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Wessumer Torhüter packt in Kreissäge und Trainer muss für Schiri einspringen
Kolumne: Bratwurst, Bier, behaarte Bäuche
In der Kolumne „Bratwurst, Bier, behaarte Bäuche“ berichtet unser Reporter Johannes Schmittmann regelmäßig aus den Tiefen der Kreisliga D. Er ist Co-Trainer bei Union Wessum III.
Was haben der Kölner Karneval und die Kreisliga D gemeinsam? – Niemand glaubt, was dort alles passiert, wenn er es nicht selbst erlebt hat. Hier nur einige Beispiele: Supermarkt-Kartons als Taktiktafeln, treffsicherere Torhüter und Verträge auf Bierdeckeln. Aber fangen wir mit einer tragischen Geschichte an.

Taktiktafel? Total überschätzt! Wessums Trainer Lukas Gerling hat die Startelf stattdessen auf einen Pappkarton geschrieben. Auch von spontanen Änderungen lässt er sich nicht beeindrucken. © Johannes Schmittmann
Kurzes Kopfkino gefällig? Hand in die Kreissäge, Zeigefinger gespalten, Hinrunden-Aus für unseren Stammtorhüter Christian Terbeck. Glück im Unglück: Bleibende Schäden sind nicht zu erwarten. Für uns trotzdem bitter, da er sich bis dato in Gala-Form befand.
Wer die Kreisliga D kennt, weiß, dass gute Torhüter hier ähnlich rar gesät sind wie weibliche Zuschauer. Die Suche nach einem adäquaten Ersatz gestaltete sich deshalb erwartungsgemäß kompliziert. Alle Drähte glühten. Doch plötzlich wurde aus der Not ein Luxus-Problem.
Stammtorhüter der Ersten trifft für die Dritte
Gleich zwei richtig starke Schnapper standen mit gepackter Tasche für das Spiel gegen Ellewick bereit. In der einen Ecke: Patrick Walfort, amtierender NRW-Meister im Schwergewicht; in der anderen: Johannes Termathe, eigentlich Leistungsträger der A-Liga-Truppe.

Hat da jemand eine Wette verloren? Nein, aber der Akku vom Rasierer gab den Geist auf. Seitdem nennen wir unseren Stürmer den Kreisliga-Benzema. © Johannes Schmittmann
Während Jogi Löw eine solche Konstellation ins Schwitzen bringen würde, löste unser Trainer das ganz pragmatisch. Denn was liegt näher, als den Zwei-Meter-Hünen Termathe - Spitzname „filigrane Brechstange“ - in den Sturm zu packen. Als ebenjener zum 4:1 Endstand traf, und unter einer Jubeltraube begraben wurde, grinste mein Trainerkollege wie Hannibal vom A-Team: „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.“ Er wurde wieder bestätigt, der selbst ernannte „unverbesserliche Euphemist“.
Co-Trainer muss für Schiedsrichter einspringen
Ich selbst erlebte das Spiel aus einer ganz besonderen Perspektive: Mit der Pfeife im Mund statt mit dem Ball am Fuß. Denn als fünf Minuten vor Anpfiff vom Unparteiischen weiterhin jede Spur fehlte, brauchte es schnell Ersatz. Und wer liegt da näher als der sportliche verzichtbare Co-Trainer der Heimmannschaft.

Vertrag ist Vertrag: Damit die Wertung des Spiels im Nachhinein von niemandem angefochten werden kann, unterschrieben beide Trainer auf diesem Schmierzettel. © Johannes Schmittmann
Ausgestattet mit einem Mr.-Tom-Riegel als Gelbe Karte und einer Packung Erdnüsse als Rote Karte pfiff ich das Spiel mit fünfminütiger Verspätung an. Ruhige Anfangsphase, Tor Wessum, Tor Ellewick, Tor Wessum - so weit, so gut. Dann eine knifflige Situation kurz vor der Halbzeit. Der Wessumer Stürmer dringt in den Strafraum ein, täuscht den Schuss an und fällt. Auch ohne VAR eine klare Sache: Elfmeter. „War ja klar, dass er das als Union-Spieler pfeift“, war noch die harmloseste Unterstellung.
Hitzige Diskussionen und ein vermeintlicher Ruhepol
Obwohl der Gefoulte fairerweise selbst antrat und – wie es das ungeschriebene Gesetz verlangt – verschoss, war bis zur Halbzeit richtig Pfeffer drin. Auch, weil der Schiedsrichter seiner Rolle als deeskalierende Ruhepol nicht immer nachkam. (Bernd Stromberg: „Ich bin sehr selbstkritisch, auch mir gegenüber.“)
Am Ende stand ein glanzloser, aber ungefährdeter 4:1 Sieg für Wessum. Alle Diskussionen waren nach dem Spiel vergessen und wären auch zwecklos gewesen. Denn beide Trainer hatten sich vor dem Anstoß auf einem unanfechtbaren Dokument (einem vom Regen durchgeweichten Klebezettel) mit der Ansetzung der Ersatzschiris einverstanden erklärt.
Ungeahnter sportlicher Höhenflug
“Auf dem Platz gescheitert, am Tresen gefeiert“, lautet eine geflügelte Kreisliga-Phrase – die auf uns aber nicht (mehr) zutrifft. Vier Siege in Serie, drei Punkte hinter dem Relegationsplatz. Anders als die Bayern können wir uns den Besuch auf dem Oktoberfest am Samstag erlauben...
1991 in Ahaus geboren, in Münster studiert, seit April 2016 bei Lensing Media. Mag es, Menschen in den Fokus zu rücken, die sonst im Verborgenen agieren.
