Viele Bewohner der Einrichtungen der Behindertenhilfe haben unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu leiden. Thomas Berning, Caritasverband Ahaus-Vreden, schildert die Situation.

Legden

, 12.02.2021, 12:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Legdener Thomas Berning ist beim Caritasverband Ahaus-Vreden im Bereich der Behindertenhilfe unter anderem für drei Einrichtungen in Ahaus zuständig. „Corona hat einiges durcheinander gewirbelt“, sagt der 52-Jährige. Ein Erfahrungsbericht.

Corona fordert die Menschen seit einem Jahr in vielerlei Hinsicht. Die Pandemie erschwert auch das Leben für Menschen mit Behinderung stark. Thomas Berning weiß, wie sehr die Bewohner und die Mitarbeiter unter den Auswirkungen zu leiden haben.

Schnelltests und Impfungen

Erinnert sei zum Beispiel an das Frühjahr 2020. Damals schützte der Bund die Menschen mit Behinderung durch vorsorgliche Quarantäne und Betretungsverbote vor dem Virus. Heute sind Schnelltests und Impfungen das Mittel der Wahl.

Thomas Berning ist seit dem 1. August vergangenen Jahres Einrichtungsleiter beim Caritasverband. Er ist im Bereich der Behindertenhilfe unter anderem zuständig für das Bischof-Tenhumberg-Haus, das Ludwig-Bringemeier-Haus und das Dr.-Jürgen-Westphal-Haus, alle drei in Ahaus.

„Corona hat einiges durcheinander gewirbelt“, sagt der 52-Jährige rückblickend. Im Frühjahr 2020, im totalen Lockdown, waren auch die Werkstätten für behinderte Menschen geschlossen. „Menschen mit Autismus brauchen einen sehr strukturierten Tagesablauf“, nennt Thomas Berning ein Beispiel.

Dass der Umgang mit ihnen durch die neue Situation schwerer wird, „das ist aber oft nicht eingetreten. Viele Bewohner haben damals diese Zeit fast wie Urlaub genossen.“

Große Herausforderung und Verantwortung

Gleichwohl spürten die Mitarbeiter schon in der Anfangszeit der Corona-Pandemie die große Herausforderung und Verantwortung. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Zu Thomas Bernings Aufgaben gehört es auch, die Mitarbeiter zu entlasten, ihnen Zuspruch zu geben, den richtigen Weg zu finden, um allzu breit gefasste staatliche Vorgaben in die richtigen Bahnen zu lenken. „Zu Beginn der Pandemie waren die Vorgaben restriktiver“, erklärt Thomas Berning.

Mittlerweile sei die Verantwortung vom Bund auf das Land und zu den Behörden weiter unten durchgereicht worden. Ihm werde dann gesagt: „Das können Sie entscheiden und verantworten.“ Entlastungen auf der einen Seite, Belastungen auf der anderen Seite.

„Ich hätte mir zum Beispiel durch die Schnelltests eine Entlastung gewünscht. Aber damit hat man gleichzeitig ein Bürokratiemonster erschaffen.“ Doppelt und dreifach müssten Papiere für die verschiedensten Stellen ausgefüllt werden.

Digitale Teamsitzungen

Kollegialer Austausch kann derzeit nur in digitalen Teamsitzungen stattfinden, ebenso verhält es sich mit Dienstbesprechungen. Dabei sieht sich Thomas Berning nicht in erster Linie als Vorgesetzter seiner etwa 65 Mitarbeiter am Standort Ahaus, der er doch ist, sondern auch als Motivator, als Mediator, als Teambegleiter. Er führt Gespräche mit Mitarbeitern, mit Angehörigen von Bewohnern, mit rechtlichen Betreuern.

Er hält Kontakt zur Kirchengemeinde und zum Eltern- und Freundeskreis der Menschen mit Behinderung in Ahaus. Er schreibt Einsatz- und Stellenpläne und fertigt Übersichten. Er blickt auf die Liegenschaften, trägt Sorge für die Funktion und den Erhalt der Immobilien. Und nicht zuletzt trägt er dafür Sorge, dass die Corona-Schutzbestimmungen umgesetzt werden.

„Manche denken, wir sind eine Pflegeeinrichtung“

Als Einrichtungsleiter ist er nicht nur für den gesamten Betrieb verantwortlich. Er ist vor allem verantwortlich für die Menschen mit Behinderung, die in Ahaus ihren Lebensort gefunden haben. 54 stationäre Plätze zählt der Caritasverband Ahaus-Vreden in seinen drei Häusern, 50 davon sind besetzt. Der Altersschnitt liegt bei 45 Jahren. Kein Vergleich zu den Bewohnern der stationären Altenhilfe-Einrichtungen des Caritasverbandes.

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Die Seniorenheime und deren Bewohner standen und stehen in der Pandemie deutlich mehr unter öffentlicher Beobachtung und Fürsorge. „Die Behindertenhilfe wird in der Corona-Pandemie kaum öffentlich wahrgenommen“, sagt Thomas Berning.

„Manche denken, wir sind eine Pflegeeinrichtung mitsamt Arzt und Pflegern. Das sind wir ganz klar nicht. Wir sind eine Einrichtung der Eingliederungshilfe.“

Kollegiales Miteinander

Warum er zur Caritas gegangen ist? „Es wird viel für den Menschen getan, der bei der Caritas arbeitet“, sagt Thomas Berning. „Man hält ihm den Rücken frei, wenn es ihm mal nicht so gut geht.“

Dabei kann sich der Einrichtungsleiter auf die Rückendeckung von Peter Schwack verlassen, dem Vorstand für das Ressort Soziale Dienste beim Caritasverband. „Mit ihm ist es einfach ein kollegiales Miteinander, auch in der hierarchischen Struktur. Man möchte doch nach oben gehört werden – und das wird man.“

Den Menschen in seiner Wahrhaftigkeit wahrnehmen, das spielt für Thomas Berning eine große Rolle. Der Legdener liebt seine Arbeit, das merken auch diejenigen, die mit ihm über seine Arbeit sprechen. „Ich höre dann immer, dass meine Augen leuchten, wenn ich über meine Arbeit und die Wohneinrichtung berichte. Das ist wirklich so.“

In den Einrichtungen der Behindertenhilfe werden „tolle Menschen“ betreut, sagt Thomas Berning. „Sie sind oft unbedarft und frei.“ Corona ändert daran nur wenig.