Aus der Mangellage in die Infektionswelle Legdener Apothekerin klärt über Protestgründe auf

Aus der Mangellage in die Infektionswelle: Petra Hruby über die Protestgründe
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Die Apotheken waren am Mittwoch, 27. September, erneut aus Protest geschlossen. Obwohl sich bereits im Sommer, am 14. Juni, rund 90 Prozent der deutschen Apotheker am bundesweiten Protesttag beteiligt haben und die Apotheken geschlossen waren, wurde seitens der Politik nur wenig unternommen, um die Probleme zu beheben. Der Lieferengpass vieler Medikamente ist eines davon.

„In diesem Jahr starten wir direkt aus der Mangellage in die Infektionswelle“, erläutert Petra Hruby, Legdener Apothekerin und Vorsitzende der Bezirksgruppe Borken des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, im Gespräch mit der Redaktion.

Das sei eine ganz andere Ausgangslage als im vergangenen Jahr, ergänzt sie besorgt.

Im Winter 2022 seien die Apotheken noch deutlich besser bevorratet gewesen und die Gesetzeslage war aufgrund der Corona-Pandemie eine andere als in diesem Jahr.

Im Moment kommt es besonders bei Medikamenten wie Antibiotika, Diabetesmitteln, Nasenspray, Magen-Darm-Therapeutika und Cholesterinsenkern zu Wartezeiten für Patienten, weiß Petra Hruby. Nach wie vor sei in den Apotheken vor Ort jedes zweite Rezept von einem Engpass betroffen, ist in einem Faktenblatt des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe zu lesen.

Produktion in Fernost

Die Hauptursache dafür sieht der Verband auch in der konzentrierten Produktion vieler Arzneien in China und Indien, heißt es weiter. Exklusive Rabattverträge der Krankenkassen mit einzelnen Herstellern unterstützen diese Konzentrationsprozesse noch.

Apotheken sind bei der Abgabe von Arzneimitteln an strenge Vorschriften gebunden. „Während der Corona-Pandemie wurden diese Regeln erleichtert, um das Infektionsrisiko durch unnötige Mehrfachkontakte zu verringern“, erklärt die Legdener Apothekerin. Nur dank dieser Austauschregel war es im vergangenen Winter möglich, die Patienten trotz der Engpässe irgendwie zu versorgen.

Ist ein verschriebenes Präparat nicht vorrätig, könne es oft unkompliziert durch ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Medikament ersetzt werden. „Oder man weicht auf eine andere Darreichungsform aus. Anstelle von Tabletten nimmt der Patient dann Zäpfchen oder Tropfen“, erklärt Hruby.

Beides gehe ohne vorherige Rücksprache mit dem Arzt jetzt aber nicht mehr. Der müsse dann meist ein neues Rezept ausstellen, sonst würde die Krankenkasse die Zahlung zu Teilen, nicht selten sogar ganz, verweigern, sagt sie

Immer in Vorleistung

Apotheken müssen die Arzneimittel vorfinanzieren, kann man weiter auf dem Faktenblatt lesen. „Wir sind immer dem Risiko ausgesetzt, dass die Kassen die Rechnungen später kürzen oder Wareneinsatz und Honorar gar nicht bezahlen“, erläutert Petra Hruby. Gleichzeitig seien sie und ihre Berufskollegen aber gesetzlich dazu verpflichtet, die Versorgung ihres Einzugsgebietes mit Medikamenten für mindestens eine Woche sicherzustellen, ergänzt sie.

Die Nullretaxation, wie der Kostenabzug durch die Krankenkassen heißt, die zunehmende Bürokratie und die unzureichende Honorierung setzen den Apotheken enorm zu. Ständige Rückfragen bei Ärzten, Verfügbarkeitsanfragen beim Großhandel und die Dokumentation all dieser Vorgänge und Nachfragen kosten nicht nur Geld, sondern fressen auch Zeit.

„Das alles ist weit entfernt von der professionellen, zügigen und flexiblen Versorgung unserer Patienten, die wir Apotheker vor Ort leisten wollen“, stellt Petra Hruby klar.

Abgekoppelt von der Konjunktur

Die Vergütung der Apotheken ist streng reguliert. In den letzten 20 Jahren wurde sie nur ein einziges Mal erhöht, in diesem Jahr sogar gekürzt. Die Apotheken sind von der wirtschaftlichen Entwicklung komplett abgekoppelt. Bei steigenden Sach- und Personalkosten, explodierenden Energiekosten und galoppierender Inflation kann das nicht gutgehen, warnt Petra Hruby.

Die Apotheker fordern daher eine sofortige Anpassung der Vergütung. Außerdem sei eine regelmäßige dynamische Anpassung erforderlich, schreiben die Verantwortlichen im Faktenblatt.

Lauterbach ist optimistisch

Untätigkeit kann man dem Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach mittlerweile nicht mehr vorwerfen. Obwohl er ein Jahr lang jegliche Gesprächsangebote der Apotheker abgelehnt habe, präsentierte er am 14. September einen Fünf-Punkte-Plan, erklärt Petra Hruby.

Dieser soll dafür sorgen, dass die Versorgung mit Arzneimitteln im kommenden Herbst und Winter sichergestellt ist. Seiner Meinung nach sei die Situation in diesem Jahr besser als im vergangenen Jahr, kann man auf der Internetseite (www.bundesgesundheitsministerium.de) des Bundesgesundheitsministeriums lesen.

Folgende Punkte sieht der Minister vor:

  • Bund und Pharmaunternehmen tauschen sich regelmäßig über die Versorgungssituation aus.
  • Eltern sollen keine Arzneimittel horten.
  • Ärzte werden angehalten, sparsam und nur wenn nötig Rezepte auszustellen.
  • Die Arzneimittel sollen gleichmäßig und bedarfsgerecht verteilt werden.
  • Retaxationen durch die Kassen sind ausgeschlossen.

Pläne nur für Kindermedikamente

„Das alles gilt aber nur für Kinderarzneimittel“, stellt Petra Hruby klar. Sämtliche Medikamente für Erwachsene, das Problem mit den Lieferengpässen und die Bezahlung der Arzneimittel für Erwachsene sind von Lauterbachs Plänen ausgeschlossen. Das Thema Honorierung fasse er insgesamt gar nicht erst an, so die Legdener Apothekerin.

Für Petra Hruby geht das alles nicht weit genug. Gemeinsam mit ihrem Mann wird sie in Düsseldorf verfolgen, wie die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Gabriele Regina Overwiening, Lauterbach fragen wird, wie er die genannten Probleme lösen will.

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