Reihenweise gute Noten und ein Bestwert für die Lebensqualität – die Nienborger lieben ihren Ortsteil. Sorgen machen nur die Bus-Anbindung und das gastronomische Angebot.
Die Nienborger sind sich einig: In ihrem Ortsteil lässt es sich gut leben. „Nienborg ist ein wunderschöner, gepflegter Ort mit Angeboten für jedes Alter“, schreibt eine junge Frau. Sie hat als eine von 197 an unserer Umfrage teilgenommen. Das Urteil: Volle Punktzahl für die Lebensqualität in Nienborg. In 17 Kategorien von der Familienfreundlichkeit bis zur Verkehrsbelastung haben die Nienborger ihren Ortsteil bewertet und fast überall gibt es gute Noten.
„Das kann ich unterschreiben“, sagt Andreas Garbe. „Hier ist vieles noch im grünen Bereich. Das Vereinsleben, die Nachbarschaften, der Zusammenhalt.“ Garbe muss es wissen, denn er ist in Nienborg fest verwurzelt: Er ist hier aufgewachsen, hat nie woanders gelebt und mischt auch im Vereinsleben kräftig mit: Er sitzt im Vorstand bei Rot-Weiß Nienborg und ist seit 15 Jahren Offizier im Schützenverein. Seit 34 Jahren trifft er sich mit seine Stammtisch.

So haben die Teilnehmer abgestimmt. © Falko Bastos
In einem anderen Ort zu leben, kommt für ihn nicht infrage. „Die meisten Leute kenne ich mein Leben lang. Wer 50 Jahre hier wohnt, kennt einfach alles.“ Das sehe auch der Rest seiner Familie so. Denn als zwei seiner erwachsenen Kinder aus dem Elternhaus auszogen, blieben auch sie Nienborg treu. Das besondere an Nienborg sieht Andreas Garbe in einem Zusammenhalt, der über allem steht: „Hier können auch ein Schalker und ein Dortmunder zusammen ein Bier trinken, ohne dass es Theater gibt.“
Das wurde gut bewertet
Äußerst positiv beurteilen auch unsere Umfrageteilnehmer die verschiedenen Aspekte des Lebens in Nienborg. Gleich fünfmal gibt es 9 Punkte und dreimal die Bestnote 10. In keiner Kategorie schneidet Nienborg schlechter ab als der Schnitt der Gesamtgemeinde. Sehr gute Noten gibt es mit 9 Punkten etwa für die Sicherheit, die Sauberkeit. Auch mit den Angeboten für Nahversorgung, Kinderbetreuung und Sport sind die Nienborger offenbar sehr zufrieden – auch hier gibt es sehr gute 9 Punkte.
Grünflächen: Die Bestnote 10 gibt es für die Grünflächen im Ort. Besonders an der Dinkel lässt sich die Natur genießen. Aber auch in der Ortsmitte werden zunehmend Flächen mit Aufenthaltsqualität geschaffen. Etwa an der Mühle, wo die Gemeinde Steinbänke mit Uferblick und Blumenbeete eingerichtet hat. Zum Treffpunkt mit Verweilmöglichkeit soll auch der Festplatz in der Niestadt aufgewertet werden. Gerade ist der erste Bauabschnitt der Maßnahme abgeschlossen. Neben einem Durchgang zum Kirmesplatz sollen noch eine Boulebahn und Sitzgelegenheiten entstehen. Und grün soll der Platz werden: mit Bienenweide, Zierbeeten und einem Wildobst-Weg zum Naschen. „Wir wollen Orte mit hoher Aufenthaltsqualität schaffen“, erklärt Bürgermeister Franz-Josef Weilinghoff.

Die Nienborger lieben ihre Grünflächen. © Falko Bastos
Radfahren: Volle Punktzahl geben die Nienborger ihrem Ortsteil auch beim Thema Radfahren. Richtig überraschend kommt das nicht. Schließlich wurde die Gemeinde Heek in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal auf einen Spitzenplatz beim Radklima-Test des ADFC gewählt. Auch Andreas Garbe steigt für kurze Wege gern aufs Rad. Einmal im Jahr radelt er mit dem Nienborger BVB-Fanclub „Rote Erde“ sogar nach Dortmund, um ein BVB-Spiel zu besuchen.
