
© Tobias Larisch
Landtagskandidat Ralf Hageneier (AfD): „Ich habe ein ziemliches Gerechtigkeitsdenken“
Landtagswahl 2022
Beruflich kommt der AfD-Landtagskandidat für den Kreis Coesfeld, Ralf Hageneier, viel herum und hat Freunde weltweit. Dennoch hat er etwas gegen Ausländer mit bestimmten Absichten, wie er sagt.
Ralf Hageneier (61) ist Reisebusfahrer. Als dieser ist der Havixbecker viel unterwegs. In knapp 50 Ländern sei der Landtagskandidat der AfD im Kreis Coesfeld II schon gewesen, sagt er - und betont, dass er einen „internationalen Freundeskreis“ habe und Kontakte zu Leuten in der ganzen Welt pflege. Trotzdem ist er einer Partei beigetreten, die als ausländerfeindlich gilt. Wie passt das zusammen?
Hageneier weiß, wie er wirkt, als er für ein Foto bei strahlendem Sonnenschein im kleinen Garten auf dem Familiengrundstück steht: „Mit meiner Glatze und der nahezu Camouflage-Jacke sehe ich fast wie ein typischer AfD-Anhänger aus. Es fehlen nur noch die Springerstiefel“, sagt er und lacht. Stattdessen trägt er braune Anzugschuhe.
Genauso widersprüchlich wie in seinen Augen seine Kleidung und Ansichten wirken, so gegensätzlich ist auch seine Meinung über Ausländer. Im Gespräch in einem Bereich des Grundstücks der Familie Hageneier, von dem man in den kleinen Garten daneben gucken kann, erzählt der AfD-Kandidat ausführlich von seinen positiven Erfahrungen mit Menschen aus aller Welt, die er auf seinen Reisen mit dem Bus und während seiner Ausbildung kennengelernt hat.
„Ich bin mit einem Afrikaner öfter nach Spanien gefahren. Wir haben miteinander gewohnt und sind super klargekommen. Wir telefonieren heute noch manchmal.“ Auch mit türkischen oder jugoslawischen Arbeitskollegen aus seiner Zeit als Maurer habe er noch Kontakt. „Da sind Freundschaften entstanden, die noch heute bestehen.“
Seit ein paar Wochen ist der 61-Jährige mit einer Frau aus Belarus zusammen. Vier Jahre lang lebte er mit einer Peruanerin in Bayern. Eine andere Lebensgefährtin kam aus Rumänien, erzählt er. Hageneier wuchs in Münster auf. Dort betrieben seine Eltern eine Tankstelle. In einem Gebäude haben Gastarbeiter aus Portugal gewohnt: „Ich hatte schon früh Kontakt zu ausländischen Kindern.“

Hageneier sitzt entspannt im Gartenstuhl - das Verhältnis zu seinem Bruder ist hingegen angespannt. © Tobias Larisch
1975 zog die Familie von Münster nach Havixbeck. Die auf dem Grundstück stehende Kläranlage wurde später umgebaut. Seit 1991 befindet sich dort das Busunternehmen, die Fahrschule Hageneier von seinem Bruder Jörg und ein Wohnhaus.
Doch dort darf Ralf Hageneier nicht mehr wohnen. Es gab Streit mit seinem Bruder wegen des Grundstücks. Die beiden hätten nur noch über das Gericht Kontakt. Während des Gesprächs kommt Jörg Hageneiner vorbei. Ralf schließt die Tür. Weiteren Kontakt durch die Fenster gibt es nicht.
Zwischen den Brüdern scheinen die Fronten verhärtet
Jörg Hageneier hätte sogar seine Wohnung leerräumen lassen. Seitdem wohnt Ralf im Büro des Vaters und sei viel bei seiner Freundin in Lippstadt. Als wir über das Familiengrundstück gehen, kommen wir an der Halle des Unternehmens vorbei, in dem Busse stehen. Gerne hätten wir ein Bild mit ihm im Bus gemacht. Aber: „Das geht nicht. Ich darf nicht in die Halle nicht rein.“
Generell sind die Familienverhältnisse des zweifachen Vaters etwas kompliziert. Über 13 Jahre und in 23 Gerichtsverhandlungen habe er um das Sorgerecht seines jüngsten Sohnes Andre kämpfen müssen. Seine damalige Ehefrau sei alkoholkrank gewesen. Sein heute 28-jähriger Sohn kam ins Heim, obwohl er das Sorgerecht gehabt habe, und wäre dort trotz weggefaulter Zähne vier Jahre lang nicht zum Arzt gebracht worden.
„Ich habe ein ziemliches Gerechtigkeitsdenken. Ich habe Sachen erlebt, die mit Gerechtigkeit nichts zu tun haben“, sagt Hageneier. Eine davon sei eben der Umgang mit seinem Sohn gewesen. Dazu kämen negative Erfahrungen mit dem Jugendamt. „Es besteht kein Interesse daran, wenn auf Missstände hingewiesen wird, etwas dagegen zu machen. Ich sehe viele Sachen, die in Deutschland schlecht laufen.“
Doch ein Ereignis außerhalb Deutschlands sei prägend für seine politische Karriere gewesen. Als er 2014 mit dem Bus und einer Schulklasse in Calais war, hätten dort Afrikaner versucht, in den Hafen einzudringen: „In meiner Welt werden mehr Zäune gebaut.“
Hageneier hat Angst vor Kulturverlust
Wie passt das mit seinen positiven Erlebnissen mit vielen anderen Menschen aus der ganzen Welt zusammen? „Ich bin weiß Gott nicht ausländerfeindlich“, sagt der Atheist. „Das wird mir schnell unterstellt, trifft aber in keinster Weise auf mich zu. Ausländer können eine Bereicherung sein. Es gibt einen Unterschied zwischen Leuten, die hier hinkommen, um zu arbeiten, oder nur wegen der Sozialleistungen.“
Und weiter: „Ich denke, wir werden unsere Kultur in Europa verlieren. Die Flüchtlinge wollen ihre Kultur hier weiterleben. Wo soll das hinführen? Meine Kinder und Enkel werden in einem anderen Land groß als ich. Das macht mir Sorgen.“
Wenn Hageneier aber von „Land“ spricht, ist damit Deutschland gemeint und nicht das Land Nordrhein-Westfalen. Was sich der Landtagskandidat konkret für NRW wünscht, wird nicht deutlich. Auch Europa scheint ihm wichtiger zu sein - obwohl sich die AfD vor der Bundestagswahl 2021 für einen Austritt aus der EU ausgesprochen hat. Für die gewünschte Abschaffung des Euros ist der Reisebusfahrer - anders als seine Partei - auch nicht.
Seit Juni 2021 ist Hageneier in der AfD. Über einen Gast auf einer Busreise sei der Kontakt gekommen, obwohl er sagt: „Ich habe mich nie viel mit Politik beschäftigt.“ Dazu erklärt Hageneier, dass er das Wahlprogramm nicht ganz gelesen habe, aber: „Ich behaupte, dass ich eine umfassende Allgemeinbildung habe.“
Hat im Mai 2020 in der für den Lokal-Journalismus aufregenden Corona-Zeit bei Lensing Media das Volontariat begonnen. Kommt aus Bochum und hatte nach drei Jahren Studium in Paderborn Heimweh nach dem Ruhrgebiet. Möchte seit dem 17. Lebensjahr Journalist werden.
