Klein und beschaulich liegt er fast mittig zwischen Münster und Dortmund. Die Herberner schätzen die Lebensqualität in ihrem Ort – und zeitweise auch ihr Auto. Teil 1 unseres Ortsteil-Checks

Herbern

, 02.04.2019, 05:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Saskia Krone (38) fühlt sich wohl in Herbern. Seit acht Jahren wohnt die Mutter von zwei Kindern auf dem oberen Teil der Altenhammstraße. Die vierköpfige Familie genießt das ländliche Leben, die Ruhe, die Natur ringsherum. Ob Herbern familienfreundlich sei? „Ja, na klar“, sagt Krone.

Sie überlegt nicht lang, während sie über die Altenhammstraße in Richtung Schulzentrum geht. Zwischendurch bleibt sie stehen auf der Straße ohne Bürgersteig. Immer dann, wenn ein Auto kommt – und das nächste, und noch eins. Doch nicht so ruhig mitten im Dorf…

Grundsätzlich ist vieles gut an Herbern. 313 Umfragebögen haben unsere Redaktion in den vergangenen Wochen erreicht – das ist nicht repräsentativ, spiegelt aber ein gewisses Meinungsbild wider. Grünflächen? 9 von 10 möglichen Punkten. Sauberkeit? 8 von 10. Die wohl kürzeste Anmerkung eines Umfrage-Teilnehmers: „Ich liebe es.“ Aber es gibt – wie überall – auch Kritik.

Es drubbelt sich zwischen Haselbüschken und Münsterstraße

Verkehrsanbindung und Verkehrsbelastung beispielsweise sind zwei Kategorien, die weniger gut abgeschnitten haben bei unserem Ortsteil-Check. Kommt man ohne Auto kaum raus aus Herbern, „kann man innerorts eigentlich drauf verzichten“, sagt Saskia Krone. Vor allem der Verkehr auf der Altenhammstraße sei für die Anwohner aber oft störend.

In Höhe der beiden Schulen und der Kita häuft sich an der Altenhammstraße zeitweise der Verkehr.

In Höhe der beiden Schulen und der Kita häuft sich an der Altenhammstraße zeitweise der Verkehr. © Helga Felgenträger

Denn zwischen Haselbüschken und Münsterstraße drubbelt es sich: Schwimmbad, Profil- und Marienschule, Kita St. Benedikt, Kirche, Sporthalle, Ärztehaus, Heimathaus, Pflegedienst mit Fuhrpark und das Wohngebiet Neuenhamm, dessen einzige Zufahrtsstraße an der Altenhammstraße abknickt.

„Der Verkehr wird ja nicht weniger“

„Das ist halt so“, könnte man sagen. Saskia Krone und mit ihr mehr als 30 weitere Anwohner der Altenhammstraße kritisieren allerdings, dass der Verkehr in den nächsten Jahren noch zunehmen könnte, sollte die Kita Abenteuerland ebenfalls an die Altenhammstraße ziehen und die Anzahl der Elterntaxis dann noch einmal in die Höhe schießen.

Zusätzlich entstehen auf dem alten Krankenhausgelände aktuell mehrere Wohneinheiten. „Der Verkehr wird ja nicht weniger – und die Straße auch nicht breiter“, sagt Saskia Krone, die vor einiger Zeit kaum mehr aus der Haustür kam, als zwei Autos nur wenige Zentimeter vor der Fassade parkten.

Bei Veranstaltungen parken Besucher auch mal direkt vor der Haustür.

Bei Veranstaltungen parken Besucher auch mal direkt vor der Haustür. © Krone

Oben am Schulzentrum angekommen, holen die ersten Eltern ihre Kinder mit dem Auto ab – nur wenige kommen an diesem Tag mit dem Fahrrad. Würde man einzelne Eltern auf das Problem ansprechen, höre man schon mal: „Durch diese Straße können wir unsere Kinder nicht schicken!“

Es ist eng, wenn sich zwei Autos entgegenkommen und ein drittes am Straßenrand parkt. Zwischen den Autos dann noch Kinder auf ihrem Schulweg oder auf dem Weg zum Kindergarten? Viele Eltern hielten das für zu gefährlich. Ein Teufelskreis.

„Herbern ist ein toller Ort, die Altenhammstraße ist eine tolle Straße, wir haben eine tolle Nachbarschaft“, sagt Saskia Krone. Politik und Verwaltung aber sollten ihre Pläne für die Zukunft noch einmal überdenken.

Einwohnerzahlen Herbern.

Einwohnerzahlen Herbern. © Quelle: Gemeinde/Grafik: Hasken

Das wurde positiv bewertet:

Grünflächen: Grün, grüner, Herbern. Es ist keine Überraschung, dass der ländliche Ort zwischen den Oberzentren Münster und Dortmund in dieser Kategorie mit 9 von 10 möglichen Punkten besonders gut abschneidet. Eine Insel der Glückseligen, könnte man sagen.

Doch das Insekten- und Artensterben macht auch vor Herbern nicht halt und war auf Gemeindeebene in der Vergangenheit immer mal wieder Thema. Vor rund einem Jahr folgte die Politik dann einem Antrag von Hubertus Beckmann, Ratsmitglied der Grünen, und untersagte der Gemeinde den künftigen Einsatz von Glyphosat zur Bekämpfung der Herkulesstaude.

Sonnenblumen vor dem Schloss Westerwinkel: Wer in Herbern lebt, lebt umgeben von Grün.

