
© Ralf Görlitz
Daniel Schnelting: So läuft‘s beim Deutschen Meister nach der Sprint-Karriere
Leichtathletik
Er gehörte in den Nullerjahren zu den besten Sprintern Europas. Die große Bühne hat Daniel Schnelting längst verlassen. Wir haben mit ihm über Titel, Enttäuschungen und Usain Bolt gesprochen.
Anfang 2012 war bei Daniel Schnelting alles auf das große Ziel des Jahres ausgerichtet: In London wollte er erstmals an Olympischen Spielen teilnehmen. Dann kam eine verhängnisvolle Trainingseinheit dazwischen: „Ich dachte, jemand tritt mir von hinten in die Hacken“, erinnert sich der Oedinger heute. „Ich habe mich umgedreht, aber da war leider niemand.“
In dieser Szene sei in Sekundenschnelle ein Film in seinem Kopf abgelaufen. Die bittere Erkenntnis: Das war‘s mit Olympia. Schließlich sollte ihn die gerissene Achillessehne, die er aus jenem Training davongetragen hatte, um Monate zurückwerfen. Wie der 34-Jährige heute weiß: Diese Verletzung beendete neben dem Traum von Olympia auch seine Karriere auf den großen Laufstrecken der Welt.
Nicht genug für den Lebensunterhalt
„Nach der Verletzung war mir relativ schnell klar, dass ich nicht bis 35 weiter laufen, sondern mich ab diesem Zeitpunkt voll auf den Job konzentrieren will“, erzählt Daniel Schnelting. „Schließlich ist es in der Leichtathletik ja nicht wie im Fußball. Mit dem Laufen konnte ich zwar mein Studium finanzieren, aber sicher nicht meinen kompletten Lebensunterhalt bestreiten.“
Dabei war Schnelting einer der besten Sprinter Europas in den Nullerjahren. Deutscher Meister über 200 Meter 2007, 2008 und 2010. Europameister in der U20 allein und mit der Staffel im Jahr 2005. Am Ende der Karriere steht eine Bestzeit von 20,53 Sekunden, erlaufen am 25. Mai 2008 in Weinheim.
2008, das war in mehrfacher Hinsicht ein besonderes Jahr für den 1,97 Meter großen Oedinger. Persönliche Bestzeit, Deutscher Meister, Olympia in Peking vor Augen. Doch aus dem Großereignis sollte für ihn nichts werden. „Ich war in dem Jahr der schnellste Deutsche und auch in der europäischen Spitze. Dass ich nicht mit nach Peking durfte, hatte politische Gründe“, sagt Schnelting.
Weil er gerade ein Praxissemester absolvierte, habe er an einer Trainingsmaßnahme für die Olympia-Staffel nicht teilnehmen können. „Hinterher wurde mir dann gesagt, dass ich deshalb nicht mitkomme. Das war aber vorher als freiwillige Maßnahme angekündigt worden.“
Schnelting glaubt, dass dieses Argument vorgeschoben gewesen sei. „Statt mir hat der Bundestrainer seine eigenen Athleten ins Team geholt, um seinen Position zu sichern.“ Für den damals 22-Jährigen ein Schlag ins Gesicht.
Mit Usain Bolt auf der Bahn
Von weiteren Erfolgen sollte dieser ihn aber nicht abhalten. Es folgten ein nächster nationaler Titel und eine EM-Teilnahme 2010. Schon ein Jahr zuvor war Schnelting bei der Heim-WM in Berlin dabei gewesen. Die legendären Läufe des Jamaikaners Usain Bolt, der im Olympiastadion bis heute ungebrochene Weltrekorde über 100 und 200 Meter aufstellte, bestaunte der Oedinger live.