Dabei gibt es durchaus noch Verbesserungspotenzial für den Radverkehr im Ortsteil. So wurden im Gemeinderat zuletzt zwei Gefahrenpunkte für Radfahrer diskutiert: An der Bischof-Martin-Straße, wo der in Heek beginnende Radweg endet und am anderen Ortsende, wo ein Schutzstreifen für Radfahrern auf der Eper Straße nach 150 Metern endet. Dazwischen gibt es keinen Radweg.
Der Nienborger Begeisterung für das Radeln tut dies aber keinen Abbruch. In unserer Umfrage schneidet Nienborg sogar einen Punkt besser ab als der Nachbar-Ortsteil Heek. Garbes Erklärung: „Wir müssen ja Radfahren, weil die Nahverkehrs-Anbindung so schlecht ist.“
Das wurde negativ bewertet
Verkehrsanbindung: Mit dieser Meinung steht er in Nienborg nicht alleine da. Denn mit 7 Punkten zählt die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr zu den am schlechtesten bewerteten Kategorien. Unter anderem die Busverbindung nach Münster lässt zu wünschen übrig. Denn der Schnellbus hält nur in Heek. Weil dort, aber eine halbe Stunde Umsteigezeit nötig ist, dauert die Fahrt bis Münster über eineinhalb Stunden, wenig attraktiv für viele Nienborger.
Michael Küppels, Angebotsplaner der Gesellschaft Regionalverkehr Münsterland (RVM) sieht darin kein großes Problem. „Für einen ländlichen Raum ist das Angebot gut“, urteilt er. „Schließlich kommt man wochentags von früh bis spät nach Gronau und Ahaus.“ Jeweils stündlich fährt der R77 ab 6 Uhr morgens. Nach Enschede kommt man in 40 Minuten mit einem Umstieg in Gronau. Und dazu verkehrt jeweils fünf Mal am Tag der Bürgerbus in Richtung Legden und Richtung Ahaus. Für das Partyvolk am Wochenende gibt es zudem den Nachtbus zum Dorf Münsterland in Legden.

Der Ortsteil Nienborg in Zahlen und Fakten © Verena Hasken
Für die Schnellbus-Anbindung sieht Küppels die RVM nicht in der Pflicht. Der Weg von Nienborg nach Heek sei eine „fahrradtypische Verbindung“. Zu diesem Zweck sei schließlich auch die Radstation am Heeker Rathaus eingerichtet worden. Bürgermeister Weilinghoff sieht das ähnlich: „Den letzten Kilometer muss man eben selbst bestreiten.“ Auch innerhalb des Dorfes solle der Bus nicht „an jeder Milchkanne“ halten, denn das mache die Verbindungen langsamer und damit unattraktiver.
Grund für Zufriedenheit mit dem Nahverkehrs-Angebot sieht Weilinghoff aber nicht: „Der Nahverkehr müsste viel attraktiver sein. Besonders die Taktung: Da müsste im Halbstundentakt was kommen“, so der Bürgermeister. Angesichts der Wartezeiten brauche sich niemand wundern, dass die Leute ins Auto steigen. „Außerdem bohre ich stetig nach für eine Busverbindung nach Steinfurt und Rheine.“ Bisher ohne Erfolg.

Kritik gibt es an der Nahverkehrs-Anbindung. © Falko Bastos
Gastronomie: Mit 6 Punkten am schlechtesten bewerteten die Nienborger die Gastronomie im Ort. „In Nienborg sollte unbedingt ein gastronomisches Angebot sein, besonders für kleinere und größere Familien oder auch Vereins- und Betriebsfestlichkeiten“, schreibt eine Umfrage-Teilnehmerin. Gastronomie ist zwar vorhanden, aber jenseits von Imbissgerichten wird die Auswahl klein. „Da haben wir ein Problem“, findet auch Andreas Garbe. Für Gerichte jenseits von Pizza und Pommes müsse man schon den Ort verlassen. „Es ist schon ein Segen, wenn Freitags der Fischwagen kommt“, so Garbe.