Sonnenblumen vor dem Schloss Westerwinkel: Wer in Herbern lebt, lebt umgeben von Grün. © Leandra Stampoulis (Archiv)

Sauberkeit: Beim Thema Sauberkeit kann Herbern ebenfalls punkten. 8 von 10 Zählern haben die Teilnehmer unserer Umfrage hier vergeben. Eine gute Einschätzung, meint auch Karsten Nägeler, Vorsitzender des Bürgerschützenvereins (BSV), der mit vielen anderen Vereinen und Organisationen seit Jahren an der von der CDU organisierten Aktion „Saubere Landschaft“ teilnimmt – zuletzt am 9. März.

„Luft nach oben ist immer“, sagt Nägeler. „Aber mein Eindruck ist, dass die Müllmengen im Dorf über die Jahre abgenommen haben, das Umweltbewusstsein wächst.“ Trotzdem finde man immer noch alte Handys, Altölkanister oder den Abfall irgendwelcher Fast-Food-Ketten, der gerne mal auf der Straße lande.

Nahversorgung: Mit Aldi und Edeka kommt Herbern beim Thema Nahversorgung ebenfalls auf sehr gute 8 Punkte. Doch die Herberner sehnen sich nach einem Drogeriemarkt. Ein Drogeriemarkt „ist wünschenswert“ oder „wäre super“, schreiben viele der Umfrage-Teilnehmer.

„Die Gemeinde kennt den Bedarf eines Drogeriemarktes in Herbern und ist diesbezüglich immer mal wieder in Gesprächen“, heißt es vonseiten der Verwaltung. „Die Gemeinde wirbt natürlich für die Ansiedlung und bietet dabei Unterstützung an.“ Man habe aber nur begrenzte Einflussmöglichkeiten, da sich die Drogerien am Markt rechnen müssen.

Das wurde negativ bewertet:

Verkehrsbelastung: Das Thema Verkehrssituation an der Altenhammstraße ist nicht neu, aber eines, das die Menschen im Ort beschäftigt. Die Pläne von Politik und Verwaltung: Zieht die Profilschule komplett nach Ascheberg, könnte man die Marienschule in den dann ehemaligen Herberner Standort der Profilschule überleiten und das Grundschulgebäude vornehmlich zur Kita werden lassen. Für die Anwohner absolut unverständlich.

Und die Altenhammstraße als Spielstraße? Für die Einrichtung einer Spielstraße an der Altenhammstraße fehle die Anordnung der Verkehrsbehörde. Die Umsetzung sei unter anderem aufgrund der Länge der Straße nicht möglich, teilt die Gemeinde mit. An der Altenhammstraße sowie am Bakenfelder Weg soll es jedoch in Kürze eine Verkehrsuntersuchung geben. Erste Ergebnisse werden im Sommer erwartet.

Auch Anne Zuhmann (31) kritisiert die Verkehrssituation vor Ort. Sie wohnt mit ihrem Mann und ihrer einjährigen Tochter an der Ostlandstraße. Tempo 30 werde hier häufig nicht eingehalten; dass ihre Tochter etwa mit Kreide auf der Straße malt, würde Zuhmann aktuell gar nicht zulassen.

Der Bürgerbus fährt zwischen Davensberg und Capelle.

Der Bürgerbus fährt zwischen Davensberg und Capelle. © Claudia Hurek (Archiv)

Verkehrsanbindung: Morgens und mittags die Schulbusse, zwischendurch der Bürgerbus – und sonst? Ohne Auto geht nichts in Herbern. Richtung Werne etwa fährt ab Bahnhof Capelle nur die Eurobahn – und auch die fiel in der Vergangenheit immer wieder aus oder hatte Verspätungen. „Es gibt überhaupt keine Möglichkeit mehr, spät am Abend aus Münster nach Hause zu kommen, wie früher mit dem Nachtbus“, klagt eine Umfrage-Teilnehmerin. „Da wäre zumindest für samstags eine Lösung wünschenswert.“

„Ich habe mal versucht, mit dem ÖPNV zur Arbeit zu kommen, das ist eine Katastrophe“, erzählt ein Herberner im Gespräch mit unserer Redaktion. Er sei mit dem Roller zum Bahnhof nach Mersch gefahren, dann mit dem Zug nach Hamm, von Hamm nach Dortmund und mit der S1 nach Dortmund-Kley. „Das soll eigentlich nur 59 Minuten dauern, aber in der Spitze habe ich dreieinhalb Stunden gebraucht. Ich bin neun von 20-mal zu spät zur Arbeit gekommen.“

Teil 1: Die Ursprünge Herberns:
  • Im Jahr 889 wird Herbern erstmals urkundlich erwähnt – als „Heriburnon“ in den Registern des Klosters Werden an der Ruhr.
  • 1188: Gründung des Kirchspiels Herbern. Herbern besteht zu dieser Zeit aus neun selbstständigen Siedlungsbereichen.
  • 1600: Herbern zählt rund 2000 Einwohner. Die Zahl geht durch den 30-jährigen Krieg und die Pest-Epidemie bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts auf etwa 300 zurück. (Quelle: Heimatverein)
    Die Südstraße in den 1920er-Jahren: Hinter den Häusern ist der Kirchturm von St. Benedikt zu sehen. Das heutige Aussehen der Kirche stammt aus dem 17. Jahrhundert.

    Die Südstraße in den 1920er-Jahren: Hinter den Häusern ist der Kirchturm von St. Benedikt zu sehen. Das heutige Aussehen der Kirche stammt aus dem 17. Jahrhundert. © Postkarten-Sammlung Peter Voß