Eine Mitarbeiterin der Praxis Schrage bei einer der Impfaktionen in Legden.

© Ewa

Impfpflicht war für Dr. Franz Wemhoff schon vor über 100 Jahren ein Thema

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Im Bundestag wird erstmals über eine allgemeine Impfpflicht debattiert, in der Öffentlichkeit gärt das Thema schon lange – auch in Legden. Vor über 100 Jahren war das hier längst geklärt.

Legden

, 25.01.2022, 17:20 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es gibt auch in Legden etliche Befürworter einer Impfpflicht, zumindest für medizinische und pflegerische Berufe, und auch ganz viele Gegner. Das Thema polarisiert extrem. Die einen ziehen Überzeugungsarbeit einem Zwang vor, andere halten den für alternativlos, um die Pandemie endlich in die Knie zu zwingen.

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Knut Kasche, Leiter der Sekundarschule Legden-Rosendahl, hat Verständnis für beide Seiten, fordert aber zu einer differenzierten Betrachtung auf. Und der Schulleiter betrachtet die Situation auch noch mal anders als der Privatmann Kasche.

Spontan in den Kopf kommt dem 43-Jährigen, der beim Ende der DDR 13 Jahre alt war, bei der Frage auch das: „Ich komme aus einem System, bei dem kein Mensch überhaupt gefragt worden wäre, das ist in einer Demokratie ja nun wirklich anders.“ Da müsse man auch ganz unterschiedliche Meinungen aushalten.

Impfen als Weg der Vernunft?

Impfen hält er für den richtigen Weg aus der Pandemie, da es dadurch zu deutlich milderen Verläufen der Corona-Erkrankung käme. Es gehe auch darum, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten: „Ich finde es traurig, wenn es heißt, Operationen mussten wegen Covid-Patienten verschoben werden, vielleicht sogar wegen Ungeimpfter.“

Andererseits gebe es aber auch Menschen, die sich aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht impfen lassen können. Eine Impfpflicht werde aber an den unterschiedlichen Lagern kaum etwas ändern, glaubt er.

Impfschein von Hermann Sewald, einem Onkel des heutigen Inhabers der Kaffeerösterei, Erich Sewald.

Impfschein von Hermann Sewald, einem Onkel des heutigen Inhabers der Kaffeerösterei, Erich Sewald.

Grundsätzlich findet der Schulleiter es gut, dass jetzt auch die offizielle Debatte beginnt, und hofft darauf, dass sie auf der Sachebene geführt wird. In Richtung Politik vermisst er aber immer noch eine klare Strategie, einen roten Faden, und das im dritten Corona-Jahr.

Als Pädagoge wünscht er sich sogar in der Schule strengere Maßnahmen. Das auch vor dem aktuellen Hintergrund, dass wegen einiger Fälle für zwei Klassen an seiner Schule wieder Distanzunterricht gilt.

In seinem beruflichen Umfeld erlebt er ganz direkt, wie sehr die ungeimpften Schüler im Vergleich zu den geimpften betroffen sind. Sein Hauptanliegen: „Wie schaffe ich es, diesen Ort sicher zu machen?“ Als Privatmensch gelte für ihn aber die Meinung, dass man keinen zwingen könne.

Bürgermeister ist skeptisch

Ähnlich argumentiert auch Bürgermeister Dieter Berkemeier, der einerseits „kein Fan einer Impfpflicht sei“, andererseits aber auch „skeptisch ist, ob wir es mit anderen Maßnahmen schaffen.“

Er sagt aber auch ganz klar: „Ich bin gegen eine Impfpflicht, so lange offene Fragen nicht geklärt sind.“ Zum Beispiel, wie eine Impfpflicht überhaupt durchgesetzt und kontrolliert werden kann. Oder: Was droht, wenn man sich weigert? Alles das müsse vor einem Gesetzesbeschluss genau durchdacht werden.

Impfschein von Carl Seewald, Er ist der Vater des heutigen Seniorchefs der Kaffeerösterei, Erich Seewald.

