Jahrtausende Jahre alt: Alles zu den archäologischen Sensationsfunden in Nienborg

© LWL/Ingo Pfeffer

Jahrtausende Jahre alt: Alles zu den archäologischen Sensationsfunden in Nienborg

rnArchäologische Ausgrabungen

Viele Monate führten die LWL-Archäologen um Dr. Ingo Pfeffer Grabungen auf einem Firmengelände in Nienborg durch. Die Funde überraschten selbst die Experten. Das hat einen speziellen Grund.

Heek

, 30.10.2019, 17:10 Uhr / Lesedauer: 3 min

Wenn selbst erfahrene LWL-Archälogen überrascht sind von dem, was sie bei Ausgrabungen ans Tageslicht befördern, dann ist klar: es muss etwas ganz Besonderes sein. So wie bei den jüngsten Funden in Nienborg auf dem Gelände der Firma C. Cramer.

Über die Details der Sensationsfunde hat Grabungsleiter Dr. Ingo Pfeffer am Dienstag in einem Vortrag im Kammermusiksaal des Langen Hauses auf der Burg in Nienborg berichtet. In unseren Fragen-und-Antworten fassen wir die wichtigsten Dinge zusammen.


? Warum und in welchem Umfang führten die LWL-Archäologen Grabungen in Nienborg durch

Das örtliche Gewerbegebiet soll erweitert werden. Darum galt es, die 2,5 Hektar große Fläche im Vorfeld aus archäologischer Sicht gründlich zu untersuchen, denn in der Umgebung konnten zuvor schon archäologische Funde geborgen werden. Die Vor-Ort-Arbeiten selbst dauerten von Juni 2018 und bis Juli 2019.

Ausgrabungsleiter Dr. Ingo Pfeffer (r.) und Grabungstechniker Christopher Hentzelt präsentierten 2018 erste Funde auf dem Grabungsgelände. In diesem Fall Teile des Vier-Pfosten-Kornspeichers.

Ausgrabungsleiter Dr. Ingo Pfeffer (r.) und Grabungstechniker Christopher Hentzelt präsentierten 2018 erste Funde auf dem Grabungsgelände. In diesem Fall Teile des Vier-Pfosten-Kornspeichers. © Alex Piccin


? Mit welchen Funden rechneten die Archäologen im Vorfeld der Grabungen

Die LWL-Archäologen rechneten primär mit Funden aus der Eisenzeit (800 vor bis 500 nach Christus). Denn bei einigen Probebohrungen 2016 entdeckten die Forscher auf dem Areal Spuren einer frühzeitlichen Besiedlung aus besagter Zeitepoche.

? Entdeckten die LWL-Mitarbeiter auf dem Areal eine Siedlung aus der Eisenzeit

Ja, die Archäologen fanden Gebäude aus der Eisenzeit. Allerdings war dies keine größere Siedlung wie ursprünglich angenommen, sondern eine einzige Hofstelle mit über 20 kleinen und großen Gebäuden, die im Laufe der Zeit durch immer neue Bauten „gewandert“ ist. Die Grundrisse der damaligen Gebäude, besonders der Wohnstall-Häuser, waren noch gut zu erkennen. Zwar sind die Holzpfosten über die Jahrhunderte nahezu vollständig verrottet, aber die dunkelbraunen Stellen des Holzes waren im hellen Sandboden noch gut sichtbar. Zudem legten die Forscher drei Abwassergräben frei. Der älteste datiert aus dem Mittelalter.

Auf diesem Bild sieht man den Grundriss eines so genannten Wohnstall-Hauses aus der Eisenzeit, den die Archäologen auf dem Ausgrabungsgelände in Nienborg freilegten.

