Es wirkt fast wie eine Bühnenkulisse: Das alte Legdener Bahnhofsgebäude direkt neben dem heutigen Haltepunkt steht seit fast 150 Jahren an derselben Stelle und sieht auch genauso aus. Fast jedenfalls. Es ist nämlich auch Mittelpunkt einer ganz neuen Welt, an vielen Stellen einer „Villa Kunterbunt“ nicht unähnlich. Mit einem recht wilden Sammelsurium aus Oldtimern, Möbeln, Deko, technischem Gerät, Gebrauchsgegenständen.
Eine einheitliche Stilrichtung? Fehlanzeige! Alle Sammelstücke sind Relikte vergangener Zeiten. Und merkwürdigerweise ergeben sie - trotz aller Widersprüche - irgendwie dann doch ein harmonisches Miteinander. Dank des Hausherrn, der sie seit 25 Jahren zusammenstellt.
Ein Faible für alte Gemäuer
Ein Faible für alte Gemäuer hat der gebürtige Ahauser Dirk Räckers schon immer: „Ich habe lange von einem Kotten auf dem Land geträumt.“ Ein Kotten wird es nicht, sondern ein historischer Bahnhof aus dem Jahr 1875.
Im Grünen liegt er aber auch. 1994 ist das Jahr der Transformation, der Privatisierung der ehemaligen Bundesbahn. „Viele der alten Bahnhöfe werden anschließend versteigert“, erinnert sich der 51-Jährige daran, wie alles beginnt. Zu einem für die damalige Zeit recht günstigen Kurs bekommt er den Zuschlag für Legden.


Der Bahnhof samt Güterschuppen ist da bereits seit 1989 unter der Nummer 72 eingetragen in die Denkmalliste der Gemeinde Legden. Eine große Verantwortung für den neuen Besitzer, derer er sich auch von Anfang an bewusst ist. In den folgenden 25 Jahren wird er aber auch erfahren, dass alte Gemäuer generell ständigen Einsatz erfordern. Nicht nur, weil sie Denkmäler sind. Ein Dauerauftrag also.
Umbau in Eigenleistung
Das bekommt Dirk Räckers sofort zu spüren. Zwar ist der aufgegebene Gebäudekomplex nicht total heruntergekommen, Hand angelegt werden muss an vielen Ecken aber schon. Schließlich soll daraus ja auch mal das Wohnhaus einer Familie werden. Als eigenständige Dienststelle existiert der Legdener Bahnhof schon seit 1975 nicht mehr, gehört seitdem zum Bahnhof Coesfeld. Allerdings ist eine Wohnung dort bereits vorhanden - die des Stationsvorstehers.
Bis hier Räckers schöne neue Welt entsteht, dauert es. „Das Ganze musste wachsen“, sagt er heute. Und offenbar wächst es immer noch. Zugute kommt ihm bei den Herausforderungen seines neuen Lebens seine handwerkliche Erstausbildung als Bautischler. Vieles, was seitdem passiert ist am und rund um den Bahnhof, basiert nämlich auf Eigenleistung. „Mein Vater hat mir sehr viel dabei geholfen““, erzählt er von großer familiärer Unterstützung.
Authentische Materialien
Beim Erwerb des Bahnhofs steckt Dirk Räckers allerdings mitten in seiner Ausbildung zum „Jugend- und Heimpädagogen“ in Köln. Also pendelt er, richtet sich unterm Dach eine provisorische Bleibe ein, um den Bahnhofsumbau zu begleiten.
Und darauf legt er sehr viel Wert: „Mir ist es wichtig, dass die Außenfassade gepflegt wird.“ Dass das gelungen ist, ist deutlich sichtbar: Das markante Fachwerk mit dem Mauerwerk aus rotem Klinker - alles im Bestzustand.
Damit beim Umbau vorwiegend alte und authentische Materialien zum Einsatz kommen, hält er Auge und Ohren auf, schaut sich in Abbruchhäusern um, ob sich dort etwas für die Verwendung im Legdener Bahnhof eignet. So sind dort inzwischen eine Sandsteintreppe aus dem Gronauer Güterbahnhof oder Fenster aus einem Schrankenwärterhäuschen aus der Region „verbaut“.

Pädagogisch wertvoll
Beim Blick auf das Ensemble aus historischen Mauern und großzügigem grünen Außenbereich hat der Besucher schnell das Gefühl von heiler Welt. Das ist sie irgendwie ja auch.
Trotz einer durchaus etwas anderen Wohngemeinschaft. Neben dem Hausherrn leben seine drei Kinder (19,16,13) mit ihm unter dem Bahnhofsdach, aber über Vermittlung des Jugendamts Ahaus auch zwei minderjährige Schutzbedürftige, die hier Schutz und so etwas wie familienähnliche Strukturen erfahren sollen.
So etwas wie eine Vorbereitung auf das Leben. Dirk Räckers nennt es das Ziel, eine Lebensidee zu entwickeln. Mit klaren „Basics“ für den Umgang miteinander, aber ohne strenge Regeln.
Stattdessen vertraut der Pädagoge auf die Wirkung der Angebotsvielfalt, die eine solche Wohnsituation, in der die Jugendlichen ihre Neigungen frei ausprobieren können, bietet. „Ich habe festgestellt, dass Lob mehr bringt als Kritik“.

Das alles ist also die Welt, wie sie Dirk Räckers gefällt. Hier ist, wie er sagt, seine Insel, sein Stück Freiheit. Die Züge, die er übrigens kaum als störend empfindet, weil sie langsam rein und rausfahren, sozusagen dass Symbol für Reise (in die Welt) unterstreichen das. Nur manchmal werde er nachdenklich und frage sich, ob das alles Sinn wirklich mache. „Wenn ich dann aber hier draußen sitze und mich umschaue, ist das schon wieder vergessen.“
Klage gegen Erdgasfernleitung abgewiesen: Senat sieht keine Sicherheitsbedenken
Open-Air-Party mit „Wacholderbären-Saft“: Stammtisch feiert zwei Tage an neuem Standort
Bald Gewerbegebiet an der Asbecker Straße?: Bürger können Einfluss auf Regionalplan nehmen
Diesen Artikel haben wir am 11. August 2023 veröffentlicht.