Schweinebauern wie Christoph Selhorst aus Herbern müssen schauen, wo sie die schlachtreifen Tiere unterbringen können. Durch die Tönnies-Schließung und der gedrosselten Produktion bei Westfleisch spitzt sich die Lage weiter zu. © Christoph Selhorst (A)

Fleischproduktion

Rückstau von Schweinen: So teuer ist die Tönnies-Krise für Herberner Landwirte

Die Schließung des Schlachthofes Tönnies hat weitreichende Auswirkungen für Herberner Schweinebauern. Sie haben nicht nur weniger Einnahmen durch weniger Schlachtungen, sondern auch höhere Kosten.

von Andrea Wellerdiek

Herbern

, 04.07.2020 / Lesedauer: 3 min

Viele Landwirte aus der Gemeinde Ascheberg bleiben förmlich auf ihren Schweinen sitzen. Denn sie können die Tiere nicht wie gewohnt in die Schlachthöfe der Region schicken. Neben der Schließung des in Europas größten Schlachthofes Tönnies in Rheda-Wiedenbrück sind auch die Kapazitäten weiterer Schlachtbetriebe deutlich runter gefahren.

Das hat zur Folge, dass derzeit weniger Schweine als sonst in den Betrieben geschlachtet werden können. Auch die Schweinebauern in Herbern bekommen das zu spüren. Sie müssen nicht nur schauen, wie sie ihr schlachtreifes Vieh länger in den Ställen unterbringen können, sondern zahlen auch noch oben drauf.

Bis zu 20 Euro mehr pro Schwein

Denn die Tiere werden durch die längere Haltung schwerer und damit teurer, wie Christoph Selhorst, der seine Schweinemast in Herbern hält, erklärt. „Normalerweise liegt das Schlachtgewicht bei knapp 100 Kilogramm. Wenn es jetzt aber bei 110 bis 120 Kilo liegt, dann wird es teurer - zwischen 10 bis 20 Euro sind es dann pro Schwein mehr“, so Selhorst.

Aktuell sind die Tiere tendenziell schwerer, weil sie aufgrund der Entwicklung in den Schlachthöfen deutlich länger in den Ställen bleiben müssen. Etwa 30 Prozent weniger Abgänge seien es aktuell, erzählt Selhorst.

Wenn die Maße nicht stimmen, wird es teurer für den Landwirt

Normalerweise richtet sich der Preis je Schwein nach einem bestimmten Gewichtskorridor. Wird dieser überschritten, lässt sich das Fleisch schlechter vermarkten, obwohl „mehr dran ist“. Das liegt etwa daran, dass aus einem großen Stück Fleisch zwei kleinere produziert werden müssen.

Kurzum kann man sagen: Wenn das Fleisch bzw. das Schwein nicht den vorgegebenen Maßen entspricht, verlangen die Abnehmer mehr Geld. So wird es teurer für die Landwirte. „Es sind aber nicht nur die Minder-Erlöse, sondern auch zusätzliche Kosten, weil zusätzliches Futter verbraucht wird.“

Westfleisch drosselt die Produktion

Auch wenn Selhorst kein direkter Lieferant von Tönnies ist, ist er von der Schließung des Werks in Rheda-Wiedenbrück betroffen. Denn weil dort derzeit nicht geschlachtet wird, werden die Aufträge an andere Schlachthöfe verteilt. Aber auch dort werden aufgrund der Corona-Krise weniger Tiere geschlachtet.

Die Produktion bei der Firma Westfleisch in Coesfeld, wohin Selhorst überwiegend seine Schweine liefert, wurde noch nicht wieder im vollen Umfang gestartet. Deshalb kann er nur von Tag zu Tag planen und versuchen, die schlachtreifen Schweine abzugeben.

„Die größte Herausforderung ist, die Schweine durch eine Umstallung unterzubringen. Man muss aber vorsichtig sein, dass man keine Probleme mit dem Tierschutz bekommt“, sagt Selhorst. Im Moment sei dies möglich, aber mit viel Aufwand verbunden, so der Landwirt. Neben den Mastschweinen bekommt er regelmäßig Ferkel geliefert, die ebenso genügend Platz im Stall benötigen.

„Die Lage spitzt sich immer weiter zu. Leider gibt es noch keine Lösung für die Welle, die sich immer weiter aufbaut“, sagt Selhorst. Bis mindestens 17. Juli bleibt die Fleischfabrik von Tönnies geschlossen. Dabei wäre eine Wiedereröffnung eine „sinnvolle Entlastung“, wie Christoph Selhorst sagt. „Das wäre kurzfristig die einfachste Lösung. Höchste Priorität müssen hier aber immer die Hygienevorschriften und die Bedingungen für die Mitarbeiter haben.“

Lücke ist nicht zu schließen

Gerhard Reimann, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Ortsvereins Herbern, appelliert an die Landwirte: „Sie müssen Geduld haben, bis sie ihre Tiere los werden können.“ Die Lücke, die mit der Tönnies-Schließung entstanden ist, sei nicht zu schließen. Bis maximal zehn Tage länger als sonst könnten die Landwirte ihre Schweine in den Ställen behalten, bis sie verkauft werden müssten. „Es wird aber auf jeden Fall zu einem Rückstau von Schweinen kommen“, glaubt Reimann.

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