Auf diesem Bild sieht man den Grundriss eines so genannten Wohnstall-Hauses aus der Eisenzeit, den die Archäologen auf dem Ausgrabungsgelände in Nienborg freilegten. © LWL/Michael Esmyol

? Und was war jetzt der Sensationsfund

Dass das Grabungsteam zwei Dutzend Gräber aus der Jungsteinzeit, der sogenannten „Trichterbecherkultur“ (4200 bis 2800 vor Christus) entdeckte. Das Areal diente in dieser Zeit also als Bestattungsplatz. „Dieser Fund hat uns sehr überrascht und ist eine kleine Sensation“, so Ingo Pfeffer. Dabei hätte sein Team die Gräber beinahe übersehen. Lediglich rötlich-braune Flecken im Boden deuteten darauf hin. Die Befunde belegen, dass das Gemeindegebiet bereits vor Jahrtausenden von Menschen besiedelt war.

? Was fanden die Archäologen in den Gräbern und in welcher Bodentiefe waren diese

Die Gräber waren in etwa einem Meter Tiefe. Vor allem Tonscherben von aufwendig verzierten Gefäßen fanden die Archäologen. Diese Keramikfunde dienten auch der exakten Datierung. Aber auch Beile und Pfeile waren Grabbeigaben. Bemerkenswert an diesen Funden: Laut Ingo Pfeffer enthielten die wenigsten Gräber dieser Zeitepoche Grabbeigaben. Auf etwa zehn Prozent beziffert der Experte die Zahl in NRW. Und wenn, dann waren ein bis drei Gefäße die Regel. Eines der Gräber in Nienborg enthielt jedoch sieben Gefäße. Zudem war es das größte Grab mit zwei Metern Länge und einer Holzeinfassung. „Damit können wir sicher sein, dass es sich um eine sehr bedeutende Person gehandelt haben dürfte.“

Dies ist eines von bisher zwei restaurierten Gefäßen, die in den Gräbern in Nienborg gefunden wurden. Auffällig ist die aufwendige Verzierung. Was in den Gefäßen war, wird derzeit von den Forschen analysiert.

Dies ist eines von bisher zwei restaurierten Gefäßen, die in den Gräbern in Nienborg gefunden wurden. Auffällig ist die aufwendige Verzierung. Was in den Gefäßen war, wird derzeit von den Forschen analysiert. © LWL/Lina Pak

? Wurden auch Knochen gefunden

Nein. Weder Knochen noch Zähne haben die Zeit im Boden überdauert. Der sandige Boden entzog den Knochen schnell das Kalzium, wodurch diese zügig zerfielen. Darum ist aktuell noch nicht klar, ob Frauen, Männer oder Kinder dort bestattet wurden. Doch mit einem neuen technischen Verfahren werden derzeit Bodenproben analysiert. „Wir hoffen, so noch menschliche DNA extrahieren zu können. Auf die Ergebnisse bin ich sehr gespannt“, so Ingo Pfeffer.

? Wie wurden die Funde geborgen und was war in den Gefäßen

Der Boden hat die Gefäße gepresst und brüchig werden lassen. Darum wurden diese großflächig eingegipst und im Block geborgen. Jetzt werden diese nach und nach in der Restaurationswerkstatt des LWL wieder zusammengesetzt. Bei 2 von 16 Gefäßen ist dies bisher gelungen. Über den möglichen Inhalt der Gefäße ist noch nicht viel bekannt. Die Analysen laufen. „Da warten bestimmt noch einige Überraschungen auf uns“, sagte Ingo Pfeffer.

Ein Mitarbeiter des Grabungsteams legt sorfältig ein Grab aus der Jungsteinzeit frei.

Ein Mitarbeiter des Grabungsteams legt sorfältig ein Grab aus der Jungsteinzeit frei. © LWL

? Wie geht es mit den Funden jetzt weiter und kehren diese mal in die Gemeinde zurück

Geplant ist derzeit, dass die Funde bei einer großen internationalen Ausstellung 2021 in Herne zu sehen sein werden. Das genau Datum steht noch nicht fest. Zudem arbeitet die Gemeindeverwaltung daran, zumindest einen Teil der Funde temporär in einer kleinen Ausstellung vor Ort auszustellen. „Wir sind in Gesprächen und hoffen, dass dies klappt“, sagte Jürgen Lammers von der Gemeinde nach dem Vortrag.

Schlagworte: