Dirk Korthals 1985 in seinem Element

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Olympia-Schwimmer Dirk Korthals: „Heimlich mit DDR-Sportlern die Badehosen getauscht“

rnSportporträt-Klassiker

In unserer Porträt-Serie stellen wir besonders verdiente Sportler aus der Region vor. Heute geht es um den Vredener Schwimmer Dirk Korthals. Dieser Beitrag erschien erstmals im September 2014.

Vreden

, 24.05.2021, 11:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Das „Kacheln Zählen“ habe er schon längst satt, sagt Dirk Korthals. In ein Schwimmbecken springt er heute nur noch zum entspannten Planschen. Das war in den Achtzigerjahren noch ganz anders – damals gehörte der Vredener zur Weltspitze des Schwimmsports. Erst in diesem Frühjahr organisierte er in Essen das 30-jährige Treffen der bundesdeutschen Olympia-Mannschaft, die 1984 in Los Angeles für Furore sorgte.

Mit dem Namen Michael Groß kann heute noch nahezu jeder Sportinteressierte etwas anfangen. Er war über Jahre das Aushängeschild des Deutschen Schwimmverbands (DSV) und sammelte unzählige Titel. Die Nummer zwei hinter Groß war lange Zeit Dirk Korthals. Und er arrangierte sich stets mit dieser Rolle. „Wir haben uns gegenseitig geschätzt und respektiert, aber mir ist immer klar gewesen, dass Michael sportlich unerreichbar für mich war“, erzählt Korthals.

Dirk Korthals mit seiner Olympia-Medaille im heimischen Garten. Das Foto ist im September 2014 entstanden. Heute ist der Vredener 58 Jahre alt.

Dirk Korthals mit seiner Olympia-Medaille im heimischen Garten. Das Foto ist im September 2014 entstanden. Heute ist der Vredener 58 Jahre alt. © Sascha Keirat

In Vreden geboren und aufgewachsen kam er quasi im Schwimmbecken zur Welt – beide Elternteile arbeiteten als Schwimmmeister. Was zunächst als Freizeitaktivität begann, führte über den Schulsport zum Vollzeit-Hobby. Wie ein Besessener trainierte Korthals, zunächst einmal täglich, dann neunmal und später zwölfmal pro Woche. Vater Erich Korthals gründete 1977 extra die Schwimmabteilung des TV Vreden, um seinen Sprössling zu fördern.

Das Talent des jungen Korthals war nicht zu übersehen. 1981 ereilte ihn eine Anfrage vom Bundesstützpunkt aus Gladbeck. „Dort konnte ich sogar im Winter in der Halle auf einer 50-Meter-Bahn trainieren“, erklärt Korthals. Er nahm sein Studium der Elektrotechnik in Bochum auf – sechs bis sieben Stunden blieben fürs tägliche Training.

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Durch die perfekten Bedingungen – Becken, Trainer und Teamkollegen – steigerte Korthals seine Leistungen rasant. Vor Ort formte Coach Walter Kruschinski das Talent unter der Woche, Vater Erich schulte seinen Sohn an den Wochenenden in Sachen Technik. „Ich muss aber dazu sagen, dass meine Eltern mich nie zum Leistungssport getrieben haben, ich hatte großen Selbstantrieb.“

Dieser führte Korthals in Gladbeck auf Anhieb zum Deutschen Meistertitel mit der Mannschaft 1981, im selben Jahr dann auch auf die internationale Bühne. Bei der Europameisterschaft in Split (damals Jugoslawien) gelang der neunte Platz im Einzel. Bei der WM 1982 in Guyaquil (Ecuador) folgte prompt die erste Medaille für den gerade 20-Jährigen. Mit der Viermal-200-Meter-Freistilstaffel an der Seite von Andreas Schmidt, Rainer Henkel und Michael Groß durfte sich Korthals die Bronzemedaille um den Hals hängen.

Badehosen mit den DDR-Sportlern getauscht

Über weitere Wettkämpfe wie die EM in Rom 1983 ging es dann zu dem Sportereignis, von dem jeder Aktive träumt: die Olympischen Spiele. Das DSV-Team in Los Angeles 1984 sollte zum erfolgreichsten der bundesdeutschen Verbandsgeschichte avancieren. Korthals hatte kurz zuvor bei den Deutschen Meisterschaften als erst siebter Schwimmer der Welt die 200 Meter in weniger als 1:50 Minuten absolviert und strotzte vor Selbstvertrauen. Mit der Staffel heimste er schließlich die olympische Silbermedaille über Viermal-200-Meter-Freistil ein, jeweils Platz vier gelang mit der Staffel über 100 Meter Lagen und Freistil, im Einzel erreichte er Platz acht über 100 Meter Freistil.

Doch nicht nur sportlich waren jene Wochen für Korthals eine bewegte Zeit: „Mit Arabern oder Indern am Frühstückstisch zu sitzen, das kannten wir vorher nicht. Auch der heimliche, weil für sie verbotene, Kontakt zu den DDR-Schwimmern war etwas ganz Besonderes. Wir hatten ein super Verhältnis und haben sogar die Badehosen getauscht.“ Auch Legenden wie Gold-Hochspringerin Ulrike Meyfarth oder die US-Sprinterin Florence Griffith-Joyner sah er live im Stadion.

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Nach Olympia schwamm Korthals weitere drei Jahre auf Weltniveau, gewann mit der Staffel EM-Gold 1985 in Sofia, WM-Gold in Madrid 1986, wobei er allerdings nur im Vorlauf aktiv mitwirkte. Ein letztes Highlight stellte das Arena-Meeting 1987 in Bonn dar, als er mit der Staffel die Weltjahresbestzeit hinlegte. Am Rande des Wettbewerbs lernte Korthals auch den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker kennen. „Er hatte Ahnung von Sport. Wir haben uns so angeregt unterhalten, dass er seinen Zeitplan nicht mehr eingehalten hat.“

Sportstudio, Sportlergala, Bundespresseball

Korthals besaß nicht nur sportliches Talent, sondern auch Intelligenz. Lange Zeit fungierte er daher auch als Sprecher der deutschen Schwimmer und war unter anderem beim Aktuellen Sportstudio, der ARD-Sportlergala oder beim Bundespresseball zu Gast. 1987 beendete er im Alter von 25 Jahren seine Laufbahn – auch Anfragen, dem DSV als Funktionär erhalten zu bleiben, lehnte er ab –, um sein Studium nach stolzen 21 Semestern abzuschließen.

Mit Erfolg: Heute ist Korthals Inhaber eines Ingenieurbüros in Marl und lebt seit 1995 mit Frau sowie einer Tochter und zwei Söhnen in Reken. Als Sportler habe Korthals „eine sehr, sehr schöne Zeit gehabt“, in der er Länder und Menschen kennenlernte, wozu andere nie die Chance haben. So kommt Dirk Korthals heute zu dem Schluss: „Ich würde alles noch einmal genauso machen.“

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