Es gibt wohl nirgendwo in Deutschland eine Fußballmannschaft ohne Spitznamen. Prominente Beispiele wie Helmut Rahn als „Der Boss“, Franz Beckenbauer als „der Kaiser“ oder Gerd Müller als „Der Bomber der Nation“ kennen nicht nur Fußball-Interessierte. Doch auch in den unteren Ligen laufen etliche Spieler herum, die auf dem Platz, in der Kabine und auch darüber hinaus ausschließlich beim Spitznamen gerufen werden. Auch im Westmünsterland. Hier sind fünf besonders markante Beispiele von Spitznamen, auf deren Ursprung man ohne Weiteres wohl nicht kommen würde. Weil sie zum Teil aus kuriosen Situationen entstanden sind.
„Doc“ alias Franz-Josef Becking
Das langjährige Trainer-Urgestein des SuS Stadtlohn II hat seinen Spitznamen schon als 18-Jähriger verpasst bekommen und ist auch heute immer noch der „Doc“. Dabei hat der gelernte Bankkaufmann weder etwas mit Medizin am Hut noch einen anderen akademischen Abschluss.
Wie er zu dem Spitznamen gekommen ist, daran erinnert sich Becking noch ganz genau: „Als ich damals aus der Jugend zu den Stadtlohner Herren hochgekommen bin, saßen wir eines Abends zusammen bei unserem damaligen Obmann Hennes Tiggelbeck. In unserer Mannschaft waren damals viele Intellektuelle. Wir haben rumgeflachst, und da meinte mein Mitspieler Willy Erning zu mir: ‚Uns fehlt eigentlich nur noch ein Doktor - dann bist Du ab jetzt Doc‘.“


Und der Name setzte sich durch, sowohl als Spieler als auch später als Trainer gab es fortan nur noch „Doc Becking“. Und die Vermutung bei manchem Spieler, dass der Bänker ein Arzt sei, sorgte für so manche witzige Anekdote. Die wohl beste ereignete sich bei einem Spiel der Traditionself des VfL Bochum in Borken.
Der frühere VfL-Kicker Rob Reekers sprach Becking kurz vor dem Spiel an. „Er fragte, ob ich nicht mitspielen könnte, weil die Bochumer zu wenig Leute hatten“, erzählt Becking. Beim VfL spielte auch Thorsten Legat mit. „Ich saß also auf der Ersatzbank und plötzlich kam Legat raus, legte sich vor mir auf den Boden und sagte: ‚Doc, ich glaub‘, ich hab‘ da einen drin‘, und zeigte auf seine Wade.‘“
Und der Stadtlohner nutzte die Situation für sich aus: „Ich habe ihn im Glauben gelassen, dass ich Arzt wäre und ihm gesagt, dass er auf keinen Fall weiterspielen kann. So wurde ich dann für ihn eingewechselt und habe meinen Einsatz bekommen.“ Eine Geschichte, die Becking ohne seinen Spitznamen nie hätte erzählen können.
„Doc“ heißt der frühere Trainer übrigens nur beim Fußball. „Meine Geschwister nennen mich ‚Juppy‘, ansonsten ist ‚Franz-Jupp‘ gängig.“
„Tacker“ alias Markus Banken
Eine Mannschaftsfahrt, ein paar Drinks und ein Fernseh-Interview – diese heikle Mischung brockte dem heutigen Altherrenspieler des FC Ottenstein seinen Spitznamen ein. Als junger Seniorenspieler in seinem Heimatklub FCO ging es für Markus Banken im Sommer 2007 mit seinen Teamkollegen zum Saisonabschluss nach Mallorca.
„Wie es auf einer Mannschaftsfahrt am Ballermann so ist, waren wir nicht mehr ganz nüchtern“, erzählt Banken. Am Strand lief er dann einem Team der TV-Sendung „Taff“ in die Arme. „Der Reporter hat die Leute interviewt und ihnen Scherzfragen gestellt. Ich sollte dann den Satz beenden: Peters Mutter hat drei Söhne: Tick, Trick und ... Ich bin drauf reingefallen und habe ‚Tack‘ geantwortet.“
Womit der Ottensteiner in dem Moment nicht gerechnet hatte: Der Beitrag ging einige Tage später viral, wurde zunächst auf Pro7 bei „Taff“ ausgestrahlt, dann im „Frühstücksfernsehen“ bei Sat1, landete schließlich auch noch auf Platz eins der „O-Ton-Charts“ beim Radiosender 1Live.
„Als der Beitrag im Fernsehen lief, war ich gerade in einem Kundengespräch bei meinem damaligen Arbeitgeber. Ich wurde mehrfach angerufen, konnte natürlich nicht rangehen, und habe hinterher meine Eltern zurückgerufen. Die haben mir dann erzählt, was Sache ist.“
Was der Arbeitgeber nicht ganz so witzig fand, kam vor allem bei den Fußballkollegen bestens an. „In dem Sommer bin ich zur SpVgg Vreden gewechselt, wo mir meine Mitspieler, unter anderem Daniel Terbeck, den Spitznamen verpasst haben“, erinnert sich Banken. „Damit war das Eis gebrochen, und ich war sofort in der neuen Mannschaft angekommen.“
Vorher habe der spätere Oberligaspieler des SuS Stadtlohn und Bezirksliga-Trainer des FC Epe nie einen Spitznamen gehabt, „seitdem kennen mich Leute teilweise aber gar nicht unter meinem richtigen Namen“.

