„Eine Bombe über Legden abgeworfen und das Ruhrgebiet hat weder Gas noch Strom.“ So drastisch formulierte ein Legdener die Situation am Infomobil der Amprion am Dienstagmorgen, 17. Oktober, auf dem Kirmesplatz. Ganz so dramatisch scheint die Situation nicht zu sein, wenn man den Aussagen der acht Vertreter des Übertragungsnetzbetreibers glauben darf.
Auf zahlreichen Monitoren und Karten konnten sich Interessierte anschauen und erklären lassen, wo und wie die etwa 800 Kilometer lange neue Leitung mit dem Namen „Windader-West“ zukünftig durch Legden verlaufen könnte.
Dennoch fasst der Satz wohl das zusammen, was viele Legdener gerade denken. Sowohl die 380 KV Leitung, die in Teilen sogar durch einen Energietunnel unter Legden hindurchführt und ebenfalls ein Projekt der Firma Amprion ist, wie auch die Gasverdichterstation in der Legdener Bauerschaft Haulingort befinden sich noch im Bau, da rollt schon das nächste Großprojekt in Form einer Erdkabelleitung auf die Dinkelgemeinde zu.
Baubeginn trotz fehlender Leitung
Absolut unverständlich, diese Vorgehensweise, hört man es oft am Infomobil. Ein Legdener Landwirt macht seinem Ärger lautstark Luft, wirft der Amprion sogar Beteiligungen an den Offshore-Parks vor. „Die Windparks in der Nordsee werden einfach gebaut, ohne vorher zu wissen, wie der Strom von dort ins Land kommen soll“, erläutert er. Das sei doch absurd. Als Privatperson dürfe man schließlich auch erst dann mit dem Bau einer Windkraftanlage beginnen, wenn klar ist, dass der produzierte Strom auch abgenommen werden kann.
Das resultiere aus den Entscheidungen, die die Bundesregierung seinerzeit getroffen habe, erläutert Tobias Schmidt, der Projektsprecher bei der Amprion ist. Durch die gesetzten Klimaziele soll bis 2035 in den Windparks auf See so viel Strom produziert werden, wie etwa 50 Kohlekraftwerke produzieren würden, erklärt er. Energetische Autarkie habe sich die Bundesregierung groß auf die Fahnen geschrieben, ergänzt der Fachmann.
Entschädigung für die Region
„Es laufen mittlerweile so viele Leitungen durch das Münsterland, wie sieht es denn mit einer Durchleitungsgebühr aus?“, fragt Bruno König, der für die unabhängige Wählergemeinschaft im Gemeinderat sitzt. Gerade Legden scheine sich ja zu einem Knotenpunkt zu entwickeln, ergänzt er.
Auch bei diesem Thema sei die Amprion der falsche Ansprechpartner so Stefan Sennekmap, ebenfalls Projektsprecher. Solche Lösungen würden auf politischer Ebene zwar diskutiert, bisher gebe es aber noch keine Entscheidung dazu, weiß er.
Die dargestellte Strecke sei ja auch bisher lediglich der favorisierte 670 Meter breite Korridor für den Trassenverlauf, so Sennekamp. Was vielen Legdenern aber direkt auffällt, an vielen Stellen auf der Karte gibt es mehrere Möglichkeiten, Ortschaften zu durch- oder umqueren, für Legden nicht.

Nachteile für die Landwirtschaft
Was dringend aufhören müsse, sei die Ungleichbehandlung und Minderung der landwirtschaftlichen Nutzfläche, betont ein weiterer Legdener gegenüber den Amprion-Mitarbeitern. Zum einen, man sehe es am Beispiel Legden ja sehr deutlich, gebe es Gebiete in Deutschland, wo sich der Leitungsbau konzentriere. Das führe zu starken Einbußen bei Ackerflächen, Weiden und Grünland in den entsprechenden Regionen, weil diese langfristig oder zeitlich begrenzt für den Leitungsausbau genutzt würden, erklärt er.
Zusätzlich dazu würden durch die versiegelten und bebauten Flächen, oft neue Naturschutzgebiete als Ausgleichsflächen ausgewiesen. In der Regel seien diese Flächen zuvor landwirtschaftlich genutzt worden und fallen dann ebenfalls weg. Das könne so nicht weitergehen, stellt der Legdener klar.
Bündelung der Vorhaben
Auch der Vorschlag, die verschiedenen Projekte zu bündeln, ist mehrfach aus den Reihen der Besucher zu hören. „Dagegen sprechen gleich mehrere Gründe“, erklärt Projektsprecher Tobias Schmidt. Die Funktion der Leitungen sei ganz unterschiedlich.
Durch manche Leitungen fließe Wechselstrom, wie bei einer Steckdose zum Beispiel. Durch andere Gleichstrom, der dafür sorgt, dass beim Transport über weite Strecken weniger Energie verloren gehe, erläutert der Fachmann anschaulich. Zudem begrenzen Engstellen wie zum Beispiel starke Wohnbebauung oder Gewässer die maximale Breite der einzelnen Trassen.
Bewertung durch Gutachter
Doch es wurde auch gelobt am Dienstagmorgen auf dem Kirmesplatz. Detlef Schulze Vasthoff ist Landwirt und hat durch den Bau der 380-KV-Leitung einen Teil seiner landwirtschaftlichen Fläche verloren. „Darauf wurde eine der Kabelübergabe-Stationen gebaut“, erläutert er. Gleichzeitig wurde durch mehrere seiner Äcker ein Erdkabel verlegt.
Er ist mit der Abwicklung der Entschädigung, der Vorgehensweise und auch dem Rückbau bisher gut zufrieden. „Der Prozess ist ja noch nicht abgeschlossen“, erklärt er. Bis der Ackerboden wieder richtig rückverdichtet ist und er alle Getreidearten anbauen darf, vergehen mitunter Jahre. Das sei aber von vorneherein klar gewesen, so der Landwirt. Jährlich kämen Gutachter auf den Hof, um seine Ausfälle zu bewerten. Daran würde die Entschädigung dann angepasst.
Erneutes Infoangebot
Auch Legdens Bürgermeister Dieter Berkemeier besuchte mit dem Bauamtsleiter Helmut Schiermann und dem Kollegen Winfried Benning aus dem Bauamt das Infomobil und informierte sich bei den Amprion-Mitarbeitern über den Trassenkorridor. Ihm kam direkt die Idee, gemeinsam mit der Gemeinde Heek einen erneuten Infotermin am Abend zu veranstalten, um sich ganz in Ruhe nochmal erklären zu lassen, worum es bei diesem Leitungsbauprojekt geht.

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