Musik hinter vielen Türen – ein Tag in der Landesmusikakademie

© Falko Bastos

Musik hinter vielen Türen – ein Tag in der Landesmusikakademie

rnBlick hinter die Kulissen

Was passiert eigentlich an einem normalen Wochentag in der Landesmusikakademie? Wir haben den Blick hinter die Kulissen gewagt und den Helfern im Hintergrund über die Schultern geschaut.

Heek

, 20.04.2019, 19:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Taschen und Rucksäcke liegen auf den Fluren, heute ist Abreisetag. 120 Gymnasiasten aus Neuss hatten sich in der Landesmusikakademie einquartiert, um für ihr jährliches Themenkonzert zu proben. Auf den Fluren herrscht Stille an diesem Mittwochvormittag. Das ändert sich erst, wenn man eine der Türen zu den Proberäumen im Musikzentrum öffnet. Die Bläser spielen den James-Bond-Titelsong, die Streicher üben nebenan. Hinter vielen Türen erklingt Musik: In sieben Gruppen haben sich die Schüler über die gesamte Akademie verteilt.

„Von außen hört man nur selten was, wegen der Akustikwände“, sagt Ruven Mensing, Hausmeister der Landesmusikakademie . „Mädchen für alles“, nennt er sich und das trifft es gut. Denn sein Aufgabengebiet ist groß, auch im räumlichen Sinne. Ständig ist er zwischen den acht Häusern der Akademie unterwegs. Seine Smartwatch hat mal 31.000 Schritte an einem Arbeitstag gezählt.

Bühnenaufbau, Raumtechnik und Instandhaltung in allen Räumen zählen zu seinen Aufgaben. Am Abreisetag der Schüler heißt das unter anderem: Bestandsaufnahme im Gästehaus. Dort sind Marita Borgers, Ulrike Zuwachs und Margret Brunner schon seit halb neun mit den Aufräumarbeiten beschäftigt. „Das waren Berge von Müll“, berichtet Marita Borgers. „Wenn hier 60 Schüler schlafen, gibt das natürlich Chaos“, sagt sie. Ihr Feierabend verschiebt sich dadurch nach hinten. „Aber das ist ja nicht jedes Mal so.“

9000 Gäste pro Jahr

160 Betten in 70 Räumen stehen für Besucher der Landesmusikakademie bereit. Die meisten sind direkt an der Burg untergebracht. Nur wenn es richtig voll ist, wird eine weitere Unterkunft am Ortsrand genutzt. Die meisten Schüler schlafen in 4-Bett-Zimmern, die Lehrer haben es in einer eigenen Unterkunft mit Einzelzimmern komfortabler. Rund 9000 Gäste kommen pro Jahr in die Akademie.

Eine nasse Matratze haben die Reinigungskräfte zum Trocknen ans Fenster gehängt. Ruven Mensing begutachtet einen Fleck auf dem Teppich. „Wahrscheinlich Rotwein“, urteilt er. „Da brauchen wir wohl eine chemische Reinigung.“ Alkohol und Zigaretten auf den Zimmern gehören zu den häufigsten Problemen mit Schülergruppen. Laut Hausordnung sind sie untersagt. Aber Mensing weiß: „Man kann nicht alles kontrollieren.“

Unterdessen rüstet sich das Mensa-Personal für den großen Schüler-Ansturm zum Mittagessen. „Mittags geht’s hier rund“, weiß Jochen Schmidt, der die Mensa seit dem vergangenen Jahr leitet. 120 Mal Karottencremesuppe, dazu wahlweise Pfannengemüse oder Rahmgeschnetzeltes gehen gleich ‘raus. „Das ist für mich schon Alltag“, bleibt Schmidt gelassen. Drei feste Mahlzeiten täglich bietet die Küche den Gästen, dazu gibt es Kuchen am Nachmittag. Der Kalender an der Küchenwand zeigt die Belegung: 340 Arbeitstage im Jahr.