„Jogy“ alias Markus Krüchting
Der Südlohner ist sicher einer der talentiertesten Kicker der vergangenen Jahre hier im Kreis. Aber unter seinem bürgerlichen Namen spricht ihn fast niemand an. „Es ist schon komisch für mich, wenn mich jemand Markus nennt. Beim Fußball bin ich nur ‚Jogy‘, so nennen mich auch viele Arbeitskollegen und früher sogar Lehrer an der Berufsschule“, sagt der Spielertrainer des VfB Alstätte.
Entstanden ist der Name - natürlich - beim Fußball. „Ich bin ja nur ungefähr 200 Meter entfernt vom Südlohner Sportplatz aufgewachsen. Mit ungefähr dreieinhalb Jahren durfte ich dann mal mit meinem Bruder rüber und wir haben Cola-Schießen gespielt. Irgendeiner der Jungs hat mich dann aus Spaß ‚Jogy-Bär‘ genannt. Ein, zwei Tage später haben dann alle nur noch ‚Jogy‘ zu mir gesagt“, erinnert sich Krüchting.
Der Name hat sich bis heute durchgesetzt, die Schreibweise der Zeichentrickfigur aus den 1950ern, „Yogi Bär“, hat der Südlohner aber nicht übernommen.

„Chippy“ alias Matthias Wesseler
Sein Spitzname habe nichts mit der Vredener Pinte „Chippy‘s“ zu tun, versichert der Trainer, der bis zum Sommer für die frauen der SpVgg Vreden tätig war. „Da bin ich relativ selten gewesen.“
Eigentlich handele es sich dabei ganz einfach um eine Übersetzung aus dem Plattdeutschen. „Wesseler ist platt und bedeutet Schäper. Da ich als Jugendspieler immer relativ klein war, hat sich irgendwie der Name ‚Chippy‘ ergeben.“ Jetzt, mit über 50 Jahren, könne sich Wesseler nicht mehr exakt erinnern, wer ihn zuerst so genannt hat.
Jedenfalls ist der Name geblieben und alle, mit denen er im Fußball zu tun hatte, kennen den Vredener unter dem Spitznamen. „Auf der Arbeit oder in der Familie bin ich meistens ‚Matthis‘.“

„Baui“ alias Markus Schmittmann-Wehning
Diesen Spitznamen bekommt der Südlohner nicht nur auf dem Fußballplatz zu hören. „Freunde, Eltern, Großeltern, Arbeitskollegen - mich nennt einfach jeder ‚Baui‘“, erklärt der Stürmer. Diese Tatsache führte vor der Hochzeit auch zu einer Diskussion mit seiner Ehefrau. „Ich habe meine damalige Verlobte gefragt, ob in den Einladungskarten wirklich ‚Markus‘ oder doch besser ‚Baui‘ stehen soll. Das habe ich aber nicht durchbekommen.“
Die Herleitung für diesen Spitznamen fällt Schmittmann-Wehning nicht schwer. „Der Name ist nicht weit hergeholt, weil ich von einem Bauernhof komme. Anfangs wurde ich oft einfach ‚Bauer‘ genannt, daraus wurde dann so etwa ab der D-Jugend ‚Baui‘.“ Mit dem Namen könne er gut leben, „weil ich ja nicht wirklich Bauer bin, sondern meine Familie nur in einem alten Bauernhaus wohnt“.
Dieser Text wurde zuerst im November 2018 veröffentlicht
Einige Textstellen, in denen Alter oder aktuelle Tätigkeiten genannt werden, haben wir angepasst.