Initiative Tierwohl

Herberner Landwirt setzt sich für bessere Bedingungen in der Tierhaltung ein

Der Herberner Landwirt Tobias Großerichter will ein Zeichen setzen – für mehr Tierwohl. Für Einzelhandel, Bauern und Fleischwirtschaft ist das ein höchst brisantes Thema. Doch bei der Initiative Tierwohl ist auch der Verbraucher gefragt.

Herbern

, 21.12.2017 / Lesedauer: 4 min

Tobias Großerichter legt Wert darauf, die Haltungsbedingungen seiner Tiere nachhaltig zu verbessern. © Jan Hüttemann

Die Initiative Tierwohl hat sich zum Ziel gesetzt, die Haltungsbedingungen von Schweinen und Geflügel zu verbessern. Das Thema ist brisant, denn Tierschützer klagen schon lange über zum Teil groteske Bedingungen. Dass das aber nicht für alle Betriebe gilt, stellt Tobias Großerichter in der Schweinehaltung mit seinem Hof an der Horn-Werner Straße unter Beweis.

Die Initiative, bestehend aus Vertretern aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel, funktioniert im Groben so: Landwirte verpflichten sich, diverse Verbesserungen in den Haltungsbedingungen zu schaffen. Wenn das geschehen ist, erhalten sie eine vom Einzelhandel weitergeleitete Prämie.

Die Mindestanforderung lautet: Zehn Prozent mehr Platz für die Schweine. Zusätzlich sorgt der Hof für ständigen Zugang zu Raufutter (neben dem sonstigen Futter) wie Stroh und Heu, die Bereitstellung von Nestbaumaterial und organischem Spielzeug.

Regelmäßige Kontrollen

In der Praxis heißt das für Großerichter: „Effektiv halten wir zunächst einmal weniger Schweine“, erklärt er. Die dauerhafte, zusätzliche Futterbereitstellung bedeutet dabei zusätzliche Arbeit: „Da kann man nicht einfach morgens einmal auffüllen und denken das war‘s. Hierfür muss man den ganzen Tag kontrollieren.“ Ebenso sieht das beim Spielzeug aus, worauf die Tiere zum Beispiel herumkauen können.

„Das besteht zum Beispiel aus Holz und hat den Zweck, dass die Tiere nicht nur beschäftigt sind, sondern auch, dass sie sich nicht gegenseitig die Schwänze abbeißen.“ Letzteres könne nämlich aus mangelnder Beschäftigung oder reinem Spieltrieb geschehen, wenn die Tiere nach den Schwänzen eines anderen Tieres jagen. „Auch die Spielzeuge müssen wir deshalb regelmäßig kontrollieren. Teilweise werden die abgerissen, andere verschleißen einfach.“

Beim Raufutter gilt es, regelmäßig für Nachschub zu sorgen. © Jan Hüttemann

Als Nestbaumaterial dient zum Beispiel ein großer Jutebeutel. „Wenn der Nestbautrieb einsetzt, schnappt sich die Sau den Beutel und legt ihn sich so zurecht, wie sie es in der Natur tun würde. Das beruhigt das Tier.“

Weniger Tiere, mehr Arbeit und Material: Das kann sich nicht jeder Hof einfach so leisten. „Deswegen gibt es die Vergütung durch die Initiative.“ Für Großerichter sieht das wie folgt aus: Für den Bereich der Sauenhaltung – also die Phase von der Trächtigkeit einer Sau bis hin zum „abferkeln“, wenn die älteren Ferkel von dem Muttertier getrennt werden – erhält er eine Prämie von 2,80 Euro pro abgesetztem Ferkel.

Die finanziert der Einzelhandel, der etwa 4 Cent pro Kilo Fleisch dafür abführt. Von der Prämie bleibt aber nur ein kleiner Gewinn über, „weil wir weniger Tiere und mehr Aufwand haben – aber eben auch einen Beitrag leisten, die Haltungsbedingungen zu verbessern.“

Glaubwürdigkeit ist zentral

Großerichter weiß, dass einige diese Maßnahmen kritisch betrachten werden. „Die zeigen das einmal vor und machen das nie wieder“, nennt er das Argument, was ihm dabei vorschwebt. Doch dem ist nicht so. „Die Initiative wird ab nächstem Jahr unangekündigt die umgesetzten Maßnahmen kontrollieren. Wenn die nicht erfüllt sind, bleibt der Hof auf den Kosten sitzen und bekommt auch keine Prämie.“ Sinn und Zweck ist, dass man das Programm leben soll – außerdem geht es hier um die Glaubwürdigkeit.

„Am Ende bleibt das eine gesellschaftliche Frage. Hier müssen wir alle, Bauern, Fleischwirtschaft, Einzelhandel und Verbraucher anpacken.“ So gebe es Verbraucher, die bewusster ihr Fleisch einkaufen, „manche schauen aber nur auf den Preis“. Und da liege momentan das Problem. Billig einkaufen und Haltungsbedingungen verbessern bekomme man nicht zusammen.

4000 Betriebe sind dabei

Großerichter sieht den Schritt trotzdem positiv. „Mehr als 4000 Betriebe nehmen hieran teil – und das freiwillig.“ Denn es herrsche kein gesetzlicher Zwang, die Haltungsbedingungen derartig zu verbessern. Eher sei es die eigene Einstellung zu dem Thema.

Das lasse zudem mehr Spielraum, denn der Maßnahmenkatalog zur Haltungsverbesserung sieht viele verschiedene Optionen vor, wovon man nicht alle erfüllen muss, um an der Initiative teilzunehmen. „Hier wird vom Gesetzgeber nicht einfach strikt etwas vorgegeben, wir können schauen, was wirklich umsetzbar ist.“

Über den Snack freuen sich die Tiere nämlich. © Jan Hüttemann

Letztendlich bleibt ein Wermutstropfen: Der Verbraucher kann nicht erkennen, welches Fleisch von Höfen kommt, die an der Initiative teilnehmen. Großerichter: „Ich denke, das ist ein praktisches Problem der Schlachtereien. Da kann man das wohl nicht so genau auseinanderhalten.“ Dennoch: Mehr als 4000 Betrieben sind bereit, das Tierwohl voranzustellen.