Mit seinen Hüft-Endprothesen kann Hermann Meier (r.) das gewöhnliche Sportabzeichen nicht in vollem Umfang absolvieren. Für ihn und andere Menschen mit Behinderungen gibt es in Gronau aber eine Alternative.

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Sportabzeichen und Behinderung? In Gronau ist das kein Widerspruch

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Weitsprung, Seilspringen, Schleuderball oder Geräteturnen – diese Anforderungen beim Sportzeichen kann nicht jeder problemlos meistern. Doch gibt auch für eingeschränkte Menschen Alternativen.

von Angelika Hoof

Gronau

, 09.07.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Hermann Meier nimmt Maß, wirft und trifft mit dem ersten Gummiring die Drei-Punkte-Marke. Viele weitere Zähler folgen. „Reicht schon. Du hast jetzt insgesamt schon 24 Punkte, 20 waren nur nötig“, gratuliert ihm Johannes Neyer zur Gold-Wertung.

Neugierig beobachten andere Sportabzeichen-Absolventen das ungewöhnliche Treiben auf der Kampfbahn B an der Laubstiege. Handelt es sich bei der Abnahme des Sportabzeichens um eine neue Alternative in der Disziplin Koordination? „Jein. Es handelt sich bei dem sogenannten Zielwurf um eine Alternative für Menschen mit Behinderungen“, erläutert Johannes Neyer vom Gronauer Sportabzeichen-Team.

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Laufen, Springen, Werfen – für die meisten Aktiven, die das Deutsche Sportabzeichen ablegen möchten, ist dies kein Problem. „Aber es gibt auch Sportler, die seit jeher an einer Behinderung leiden oder aufgrund eines Unfalls oder einer Operation plötzlich nicht mehr so agil sind, dass sie problemlos die gestellten Anforderungen wie beispielsweise Hochsprung, Weitsprung, Seilspringen, Schleuderball oder Geräteturnen erfüllen können“, verdeutlicht Johannes Neyer.

Nach Hüft-Operationen in den Jahren 2011 und 2014 musste es auch Hermann Meier etwas langsamer angehen lassen. „Walken oder Radfahren kann ich normal ausüben. Doch bestimmte Dreh-, Spring- oder Laufbewegungen sind für mich mit den beiden Hüft-Endoprothesen tabu“, erklärt Hermann Meier, der früher ein begeisterter Läufer war. Wer rastet, der rostet, dachte er sich und erkundigte sich beim Sportabzeichen-Team, ob es keine Möglichkeit gäbe, auch weiterhin an dieser deutschlandweiten Aktion teilzunehmen.

„Viele genieren sich“

So machte sich Johannes Neyer auf die Suche nach einer Lösung und wurde fündig. Vor zwei Jahren absolvierte er in Nordhorn eine Zusatzausbildung und ist seitdem zur Abnahme des Sportabzeichens für Menschen mit Behinderung berechtigt. „Ziel ist es, den Sport als Lebensqualität zu nutzen. Wir bieten Interessierten daher unsere Unterstützung an, wieder in Schwung zu kommen. Leider genieren sich jedoch sehr viele, diese Erleichterung anzunehmen“, spricht Johannes Neyer aus Erfahrung.

Johannes Neyer (l.) und Hermann Meier

Johannes Neyer (l.) und Hermann Meier © Angelika Hoof

Wie auch bei Hermann Meier kann Johannes Neyer in einem persönlichen Gespräch klären, welcher Grad von Behinderung vorliegt, denn nicht nur Menschen mit einem Behindertenausweis kommen für dieses Sportabzeichen in Frage. „Insgesamt gibt es zehn verschiedene Behindertenklassen, die in sich noch weiter unterteilt sind, angefangen von einer geistigen Behinderung über Einschränkungen für Sinnesorgane oder Nervensysteme, Kleinwuchs bis hin zu Behinderungen von Gliedmaßen“, so Johannes Neyer und deutet auf mehrere Ordner. „Darin ist alles haargenau geregelt – eine Wissenschaft für sich“, erklärt er.

Ist der Ehrgeiz erst einmal geweckt, wird vieles zur Normalität, denn das Angebot gilt für alle Generationen, vom Kind bis ins hohe Alter.

Leistungen sind an den Behinderungsgrad angepasst

Laut Definition ist das Deutsche Sportabzeichen eine Auszeichnung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und wird als Leistungsabzeichen für überdurchschnittliche und vielseitige körperliche Leistungsfähigkeit verliehen. „Gleiches gilt beim Deutschen Sportabzeichen für Menschen mit Behinderung. Die zu erbringenden Leistungen orientieren sich ebenfalls an den motorischen Grundfähigkeiten Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination, wobei jedoch die zu erbringenden Leistungen dem Behinderungsgrad angepasst sind“, erläutert Johannes Neyer.

Sportlerinnen und Sportler mit einer Behinderung können den Sommer über trainieren und sich am Ende noch entscheiden, welches Abzeichen sie ablegen möchten.