Allein zehn Fußballerinnen aus dem Altkreis Ahaus schnüren in der aktuellen Saison ihre Schuhe in der Regionalliga beim SSV Rhade im Nachbarkreis Recklinghausen. Das zeigt deutlich: An talentierten Kickerinnen mangelt es hier keinesfalls. Nur schaffen es die Vereine in Ahaus und Umgebung offenbar nicht, die Kräfte entsprechend zu bündeln, um den besten Spielerinnen der Gegend eine Heimat zu bieten. Das bedauern viele in der Szene.
Im ganzen Fußballkreis Ahaus/Coesfeld ist derzeit die Landesliga das höchste der Gefühle. Hier treten Teams wie SpVgg Vreden, ASC Schöppingen, Union Wessum, VfL Billerbeck, GW Nottuln und Turo Darfeld an. Eine Spielklasse höher, also in der Westfalenliga, wäre die nächste Anlaufstelle für ambitioniertere Spielerinnen Germania Hauenhorst im Kreis Steinfurt. Von Ahaus aus beträgt eine Fahrstrecke dahin über 45 Kilometer.
Noch mal eine Etage höher spielt seit Sommer 2023 der SSV Rhade. Und der ist auch die Adresse Nummer eins für die Talente aus dem Altkreis Ahaus, oft wechseln sie schon im Jugendbereich in den Dorstener Stadtteil. Immerhin misst sich auch schon die B-Jugend in der Regionalliga mit Teams wie Bayer Leverkusen, VfL Bochum oder MSV Duisburg.
Dass die Fußballerinnen aus dem Altkreis Ahaus den teils großen Aufwand auf sich nehmen (die Spielerinnen aus Schöppingen beispielsweise müssen pro Strecke nach Rhade über 50 Kilometer fahren), spricht einerseits für die erfolgreiche Arbeit, die seit Jahren beim SSV geleistet wird.
Diese Tatsache wirft aber auch die Frage auf, warum scheinbar kein Verein „um die Ecke“ eine solche Anlaufstelle bieten kann oder will. Denn fest steht: In der Breite fördern die hiesigen Klubs den Mädchenfußball beispielhaft: Mit insgesamt 91 Mädchenmannschaften belegt der Fußballkreis Ahaus/Coesfeld westfalenweit einen Spitzenplatz, nur der Kreis Münster stellt noch mehr Teams.
FC Oeding früher Topadresse
Im Frauenbereich mag sich aber eben kein Klub zu einer echten Nummer eins, einem Aushängeschild aufschwingen. Früher war das mal der FC Oeding, der über ein Jahrzehnt lang in der Verbandsliga spielte, in der Saison 2005/06 sogar den Sprung in die Regionalliga West schaffte.
Die heutige Trainerin des FC, Katja Schulten-Jägering, erlebte diese goldene Zeit als Spielerin mit. „Wir hatten damals sehr aktive Leute in der Abteilung wie zum Beispiel Hubert Bußmann, der das Ganze mit aufgebaut hat“, erinnert sie sich. „Irgendwann war es dann so, dass wir uns einen Namen gemacht haben, die Spielerinnen ganz automatisch zu uns gekommen sind und wir einen großen Stamm an guten Fußballerinnen hatten.“
Geld habe dabei allerdings nie eine Rolle gespielt. Fahrtkosten, neue Trainingsanzüge oder Busfahrten zu den Auswärtsspielen seien vom Hauptsponsor zwar bezahlt worden, allein fürs Fußballspielen sei aber niemand entlohnt worden. Um zu einer guten Adresse im Frauenfußball zu werden, brauche es in erster Linie „Leute, die sich komplett da reinhängen“, so die Oedingerin.

