Künzelsau bei Heilbronn (25. Januar) hat nun auch Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (69) mit falschen Aussagen zum Nachwuchssport in Deutschland für unnötige Ressentiments über Leistungsdruck bei Kindern gesorgt.

Mit seiner Kritik an Reformen im Nachwuchsfußball und bei den Bundesjugendspielen hat Merz meiner Meinung nach nicht nur seine unangenehme Unwissenheit bei der Thematik offenbart. Nein, viel schlimmer aus meiner Sicht: Er bediente sich seit Jahren kursierender populistischer Lügen.

Seine Forderungen, „in der E- und F-Jugend wieder Fußballspiele stattfinden zu lassen, wo Tore geschossen werden dürfen“ sowie die Bundesjugendspiele an allen Schulen wieder einführen zu wollen – und zwar „nicht nur mit Teilnehmerurkunden, sondern mit Siegerurkunden“ – begründete Merz unter anderem damit, dass die Kinder in Deutschland nicht mehr nur „in Watte“ gepackt werden dürften.

Denn Merz möchte vor allem eines: im internationalen Sport-Vergleich „wieder an der Spitze stehen“. Deutschlands Platz zehn im Medaillenspiegel der Olympischen Spiele im Sommer 2024 in Paris soll eine Ausnahme bleiben. „Wenn die Bundesjugendspiele nur noch Teilnehmerurkunden ausstellen, dann kriegen wir demnächst auch auf Olympiaden nur noch Teilnehmerurkunden“, sagte der CDU-Chef.

Damit entschied sich Merz also für das populistische Märchen der verweichlichten, leistungsunwilligen Jugend, über das es seit Jahren Stammtischparolen entstehen – und verbreitete zusätzlich auch noch faktische Unwahrheiten.

Das Verbot für Kinder, Tore schießen zu dürfen, gibt es schlicht und einfach nicht. Und hat es nie gegeben. Seit der Saison 2024/25 setzt der Deutsche Fußballbund (DFB) im Kinderfußball auf die Spielform „Funino“. Die bisherigen Wettbewerbsstrukturen der G-, F- und E-Jugend wurden ersetzt. Anstelle eines langen Spiels finden mehrere kurze Spiele gegen unterschiedliche Gegner statt. Tore fallen hierbei haufenweise, nur tauchen sie hinterher in keiner Statistik auf. Tabellen gibt es keine – was in diesem Alter auch genau richtig ist!

Der DFB bezweckt damit, allen Kindern und Jugendlichen den Zugang zum Sport zu ermöglichen. Nicht nur denjenigen, die es an die Leistungsspitze schaffen wollen. Wie gut aber auch jene gefördert werden, die nach ganz oben wollen, macht seit 20 Jahren der große FC Barcelona vor. Hier trainieren die zukünftigen Weltstars in der Jugendakademie „La Masia“ nämlich schon länger nach dem Funino-Konzept.

Bundesjugendspiele wurden nie abgeschafft

Und auch beim Thema Bundesjugendspiele ist der CDU-Chef in ein Fettnäpfchen getreten. Letztlich wurde die jährlich stattfindende Sportveranstaltung nie eingestellt, und sowohl Sieger- als auch Ehren- und Teilnahmeurkunden existieren weiterhin. Vor einiger Zeit fand zwar eine Reform statt, die die Spiele nun als Wettbewerb und nicht mehr als Wettkampf beschreibt. Dies hat jedoch nur geringe Änderungen zur Folge gehabt.

Auch ich würde mich freuen, wenn unsere Sportlerinnen und Sportler bei internationalen Wettbewerben (weiterhin) zur Weltspitze gehören. Dies erreichen wir meiner Meinung nach aber nicht, wenn wir unnötigen Druck auf die Jüngsten und schützenswertesten unserer Gesellschaft aufbauen: die Kinder.

Ganz abgesehen davon, dass die Athletinnen und Athleten, die im Sommer in Paris „nur“ für den zehnten Platz im Medaillenspiegel sorgten, allesamt noch die Bundesjugendspiele vor der Reform erlebten.

Das Thema Sportförderung in Deutschland ist viel zu komplex, um es in wenigen Sätzen zu behandeln. Viel mehr Geld müsste in diese Förderung fließen, das ist es, was die Politik in den nächsten Jahren angehen muss.

Ob sich Friedrich Merz bewusst zur Verbreitung seiner populistischen Lügen entschied oder er vorab einfach nur schlecht informiert wurde, kann ich natürlich nicht gesichert sagen. Peinlich, lieber Herr Merz, waren ihre faktisch falschen Aussagen aber auf jeden Fall.