Die US-amerikanische Footballliga NFL erfreut sich in Deutschland seit Jahren wachsender Beliebtheit. Dennoch ist der Sport örtlich gesehen weit weg von den deutschen Fans. Das ändert sich am Sonntag, wenn mit der Begegnung Tampa Bay Buccaneers gegen Seattle Seahawks erstmals ein NFL-Spiel hierzulande ausgetragen wird. Ganz nah dran an der NFL war Wilm Kemper aus Vreden bereits zu seiner Zeit in den USA. Und auch am Sonntag wird er mit seiner Familie live in der Münchener Arena dabei sein.
Sechs Tickets hat der Vredener für sich, seine Ehefrau, die beiden Söhne und deren Partnerinnen ergattert. „Für mich kommen dann sicher viele berufliche Erinnerungen auf“, sagt der 55-Jährige, der sich zu den Fans der Buccaneers um Star-Quarterback Tom Brady zählt. Diese Beziehung baute der Vredener aber bereits Jahre vor der Brady-Zeit auf.
Als Inhaber des Vredener Baustoffhandels Kemper lebte er bis 2010 noch im Westmünsterland. Im Zuge des Firmenverkaufs zog es Wilm Kemper dann zunächst für zwei Jahre nach München, um die Entwicklung des Baustoffhandels zu begleiten. „Dann habe ich 2012 für mich beschlossen, noch mal etwas ganz Neues auszuprobieren“, erzählt der Vredener.
So wanderte er an die Ostküste der USA aus, lebte in Princeton und pendelte beruflich zwischen seinem Wohnort und Tampa in Florida. In Zusammenarbeit mit der Berliner Agentur HMI Sports, die sich auf die Versicherung von Profisportlern spezialisiert hat und seinerzeit in die USA expandieren wollte, habe Wilm Kemper sich gemeinsam mit einem Partner als Versicherungs-Broker selbstständig gemacht.
Ganz bewusst sei die Wahl für den Firmensitz auf Tampa gefallen. Sportlich ist die Stadt mit ihren Profi-Franchises Tampa Bay Lightning (Eishockey), Tampa Bay Rays (Baseball), Tampa Bay Rowdies (Fußball) und eben den Buccaneers sehr breit aufgestellt. „Gleichzeitig ist Tampa aber nicht so überdreht wie New York oder Miami. In Tampa geht es fast ein bisschen ländlich zu und man trifft die Profisportler auch mal in der Mall oder in der Bar“, erzählt Wilm Kemper.

Recht schnell habe er als Broker Fuß gefasst und mehrere Profisportler, hauptsächlich Footballspieler, zu seinen Klienten gezählt. Der Weg vom Baustoffhandel in die Versicherungsbranche sei übrigens kein so langer gewesen, wie man denken könnte. „Bei uns im Betrieb hatte ich schon immer mit Versicherungen zu tun, auch für unsere Mitarbeiter“, so Kemper. In Florida habe er dann eine Fachprüfung erfolgreich abgelegt und somit die Lizenz für den neuen Job erhalten.
Bei den Sportlern sei es ganz konkret um die Absicherung ihres Vermögens gegangen. Schließlich könne die Arbeitslosigkeit einen NFL-Profi von heute auf morgen treffen. „Abgesehen von den großen Stars haben die meisten der 1700 bis 1800 NFL-Spieler eindeutige Klauseln in ihren Verträgen, dass der Verein sie innerhalb eines Monats kündigen kann, wenn die Leistung nicht stimmt. Und der Verein definiert, wann das der Fall ist.“
Menschliche Schicksale miterlebt
So habe der Vredener in diesem Haifischbecken das ein oder andere menschliche Schicksal hautnah miterlebt. „Es herrscht einfach ein großer Leistungsdruck und auch körperlich ist die Belastung enorm. Manche Spieler ertragen das nur mit Hilfsmitteln wie zum Beispiel Cannabis. Das ist meistens gutgegangen, obwohl die Spieler ab und an darauf getestet werden.“
Ähnlich extrem wie die Anforderungen gestaltet sich auch die Vergütung der Football-Profis. Wilm Kemper nennt ein Beispiel für den verschwenderischen Lebensstil manchen Spielers: „Ich kenne Einzelfälle, wo Spieler ohne Koffer zu den Auswärtsspielen reisen, sich in den Flughafen-Shops mit Sneakers, Jeans und Jacke komplett neu einkleiden und die Wäsche, mit der sie angereist sind, einfach im Hotel zurücklassen.“

Zurückgelassen hat de Vredener dann 2016 seine neue Heimat in den USA: Der Liebe wegen ging es zurück nach Vreden. Hier arbeitet der 55-Jährige heute hauptberuflich als Geschäftsführer eines Digital-Unternehmens. Nebenbei ist Kemper aber immer noch im Bereich der Sportler-Versicherung tätig. Vor allem Tennisprofis, aber auch schon einen Fußballer von Borussia Dortmund, habe er in den vergangenen Jahre betreut. Doch auch in die USA pflege er weiterhin Kontakte, so zähle er den früheren NFL-Profi Jerry Bell zu seinen Freunden.
Auch wenn gewisse Auswüchse des Business Wilm Kemper durchaus nachdenklich stimmten, begeistere ihn der US-Sport an sich nach wie vor. Ein Highlight sei der Besuch des Super Bowl 2014 im Metlife Stadium nahe New York zwischen den New England Patriots und den Seattle Seahawks gewesen. Insofern habe der Vredener neben den Buccaneers auch zum Gegner am Sonntag schon einen Bezug. Doch auch für den Vredener Intim-Kenner der NFL ist ein Spiel in Deutschland etwas Besonderes, zumal auch eine kleine Reise in die eigene Vergangenheit.
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