
© Petra Berkenbusch
Bottroper gründet die „Partei für systemrelevante Berufe“
Kommunalwahl 2020
Von der „Klassenpartei“ zur Bürgerpartei, so stellt sich Uwe Mertesacker den Weg seiner neugegründeten PsB vor. Bisher gibt es allerdings nicht einmal genug Kandidaten für den Rat.
Bis zur Coronakrise haben viele gar nicht gewusst, dass es „systemrelevante Berufe“ gibt und sie sogar selbst einen ausüben. Kaum drei Monate später haben sie nun sogar eine eigene Partei, die in Bottrop und Kirchhellen schon im September mit eigenen Kandidaten antreten will: die PsB, Partei für systemrelevante Berufe.
Uwe Mertesacker hat die Partei gegründet. Den 63-Jährigen stört schon lange, „dass Pflegekräfte in diesem Land keine Lobby haben“. Mertesacker betreibt die 24-Stunden-Pflegeagentur und vermittelt Pflege- und Betreuungskräfte aus Osteuropa an Privatleute. Er hilft aber auch bei der Vermittlung von Pflegeschülern aus Marokko und Tunesien in Ausbildungsverhältnisse in Deutschland. „Ich weiß, was in der Pflege los ist“, sagt er, „und ich sehe, wie händeringend Fachkräfte gesucht werden.“
Solidarisches Klatschen genügt dem Parteigründer nicht
Gleichzeitig sehe er aber auch die unzureichende Bezahlung und die mangelhafte Wertigkeit der Pflegeberufe. Dass die Solidaritätsbekundungen ans Pflegepersonal aus Coronazeiten sich künftig in besseren Arbeitsbedingungen und Löhnen niederschlagen werden, mag Mertesacker nicht glauben.
Dagegen will er was tun - und das gleich mit einer neuen Partei. Parteipolitisch interessiert sei er immer schon gewesen, erklärt er seine Motivation. Mit 19 habe er schon einmal kurz bei den Grünen mitgemischt, sich später vorübergehend bei der UBP engagiert, als es um ein Verkehrsthema im Stadtteil Fuhlenbrock gegangen sei, um das sich keine andere Partei gekümmert habe.
Jetzt ist er davon überzeugt, dass keine der existierenden Parteien die Interessen von Pflegekräften, Ärzten, Verkäufern und Kassiererinnen, Kneipenwirten und Soloselbstständigen angemessen vertrete.
Verheißungsvolle Forderungen im Parteiprogramm
Die Forderungen der PsB klingen in deren Ohren sicher verheißungsvoll: Lohn- und Gehaltserhöhungen von bis zu 50 Prozent, drastische Erhöhung des Personalschlüssels, ausreichende Ruhepausen auch im Schichtdienst und im Lebensmittel-Einzelhandel. Keine Themen allerdings, die auf kommunaler Ebene entschieden werden.
Kandidaten gesucht
Wer sich für eine PsB-Kandidatur für den Rat der Stadt interessiert, kann sich über die Homepage der Partei mit Uwe Mertesacker in Verbindung setzen. Die Partei hat nur wenige Wochen Zeit zur Kandidatenaufstellung.Deshalb möchte Mertesacker seine Partei demnächst sogar auf Bundesebene ins Rennen schicken. Bisher steht allerdings nicht einmal fest, ob die junge PsB überhaupt genügend Kandidaten für mindestens die Hälfte aller 27 Wahlkreise in Bottrop stellen kann. Und was, wenn nicht? Mertesacker weiß es nicht.
Der spontane Entschluss zur Parteigründung ist getragen von einer Menge Hoffnung, dass sich außer den drei Vorstandsmitgliedern genügend engagierte Mitstreiter und Kandidaten finden, aber auch von vielen offenen Fragen.
Geboren und geblieben im Pott, seit 1982 in verschiedenen Redaktionen des Medienhauses Lensing tätig. Interessiert an Menschen und allem, was sie anstellen, denken und sagen.