Nicht nur aus der Oedinger Perspektive, sondern auch aus der der Kreisauswahltrainerin der U15-Mädchen bekomme Katja Schulten-Jägering durchaus mit, dass viele den aktuellen Zustand bedauern. „Die Mädchen werden teils auch schon zu früh angesprochen und aus ihren Heimatvereinen geholt.“
Ähnlich sieht es auch Jochen Kloster, der sowohl die Landesliga-Frauen von Union Wessum als auch die B-Juniorinnen in der Bezirksliga trainiert. „Wir haben derzeit mit Schöppingen, der JSG Vreden/Südlohn/Oeding und uns drei gute Mannschaften in der Bezirksliga. Wenn man aus den besten Spielerinnen eine Mannschaft formen würde, könnte die auf jeden Fall höher spielen.“
Strukturen müssen passen
Eine Topadresse im Altkreis Ahaus wäre für viele also wünschenswert. Doch welche Vereine kämen dafür überhaupt infrage? Union Wessum hat in den vergangenen Jahren zweifellos gute Arbeit geleistet und viele Talente hervorgebracht, hat aber das große Manko eines fehlenden Kunstrasenplatzes und somit keine idealen Trainingsbedingungen.
Der ASC Schöppingen hat sich zuletzt ebenfalls mit erfolgreicher Nachwuchsarbeit hervorgetan. Das haben auch andere Vereine registriert, so sagt selbst die Oedingerin Katja Schulten-Jägering: „Es ist eigentlich schade, dass Schöppingen davon im Damenbereich nicht wirklich profitiert und die besten Spielerinnen abgeben muss.“ Zuletzt zog es Stürmerin Sarah Bunnefeld (letzte Saison 51 Tore in der Bezirksliga) zum Regionalligisten Rhade.
Christina Haverkock, Trainerin beim ASC, hat eine geteilte Meinung zu der Thematik: „Ich finde auch, dass ein Verein selbst von Grund auf Spielerinnen ausbilden sollte, statt nur von der Arbeit anderer Vereine zu profitieren. Ich finde aber schon, dass wir mit den vielen Landesligisten hier im Kreis gut aufgestellt sind.“

Ein paar Schritte nach oben ist in den vergangenen Jahren auch die SpVgg Vreden gegangen. Bis 2018 noch in der Kreisliga A am Ball, ist das Landesligateam mittlerweile auch attraktiv für Spielerinnen, die schon höherklassig aktiv waren. So haben sich etwa Talente wie Sophie Kleinpas (mittlerweile bei Schalke 04) oder auch Emma Geling, die zuvor in Rhade aktiv war, den Blau-Gelben angeschlossen.
Andreas Wenning trainierte schon die Vredener Frauen und betreut aktuell die U17 der JSG Vreden/Südlohn/Oeding. Er ist der Meinung, dass im Altkreis Ahaus mehr möglich wäre als nur Landesligafußball. „Ich persönlich finde es nicht gut, dass Mädchen schon so früh nach Rhade wechseln, zumal der Verein selbst kaum eigene Jugendarbeit leistet.“
In Ahaus und Umgebung müssten die Vereine wieder interessanter für Talente werden und mehr miteinander statt gegeneinander arbeiten. „Wenn drei Vereine in der Landesliga spielen, nehmen sie sich natürlich gegenseitig gute Spielerinnen weg.“
Der Faktor Personal
Der wichtigste Aspekt sei es, im Nachwuchsbereich gute Arbeit zu leisten. Das gehe eben nur mit guten, engagierten Trainern. Andreas Wenning zieht hier einen Vergleich zum Jungenbereich bei der SpVgg: „Tobias Sumelka und andere leisten hier so gute Arbeit, dass regelmäßig Spieler den Sprung in den Oberligakader schaffen. So müsste es im Mädchenbereich auch laufen.“
Nur sei gutes Personal eben schwer zu finden. „Bei uns im Verein gibt es leider nicht mal einen Koordinator für den Frauen- und Mädchenbereich. Die Stelle ist schon mal ausgeschrieben worden, aber es hat sich wohl niemand geeignetes beworben. Solche Strukturen wären natürlich wichtig, auch damit die Spielerinnen einen Ansprechpartner neben den Trainern haben.“

Grundsätzlich sähe Andreas Wenning in Vreden schon die passenden Rahmenbedingungen und das Potenzial, um im Frauenbereich noch höher hinaus zu kommen. Doch dazu brauche es die genannten Faktoren.
Zu der geäußerten Kritik am SSV Rhade äußert sich übrigens auch dessen jahrelanger Abteilungsleiter Dieter Müßner: „Diese Kritik gibt es ja schon, solange ich denken kann. Letztendlich ist es doch so, dass wir ein Angebot machen, das es so im Kreis Ahaus/Coesfeld nicht gibt. Es ist ja klar, dass kein Verein seine besten Spielerinnen gern abgibt. Aber wir bieten ihnen mit guten Rahmenbedingungen die Chance, sich auf hohem sportlichem Niveau auszuprobieren. Und sie kommen alle freiwillig zu uns, wir zahlen kein Geld.“
Ob in Zukunft auch ein Verein in Ahaus und Umgebung diese Rolle einnehmen kann beziehungsweise will, wird sich zeigen.