Auf dem Tisch steht Embelsire - albanischer Kuchen - in der Kanne zieht albanischer Bergtee. Für die drei Altenpflege-Schülerinnen ist die Heimat ihr ständiger Begleiter. Ein Besuch.

Heek

, 31.01.2019, 12:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Fast vier Monate ist es jetzt her, dass Marieta, Alma und Artemisija (alle 19 Jahre alt) ihre Ausbildung beim Caritas-Verband Ahaus-Vreden begonnen haben. Für drei Jahre haben sich die drei jungen Frauen verpflichtet und dafür ihr weit entferntes Zuhause in Albanien aufgegeben. Die Ferienwohnung der Familie Kaul an der Grimmeltstraße ist zurzeit der vorübergehende Ersatz. Und das nicht nur für die heimatlichen vier Wände. „Frau Rita ist wie eine Mutter für uns“, erzählen sie. In allen Fragen des täglichen Lebens sei sie Ansprechpartnerin.

Zu Beginn war es ein „Kulturschock“

Inzwischen haben die drei schon erste Erfahrungen im schulischen und praktischen Teil der Ausbildung zur Altenpflegerin sammeln können und große Unterschiede zwischen Albanien und Deutschland festgestellt. Artemisija sagt es in aller Offenheit: „Am Anfang war das für uns ein regelrechter Kulturschock.“

Unvorstellbar für sie, dass alte oder kranke Menschen von ihren Familien alleine gelassen werden. „Bei uns sind die Familien sehr eng, in Deutschland ist das nicht so“, findet Artemisija und ist sich darin mit ihren Mitstreiterinnen einig. Altenheime, alte Menschen, die alleine in ihrer Wohnung leben - für sie alle ist das eine völlig andere, fremde Welt.

Vier Hunde und eine Mutter im Heim

„Da kümmert sich eine Frau um vier Hunde, und ihre Mama liegt im Heim“, empört sich Marieta. Das Geld, die Zeit, die sie für ihre Tiere einsetzt, könnte doch sehr viel besser der Mutter zugute kommen. Alte Menschen fühlten sich doch einfach sicherer, wenn sie zusammen mit ihren Kindern leben, ist ihre aller tiefste Überzeugung. Manchmal noch fehlt das passende deutsche Wort, um ihrer Haltung Nachdruck zu verleihen, aber auch so merkt man ihnen an, wie viel Emotionen, wie viel Empathie sie für den Beruf mitbringen. „Man muss mit der Seele arbeiten“, meint Alma.

Und dennoch entwickelt sich zu dem Thema unter den Frauen an manchen Stellen auch eine leicht kontroverse Diskussion. „Was ist denn, wenn du selbst Mutter bist, hast drei Kinder, kannst du dich dann auch noch um die Eltern kümmern?, fragt Marieta ihre „Kollegin“ Artemisija. Die will auch in einer solchen Situation zu ihrer Überzeugung stehen.

Erste Einblicke in die verschiedenen Strukturen

Gleichwohl können Uwe Bröcker (Caritasverband) vom Mechthild Münstermann (Caritas-Seniorenheim Heek) den Blick auf die deutlich anderen Bedingungen vor Ort hinweisen. Dass es hier oft kaum zu schaffen ist, pflegebedürftige Angehörige angemessen zu Hause zu versorgen. Weil Berufstätigkeit dagegen spricht, oder auch einfach die räumliche Distanz zur Familie. Es gibt viele und ganz unterschiedliche Gründe.

Das Gespräch ändert nichts an der grundsätzlichen Einstellung der Auszubildenden, allerdings findet schon so etwas wie ein Blickwechsel statt. Dass die Strukturen in den beiden Ländern auch kaum vergleichbar sind. Ein solches Angebot mit stationärer und ambulanter Pflege gibt es in Albanien einfach nicht, räumen sie ein.

Beeindruckt von der Qualität der Pflege

Bei ihrem bisherigen Einsatz sowohl im stationären wie ambulanten Bereich haben sie jedenfalls feststellen können, dass man ganz nah ist am Patienten. Von „qualitativ professioneller Pflege“ spricht Artemisija: „In Albanien sind die Kinder da, aber die sind eben keine Fachkräfte.“ Und Hilfsmittel wie Bettenlifter zum Beispiel seien schon sehr wertvoll für das Wohl der Pflegebedürftigen.

„Die Menschen hier leben länger, weil sie professionell versorgt werden, weil sofort auch immer ein Arzt da ist.“

Viele neue Alltagsprobleme

Ein Kontrastprogramm für die Drei war und ist aber auch der Alltag in Deutschland. Wie trennt man Müll? Wie bediene ich eine Spülmaschine? Wie viel Waschpulver ist nötig? Das sind nur einige ihrer Fragen. Auch das Fahren mit dem Bus ist eine ganz neue Erfahrung: Bushaltestellen, Fahrpläne - all das sind für sie bislang unbekannte Größen.

Angesichts eines durchgeplanten Ausbildungsganges und zum Teil Arbeit im Schichtdienst, bleibt für Freizeit nicht ganz so viel Zeit. Und aufs Geld, also auf das, was vom Ausbildungslohn (rund 800 Euro) abzüglich Miete, Buskarte, ... übrig bleibt, müssen sie ja auch achten. Und noch besser Deutsch lernen, wollen sie auch. Zumal in einigen Wochen eine Prüfung beim Goethe-Institut ansteht.

Alle stehen nach wie vor zu der Entscheidung

Diese Kleinteiligkeit hat auch Uwe Bröcker organisatorisch gar nicht so auf dem Zettel gehabt. Dennoch hält er die Entscheidung für das Pilotprojekt für genau die richtige, auch wenn ein hoher Aufwand damit verbunden sei. „Wir sind super zufrieden“, sagt er und berichtet auch von „guten Rückmeldungen“ aus der Schule. Für ihn steht fest, dass das Ganze keine Eintagsfliege sein wird.

Mechthild Münstermann verstärkt den positiven Eindruck noch und spricht von „der hohen Motivation der Auszubildenden“.

Und die sind von der Richtigkeit ihrer Entscheidung nach wie vor fest überzeugt. Auch wenn ihnen das Fehlen der Familie, oft großes Heimweh, arg zusetzt. „Mit meiner Mutter spreche ich fünf bis sechs Mal am Tag“, nennt Marieta ihr Mittel dagegen.

Außerdem holen sie mit typisch albanischen Gerichten auch ein Stück Heimat nach Heek.

Die Ausbildung zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin:
  • Voraussetzungen sind mindestens eine abgeschlossene zehnjährige allgemeine Schulbildung (Hauptschulabschluss/10 A), gesundheitliche und persönliche Eignung
  • Die dreijährige Ausbildung gliedert sich in Unterricht im Caritas Bildungszentrum für Pflege und Gesundheit in Ahaus-Wessum (theoretischer und fachpraktischer Unterricht) und berufspraktische Ausbildung in einer stationären Einrichtung oder einem ambulanten Pflegedienst.
  • Theoretische und praktische Ausbildung erfolgt in wechselnden Blöcken:
  • Unterricht in der Altenpflegeschule (im Schnitt zehn Wochen): 2100 Stunden
  • Praktische Ausbildung (im Schnitt 15 Wochen): 2500 Stunden.
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