Im November 2018 war plötzlich dieses Schreiben im Briefkasten. Aus heiterem Himmel. Ohne dass es nach dieser langen Zeit noch erwartet worden wäre. Der Brief lüftete das Geheimnis um den Verbleib des Großvaters von Jürgen Loske – nach 73 Jahren.
Wenngleich, eine Überraschung war es nicht, was die „Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht“ schrieb. Aber es sorgte für Gewissheit. Bernhard Loske war zwischen dem 25. und dem 31. Januar 1945 bei Buden im Kreis Graudenz – heute Budy im Kreis Grudziadz in Polen – im damaligen Westpreußen gefallen.
Letztes Lebenszeichen war ein Brief
Am 1. Januar 1945 noch hatte Bernhard Loske seiner Frau einen Brief aus dem Einsatz geschrieben. Das war sein letztes Lebenszeichen: „Irgendwann hörten die Briefe auf“, so der Enkel. „Es sind alle davon ausgegangen, dass er gefallen ist.“ Auch auf dem Ehrenmal im Ort sei er unter den Verstorbenen aufgeführt gewesen.
Bernhard Loske war an der Ostfront stationiert gewesen in Westpreußen. Die Rote Armee hatte am 12. Januar 1945 eine Großoffensive auf der 1200 Kilometer langen Frontlinie zwischen der Ostsee und den Karpaten begonnen, der die Wehrmacht nur wenig entgegenzusetzen hatte. In den folgenden Wochen stießen die Russen bis zur Oder vor.

Todesumstände unklar
Was genau mit dem 1907 geborenen Bernhard Loske passierte und unter welchen Umständen er den Tod fand, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden. Die verbliebenen Fotos zeigen den Stabsgefreiten in einer Luftwaffenuniform und an einem Flak-Geschütz. In seinem zivilen Leben hatte er als Weber bei van Delden in Gronau gearbeitet.
Dass das Rätsel um Bernhard Loske gelüftet werden konnte, ist einem Zufall zu verdanken. Im Zuge von Umbettungsarbeiten konnte der Nienborger anhand seiner Erkennungsmarke identifiziert werden – ein großes Glück für die Familie.

Identifikation mit Erkennungsmarke
Heute schätzt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dass immer noch 1,3 Millionen deutsche Soldaten aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges vermisst werden. Viele von ihnen werden für immer verschollen bleiben, bei anderen schafft der Zufall Klarheit für die verbliebenen Angehörigen.
Die Erkennungsmarken der Soldaten ermöglichen auch nach der langen Zeit eine Identifizierung der Verstorbenen. Sie tragen nicht die Namen der Besitzer, sondern eine Nummer. Diese kann dann beim Bundesarchiv den Gefallenen zugeordnet werden – insofern die Marke noch zu entziffern ist, was nach der langen Zeit nicht immer der Fall ist.

Letzte Ehre in Polen
Der verschollene Großvater, erinnert sich Jürgen Loske, sei nie großartig thematisiert worden: „Opa war einfach nicht da.“ Großmutter Änne, die die drei gemeinsamen Söhne nach dem Krieg groß zog, starb Anfang der 80er-Jahre. Da war Jürgen Loske gerade 13 Jahre alt: „Ich habe nie mitbekommen, dass Oma darüber gesprochen hätte. Viele Menschen haben das weggeschwiegen.“
Der unerwartete Brief aber bewegte die Familie Loske zutiefst. „Es war für mich völlig klar, dass wir Opa Bernhard die letzte Ehre erweisen“, sagt Jürgen Loske. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin machte er sich 2022 auf den Weg nach Polen. Zunächst hatte es zeitlich nicht geklappt und dann durchkreuzte die Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 die Pläne für die Reise.
Unweit von Stettin hat Bernhard Loske auf der Kriegsgräberstätte Czarnowo (Neumark) seine letzte Ruhe gefunden. Enkel Jürgen und seine Lebensgefährtin Sabine Schemmer trafen vor Ort einen Friedhofsgärtner, der Deutsch sprach und den Weg weisen konnte zu der Stelle, an der die sterblichen Überreste des Großvaters heute begraben liegen.
Dieser Artikel erschien zuerst am 22. Januar 2023.
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