Impfschein von Carl Seewald. Er ist der Vater des heutigen Seniorchefs der Kaffeerösterei, Erich Seewald.

Anfang des vergangenen Jahrhunderts war die Haltung in der Bevölkerung auch nicht sehr viel anders. Es gab auch damals schon Verschwörungstheorien, die behaupteten, dass Impfen Menschen in Kühe verwandelt.

Allerdings war da die Impfpflicht längst beschlossene Sache. Das Deutsche Kaiserreich hatte im Reichsimpfgesetz bereits 1874 verbindlich festgelegt, dass alle Kinder im ersten Lebensjahr und dann mit 12 Jahren geimpft werden müssen, bei Erfolglosigkeit sogar ein weiteres Mal.

Familienbande: v.l. obere Reihe: Paula Wemhoff, Julius Wemhoff, Tille Wemhoff (frau von Julius); untere Reihe: Paula Wemhoff, Hedwig Wemhoff, Dr.Franz Wemhoff, Bruder von Franz Wemhoff, Clärchen Wemhoff und Karl Wemhoff.

Familienbande: v.l. obere Reihe: Paula Wemhoff, Julius Wemhoff, Tille Wemhoff (Frau von Julius); untere Reihe: Paula Wemhoff, Hedwig Wemhoff, Dr.Franz Wemhoff, Bruder von Franz Wemhoff, Clärchen Wemhoff und Karl Wemhoff. © privat

Damals waren Pocken die große und weltweite Bedrohung mit vielen Toten, die man so eindämmen wollte. Erfolgreich, wie man längst weiß. Erst 1983 fiel die Pockenimpfpflicht in Deutschland.

Wenig zimperlich war die Politik aber damals mit der Durchsetzung: Bei Nichtbeachtung drohte Geldstrafe oder Haft. Kinder wurden sogar mit Zwang zum Arzt gebracht.

Impfscheine und Arztkoffer im Familienbesitz

Ob das auch in Legden vorkam, ist nicht belegt, wohl aber, dass auch im Ort die Impfpflicht durchgesetzt wurde. Das zeigen Dokumente aus dem Privatarchiv der Familie Wemhoff. Und da werden sie aus gutem Grund bewahrt. Ein Vorfahre war Dr. Franz Henrich Wemhoff, Hausarzt, Sanitätsrat und Erbe des Familien-Hofes im Isingort.

Auch nach über 100 Jahren noch gut erhalten: Der Arztkoffer des Sanitätsrats Dr. Franz Henrich Wemhoff, den die Familie aufbewahrt hat.

Auch nach über 100 Jahren noch gut erhalten: Der Arztkoffer des Sanitätsrats Dr. Franz Henrich Wemhoff, den die Familie aufbewahrt hat. © Markus Gehring

Impfscheine aus dem ersten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts tragen seine Unterschrift als Impfarzt (s. Fotos), mit der er das bescheinigt: „Durch die Impfung ist der gesetzlichen Pflicht genügt.“ Dr. Wemhoff wurde 1843 in Legden/Isingort geboren, hatte Medizin studiert und betreute die Legdener Familien bei allen gesundheitlichen Problemen.

Haus- und Krankenhausarzt

Auch im Legdener Krankenhaus (jetzt Josefshaus), das in diesem Jahr vor genau 150 Jahren gebaut wurde, war Sanitätsrat Wemhoff aktiv. Anders als Krankenhäuser moderner Prägung gab es früher im Legdener Haus nämlich keine festangestellten Ärzte, auch keine Chefärzte.

Niedergelassene Ärzte hatten dort sogenannte Belegbetten, in denen sie ihre Patienten bei Bedarf stationär behandelten. Egal ob bei Hausbesuchen oder im Krankenhaus – Dr. Franz Wemhoff wird seinen Arztkoffer aus Leder bei sich gehabt haben. Das gute Stück, weit über 100 Jahre alt, befindet sich neben zahlreichen Dokumenten und einer zweibändigen Wemhoff-Chronik ebenfalls im Besitz der Familie.