BSDS - was klingt wie ein neues TV-Casting-Format, hat einen gleichermaßen ernsten wie ambitionierten Hintergrund. „Bottrop sucht den Super-OB“ könnte der flapsige Titel für einen Prozess sein, den sich die Initiative „Bottrop bewegt“ 2023 ausgedacht hat und an dessen Ende man sich den Namen Nick Nowara merken muss und die Erkenntnis, dass Basisdemokratie eine gar nicht so leichte Aufgabe ist und Fallstricke bereithalten kann.

Doch zurück auf Anfang: „Wandel, der Bock macht. Mit Austausch, Demokratie und Freude in eine lebenswerte Zukunft.“ Dieses Motto und der Wunsch nach einem Wechsel und neuen Wegen aus der Krise, in der ihre Heimatstadt durch Nothaushalt und mangelnde Entwicklungsperspektiven festzustecken scheint, hat eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern ohne politisches Amt auf die Idee gebracht, bei der Suche nach einem neuen Oberbürgermeister einen neuen Weg zu gehen. Eine bundesweite Stellenausschreibung sollte potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten aufmerksam machen auf den Job von Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD), der im September nach 16 Jahren in Ruhestand geht.
Die anderen Kandidaten
Seine Partei hat inzwischen Matthias Buschfeld als Nachfolger nominiert, die CDU geht mit Frank Kien ins Rennen, die Linke mit Sven Hermens, die AfD mit Markus Mellerke. Im üblichen Verfahren, dass Parteien aus ihrem Kreis Kandidaten benennen, sahen Jan Henrichs, Yvonne Scharun, Vanessa Schreiber, Thorsten Franke, Hüdaverdi Güngör sowie Lennart und David Schraven von „Bottrop bewegt“ nicht genügend Potenzial für frischen Wind.
Und so entstand die Idee zur Stellenausschreibung. Das ehrgeizige Ziel, einige tausend Euro in Anzeigen in großen überregionalen Zeitung zu schalten, ließ sich aus finanziellen Gründen nicht realisieren, aber für eine bescheidenere Suche auf einschlägigen Online-Portalen reichten die Mittel aus der Crowdfunding-Aktion dann doch.
Von Beginn an war klar, dass eine Bürger-Jury das letzte Wort über den Bewerber oder die Bewerberin habe würde. Die Jury sollte möglichst divers sein: aus allen Stadtteilen kommen, altersgemischt, ausgewogen in der Geschlechterverteilung und verschiedene gesellschaftlichen Gruppen und Interessen repräsentieren. Aber auch drei Parteien würden mitreden: Die Ortsverbände von Bündnis 90/Die Grünen, ÖDP und FDP entschlossen sich, diesen demokratischen Prozess zu unterstützen und den von „Bottrop bewegt“ am Ende vorgeschlagenen Kandidaten im Falle eines positiven Votums ihrer Parteigremien als ihren gemeinsamen Spitzenkandidaten aufzustellen.
150 Bewerbungen
150 Bewerbungen gingen auf die Anzeige ein und wurden nach festgelegten Kriterien bewertet, die zuvor mit der Jury und den Parteien abgestimmt wurden. In vier öffentlichen Vorstellungsrunden präsentierten sich in den letzten Wochen neun Bewerberinnen und Bewerber. Das große BSDS-Finale stand Ende der vorigen Woche an - und begann mit einer Enttäuschung: Der einzige Kandidat mit Bottroper Wurzeln hatte sich sehr kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen selbst aus dem Rennen genommen und überließ den engagierten Finalisten Viola Pawelczyk (37) und Nick Nowara (33) das Feld.
Unter der Moderation von Jan Hinrichs, dem Sprecher von „Bottrop bewegt“, stellten sich die aus dem Ruhrgebiet stammende und derzeit in Kassel lebende Managerin und Dozentin und der Architekt und Smart-City-Manager der Stadt Aachen den Fragen von Jury, Bürgern und Führungskräften der drei unterstützenden Parteien. Beide appellierten an alle Parteien im Rat, deren Mehrheitsbeschlüsse sie gegebenenfalls ja gegen eigene Überzeugungen durchführen müssen, an Kompromiss- und Redebereitschaft. Der Konsens müsse sein, Bottrop gemeinsam nach vorne zu bringen.
Wenig Lokalkompetenz
Wie genau? Nun, die Vorstellungen der Kandidaten blieben da eher in vagen Allgemeinplätzen. Was ihren womöglich künftigen Wohn- und Arbeitsort betrifft, zeigten beide noch Wissenslücken, aber auch die Bereitschaft, sich so schnell wie möglich einzuarbeiten. Obwohl es so schien, als habe Viola Pawelczyk durchaus die klareren Vorstellungen von der Aufgabe, die innerhalb und außerhalb des Bottroper Rathauses auf sie zukommen würde, überraschte die Jury die Organisatoren des Abends nach der Last-Minute-Absage des Bottroper Kandidaten Thomas Schwark mit dem nächsten Stolperstein: Stimmengleichheit. Auf dieses Ergebnis war man nicht vorbereitet.

Nach intensiver Beratung teilte „Bottrop bewegt“ zwölf Stunden später mit, dass man beiden Kandidaten die Stimmen aus der Vorrunde auf ihren Konten gutgeschrieben habe und Nowara somit die höhere Gesamtpunktzahl erreicht habe.
Innerhalb von 14 Tagen werden jetzt Grüne, ÖDP und FDP entscheiden, ob sie Nick Nowara mittragen und ihn als offiziellen OB-Kandidaten für die Kommunalwahl am 14. September aufstellen. Weder die Jury, noch die Initiatoren von „Bottrop bewegt“ haben dabei ein Mitspracherecht.
Mediale Aufmerksamkeit
Weil ein solches Kandidaten-Casting nicht gerade gewöhnlich ist, hat „Bottrop bewegt“ viel mediale Aufmerksamkeit für das Verfahren bekommen. Im Finale im Bottroper Stück.Gut im Gemeindehaus von St. Cyriakus drängten sich so auch mehrere Kamerateams im ohnehin gut gefüllten Zuschauerraum.