„Das war einfach Wahnsinn, Bolt ist ein Jahrhunderttalent“, sagt Schnelting, der unter anderem beim Staffelsprint in Zürich auch mit Bolt als Gegner auf der Bahn stand. „Für solche Leistungen wie seine hat mein Talent dann leider nicht gereicht.“
Das Talent des Jungen von einem Oedinger Bauernhof sei bereits im Kindergarten erstmals aufgeblitzt. Da habe es ein Spiel namens „Daniel fängt alle“ gegeben, wie ihm eine Kindergärtnerin später erzählt habe. Nachdem Schnelting recht bald bemerkte, dass Fußball nicht ganz seinem Talent sprach („Ich war zwar schnell, die Technik fehlte allerdings.“), schloss er sich 1999 dem Leichtathletikzentrum (LAZ) Rhede an.
Dort nahm ihn Trainer Hermann-Josef „Mecky“ Emmerich unter seine Fittiche. „Er war im Prinzip von Anfang bis Ende mein Trainer und hat mich behutsam aufgebaut. Das hat meiner sportlichen Entwicklung sehr gut getan“, blickt Schnelting zurück. Für das LAZ holte der Oedinger 2003 mit 17 Jahren seinen ersten großen Titel über die 200 Meter, wurde Deutscher Meister der U18.
Von nun an ging es steil bergauf. 2005 knackte Schnelting erstmals die 21-Sekunden-Marke. Heute sagt er: „Wichtiger als Zeiten war es für mich aber immer, Rennen zu gewinnen. Jede Bestzeit wird irgendwann gebrochen. Ein Titel bleibt für immer.“ Und davon holte der Oedinger 2005 allein fünf in der Altersklasse U20; wurde Doppel-Europameister, Deutscher Meister in der Halle sowie draußen über 100 und 200 Meter.
Schneltings Highlight war der erste Titel bei den Männern
Der erste EM-Titel sei ein sehr spannendes Erlebnis gewesen. Als absolutes Highlight seiner Laufbahn stellt Schnelting aber einen anderen Titel heraus: „Das Coolste war schon die erste Deutsche Meisterschaft. Gegen Leute wie Lars Unger oder Alexander Kosenkow war ich der Underdog, mich hatte niemand auf dem Zettel.“ In Erfurt ließ der Oedinger die Konkurrenz im Juli 2007 mit 20,88 Sekunden jedoch hinter sich.
Auch wenn seine Karriere nicht perfekt verlaufen sei, zum Beispiel aufgrund der verpassten Olympia-Teilnahme, blicke er heute zufrieden zurück. „Ich war dreimal schnellster Deutscher, bei WM und EM dabei, habe die Welt kennengelernt und viele tolle Kontakte geknüpft. Wenn mir das jemand gesagt hätte, als ich mit 13 angefangen habe, hätte das sicher all meine Wünschträume erfüllt.“

Zweimal durfte sich Daniel Schnelting ins Goldene Buch der gemeinde Südlohn eintragen, hier 2010. © Stephan Rape
Doch auch über den Sport hinaus hat sich Schnelting einige Wünsche erfüllt. Seit 2011 lebt er in Velen, arbeitet als Vertriebsleiter in der Medizintechnik. Ein zentrales Thema ist für Schnelting dabei seine Diabetes-Erkrankung, die im Alter von fünf Jahren diagnostiziert worden ist. „Beruflich habe ich viel damit zu tun, aber auch nebenbei mache ich viel im Bereich der Aufklärung für Kinder, Jugendliche und deren Eltern. Sie sollen auch an meinem Beispiel sehen, dass man trotz der Erkrankung vieles erreichen kann.“
Und Sport treibt der Vater einer anderthalbjährigen Tochter natürlich auch heute noch. „Ich probiere drei- bis viermal pro Woche was zu machen. Auch in Rhede bin ich noch regelmäßig, sozusagen als Spielertrainer.“ Es klappe immer noch ganz gut mit dem Sprinten. „Aber wenn ich mit den Jüngeren laufe, merke ich schon, dass es ein bisschen schwieriger wird. Aber auch nur ein bisschen...“
Anfang des Jahrtausends von der Nordseeküste ins Münsterland gezogen und hier sesshaft geworden. Als früher aktiver Fußball-, Tennis- und Basketballspieler sportlich universell interessiert und immer auf der Suche nach spannenden Geschichten.