Sorge bereitet ihm aber auch das Kneipensterben im Ort. Ganze zwei Kneipen gibt es noch, von denen eine nur am Wochenende öffnet. Früher sei es noch ein Dutzend gewesen. „Den Kneipen trauert man zu Recht nach“, findet auch Weilinghoff. Es sei die klassische Wirtshausstruktur, die an Attraktivität verloren habe. „Es gibt schon noch viele Theken, aber die haben sich verlagert“ – in die Vereine und ins Private. Das gehe zulasten der privaten Wirte. Gerne vermittle er Gastronomen in den Ort, „aber ich kann sie nicht herbeizaubern.“
Ein Problem sieht der Bürgermeister auch in den eingeschränkten Öffnungszeiten. „Das ist ein übles Dilemma“, so Weilinghoff. „Die Radtouristen kommen nicht nur am Wochenende und stehen dann oft vor verschlossenen Türen.“ Und das spreche sich rum. Die Wirte könne er aber verstehen: „Kein Wirt macht auf, wenn nur sporadisch Leute kommen.“
Rivalität
Verkehrsanbindung hin, Gastronomie her: Insgesamt aber sind die Nienborger sehr zufrieden mit ihrem Ortsteil. Abgesehen von den genannten Punkten bewerteten sie keine Kategorie mit weniger als 8 Punkten. Nur eines stört Andreas Grabe noch: „Es fließt zu viel Geld in den falschen Ortsteil.“ Das sei der Eindruck, den viele Nienborger hätten. „Es wäre schön, wenn der Bürgermeister aus Heek auch mal an die Bürger in Nienborg denken würde“, kommentiert eine junge Nienborgerin unsere Umfrage.
Ein Vorwurf den der Bürgermeister entschieden von sich weist: „Da muss ich mich wundern. Wenn man sieht, was wir in den letzten zwei Jahren in Nienborg gemacht haben - die Ortsdurchfahrt, Plätze, Spielplätze, die Burgebeleuchtung und die Niestadt – da können sich die Nienborger nicht beklagen.“ Für Weilinghoff fällt der Vorwurf unter „gefühlte Wahrheit“. Ohnehin mache er als Auswärtiger keine Unterschiede zwischen den Ortsteilen, gleichwohl werde nach Bedarf investiert.
Aber vielleicht ist das Gefühl der Benachteiligung ja auch Ausdruck der nach wie vor bestehenden Rivalität zum Nachbar-Ortsteil, trotz inzwischen 50 Jahren Zusammengehörigkeit. „Über Nienborg lacht die Sonne und über Heek die ganze Welt“, schreibt einer der Umfrageteilnehmer. Andreas Grabe sieht das mit einem Augenzwinkern: „Ein bisschen Rivalität gehört doch dazu.“
Burg reicht bis ins Jahr 1198 zurück
- Die Gründung von Nienborg wird auf das Jahr 1198 datiert. In diesem Jahr errichtete Fürstbischof Hermann II. von Katzenelnbogen die Burg.
- Sie heißt Castrum Novum (neue Burg), woraus der Ortsname hervorgeht. Erstmals urkundlich erwähnt wird das Dorf 1308.
- 1593 wird der Ort von twentischen Soldaten im Auftrag der spanischen Krone geplündert und teilweise in Brand gesteckt. 1598 werden spanische Truppen einquartiert. 1622 besetzen kaiserliche Truppen den Ort.
- 1803 kommen Nienborg und Heek an die Grafschaft Salm Horstmar, 1806 an das Großherzogtum Berg, 1810 an das Kaiserreich Frankreich und nach den Befreiungskriegen an Preußen.
- 1816 erfolgt die Bildung der preußischen Provinz Westfalen – Nienborg und Heek gehören zum neugebildeten Kreis Ahaus.
- Seit dem 1. Juli 1969 gehört Nienborg zur Gemeinde Heek.
Eine Ansicht der Holzschuhfabrik Dues auf der Burg Nienborg auf einer Postkarte aus dem Gemeindearchiv. © Gemeinde Heek
Aufgewachsen im tiefsten Münsterland, Volontariat bei Lensing Media, Redakteur der Dorstener Zeitung. Immer auf der Suche nach den Geschichten, die diese Stadt schreibt.
