Vor 70 Jahren gründete der ehemalige Militärmusiker Paul Schwartländer die Blaskapelle Schwartländer. Bereits im Jahr 1947 konnte er von der Feuerwehrkapelle Herbern - diese löste sich während des Krieges auf - einige Blasinstrumente sowie dazugehöriges Notenmaterial erwerben. Das war eigentlich schon die Grundsteinlegung für die bis heute aktive und erfolgreiche Blaskapelle.
Hubert Schwartländer (76), der jüngste Spross und bis vor zwei Jahren als letztes Familienmitglied aktiver Musiker der Kapelle, legte seine Tuba am 10. September 2021 zu seiner Sammlung an Blasinstrumenten und wird offiziell zum Ehrenmitglied ernannt. Die Tuba, seit nunmehr 70 Jahren „sein Instrument“, bläst er nun nur noch von Zeit zu Zeit in den heimischen vier Wänden.
Der Schallbecher seiner Tuba ist prall gefüllt mit großartigen Geschichten aus dem Leben eines Hobbymusikers. Vater Paul Schwartländer begann Anfang des Jahres 1953 seinen Söhnen Paul, Bernhard, Werner und Hubert, damals 14, 12, 10 und 6 Jahre alt, Unterricht an der Posaune, Flügelhorn, Tenorhorn und Tuba zu erteilen. Hubert, der jüngste der Brüder, musste die Tuba erlernen; das Instrument war damals deutlich größer als der kleine Knirps.
Mit 20 Leute in 10-Quadratmeter-Wohnzimmer
Geprobt wurde zu Hause. Der erste Auftritt der Familienkapelle Schwartländer war zur Weihnachtszeit 1953 in Herbern. Bereits kurze Zeit später folgte der erste öffentliche Auftritt. In einem alten Zeitungsartikel aus der Rheinischen Post vom 6.7.1954 heißt es: „Familie Schwartländer fährt Bier und musiziert - Dicke Backen beim Ständchen.“ Den Beruf des Bierverlegers - heute würde man wohl schlichtweg „Händler“ sagen - übte vor Hubert und Vater Paul bereits der Großvater Johannes aus. „Wir haben in unserem Musikerleben so viele Geschichten erlebt und großartige Menschen kennlernen dürfen, dass dies in seiner Gesamtheit für ein weiteres Leben ausreichen würde.“

Besonders im Gedächtnis geblieben ist ihm aus frühester Kindheit die Begegnung mit Werner Höfer im Jahr 1956, der die Radiosendung zwischen Rhein und Weser beim WDR moderierte. „Für die Sendung haben wir „Weißt du wie viel Sternlein stehen“ und „Der Mond ist aufgegangen“ gespielt. So wurden wir über die Grenzen Herberns hinaus bekannt.“
Oder die Geschichte der WM 1954. Familie Schwartländer hatte damals den zweiten Fernseher, den es in Herbern gab. „Unser Wohnzimmer war grad einmal etwas über 10 Quadratmeter groß und wir haben dort mit 20 Leuten die deutsche Mannschaft angefeuert. Damals war Fußball für mich nicht so spannend. Ich war vollkommen fasziniert von der Ansagerin Ursula von Manescul; für mich damals die schönste Frau der Welt.“
Im Mai 1959 war es so weit; an einem Freitagabend traf man sich mit insgesamt acht Männern zum ersten Übungsabend. Dieser Übungsabend kann als Gründungstag für die Blaskapelle Schwartländer angesehen werden; die Familienkapelle Schwartländer war Geschichte.

„Wir haben immer mit großer Freude musiziert und Konzerte gegeben“, so Hubert Schwartländer. „Für den Zusammenhalt haben wir gemeinsame Fahrten mit den Ehepartnern veranstaltet. Das begann so in den 1970er Jahren. Bis 1996 habe ich immer unseren Bus gefahren und die Reisen organisiert. Die Fahrten führten uns nach Ungarn, Österreich, Spanien, Holland und in die Tschechei. In Wien haben wir beim Heurigen Musik gemacht; das war so ein faszinierendes Erlebnis.“
Zum 25-jährigen Bestehen der Blaskapelle gab es eine kleine Festzeitschrift sowie ein rauschendes Jubiläum über drei Tage. Es fand ein großer Sternmarsch statt, an dem mehrere Musikzüge teilgenommen haben; unter anderem die Partnerkapelle, das Fanfarencorps Juliana aus Holland sowie die Knabenkapelle Ebern. Die kamen mit über 50 Musikern. Für so viele Menschen mussten erstmal Übernachtungsplätze gefunden werden. „Da waren bestimmt 650 unterwegs im Sternmarsch. Das sind Erlebnisse, die für immer im Gedächtnis bleiben.“

Im Gedächtnis bleiben werden ihm auch die vielen gemeinsamen Reisen mit Ehefrau Marlies (76), mit der er seit 53 Jahren verheiratet ist. Insgesamt 26 Länder haben sie im Laufe der vergangenen Jahrzehnte besucht. Die schönste war eine achtwöchige Rundreise mit dem Wohnmobil durch Australien. Auch eine fünfwöchige Reise zum Nordkap gehört ebenfalls zu seinen persönlichen Highlights. Neben der Blasmusik gehören Musicals zu der Musik, die ihn fasziniert und gefangen nimmt.
„Marlies und ich haben 16 Musicals bislang besucht. Bei der Deutschlandpremiere von Cats im Jahr 1986 haben wir neben Udo Jürgens und seiner Frau gesessen.“ Neben Musicals gehören auch Konzertbesuche zu den geliebten Freizeitaktivitäten. „Im Jahr 2002 sind wir zu Pavarotti und Friends nach Modena gefahren. Mit meinen Oldtimercabriolet über die Alpen bis nach Italien. Das war was.“
Herzinfarkt zwang zu vorzeitigem Ruhestand
1998 war für den ehemaligen Bierverleger ein schwarzes Jahr. Er bekam den ersten Herzinfarkt und musste seinen geliebten Job, den schon Vater und Großvater ausgeübt haben, an den Nagel hängen und in den vorzeitigen Ruhestand gehen. Im darauffolgenden Jahr übergab er seinen Betrieb an Daniel Zimmermann. Der zweite Herzinfarkt im Jahr 2021 sorgte dafür, dass er sein Tubaspiel aufgegeben hat. „Ich wollte nicht irgendwann bei einem Konzert umfallen.“ Seit dieser Zeit ist er Ehrenvorsitzender der Blaskapelle. Bereits im Jahr 2010 hat er seinen Job als Vorsitzender und Geschäftsführer nach über 30 Jahren in jüngere Hände gegeben. Neben der Liebe zur Musik gehört das Malen zu seinen Hobbys.
„Ich habe im Jahr 1994 damit angefangen. Da haben wir unser Haus gebaut und irgendwas musste ja an die kahlen Wände. Da habe ich mir gesagt, bevor wir teure Bilder kaufen, mal ich lieber selbst.“ Inzwischen zieren zahlreiche Gemälde das gemütliche Heim; auch Freunde dürfen sich über einen „echten Schwartländer“ als Geschenk freuen. Große Reisen sind aufgrund seiner Krankheit nicht mehr möglich. Kurzreisen führen sie oftmals nach Berlin zu Tochter Sandra und nach Hamburg zu Tochter Eva. „Wir sind zufrieden mit unserem Leben und machen jetzt das Beste daraus.“ Die Blasmusik wird immer zu ihm gehören, auch wenn die Tuba jetzt still im Atelier steht.“

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