120 Essen zur Mittagszeit. Die Mensa-Küche rüstet sich für den Schüler-Ansturm.

120 Essen zur Mittagszeit. Die Mensa-Küche rüstet sich für den Schüler-Ansturm. © Falko Bastos

Vor dem Essen treffen sich die Neusser Schüler zur gemeinsamen Abschlussprobe. Zuvor hatten die Schul-Bigband, das Streichorchester, das Blasorchester, die Chöre und die Theatergruppe drei Tage lang getrennt geprobt. „Die Räumlichkeiten sind ideal“, findet Musiklehrer Martin Brenne. „Denn wo kann man schon mit sieben Ensembles einzeln proben?“ Mehr als 20 Probenräume und 5 Konzertsäle stehen in Nienborg zur Verfügung. Von der Einzelprobe bis zum gemeinsamen Konzert sind damit alle musikalischen Möglichkeiten gegeben.

Seit Jahren schon kommt die Neusser Schule zur Intensivprobe nach Heek. Lange im Voraus werden die Termine gebucht. „Der Termin für das übernächste Jahr steht auch schon fest“, verrät Brenner. Rund 50 Schulen pro Jahr kommen in die Musikakademie. Dabei gestalten die Musiklehrer das pädagogische Programm selbst, die Musikakademie fungiert als musikalischer Tagungsort. Eine wichtige Finanzierungsquelle für die Akademie.

„Ideale Räumlichkeiten“: Das Neusser Gymnasium bei der Abschlussprobe.

„Ideale Räumlichkeiten“: Das Neusser Gymnasium bei der Abschlussprobe. © Falko Bastos

700.000 Euro Landesförderung

Rund 1,7 Millionen Euro kostet deren Betrieb pro Jahr, dabei deckt die öffentliche Förderung durch das Land mit 700.000 Euro weniger als die Hälfte ab. Den Rest muss die Akademie selbst erwirtschaften oder durch Projektmittel, Sponsoren und Förderer hereinholen. Einen Gewinn darf der gemeinnützige Verein nicht erzielen.

Beteiligen kann sich jeder Einzelne – zum Beispiel durch eine Mitgliedschaft in der Fördergesellschaft. Dabei können die Förderer ihren Mitgliedsbeitrag nach eigenem Ermessen wählen und erhalten damit Zutritt zu den rund 35 jährlichen Akademie-Konzerten. Komplett aus den Förderbeiträgen finanziert wird unter anderem die hauseigene Bibliothek. Dort können Musikfreunde in 31.000 Titeln stöbern, von Büchern über Fachzeitschriften bis zu Notenheften. Rund 100 Förderer zählt die Gesellschaft derzeit. „Aber es könnten noch viel mehr sein“, findet Direktorin Antje Valentin.

Bei ihr laufen seit 2011 die Fäden der Landesmusikakademie zusammen. „Ich versuche die Übersicht zu behalten“, sagt sie. Für sie ist die Akademie „eine Plattform, über die musikalische Bildung in alle Winkel gebracht werden kann.“ Das sei ihr ein persönliches Anliegen. „Wir sind im ganzen Land enorm vernetzt.“ Mit Hochschulen, Musikschulen, Kitas, Schulen und Vereinen. Viele der Fort- und Weiterbildungsseminare in der Akademie richten sich an Erzieher und Musikpädagogen, die das Erlernte weitertragen. „Hier kann eine Vision Realität werden“, so Valentin.

Sieben Tage in der Woche geöffnet

Für die Vernetzung ist sie viel unterwegs. Rund ein Drittel der Akademie-Veranstaltungen finden außerhalb von Nienborg statt. „Uns tut das sehr gut, weil wir dadurch stärker wahrgenommen werden.“ Generell funktioniere die Kombination: Tagesveranstaltungen im ganzen Land, Intensivkurse in der Akademie. Allerdings wünscht sich Valentin eine zusätzliche Stelle für die landesweite Netzwerk-Arbeit. Denn die ist für die Mitarbeiter sehr zeitaufwendig.

Sieben Tage in der Woche ist die Akademie geöffnet, nur zu Weihnachten ist niemand da. Rund 50 Mitarbeiter kümmern sich um den gesamten Betrieb von den Seminaren über die Verwaltung bis zur Unterbringung. „Fast alle kommen aus der Region und viele sogar direkt aus dem Ort“, so Antje Valentin.

Hausmeister Ruven Mensing ist „Mädchen für alles“ in der Akademie.

Hausmeister Ruven Mensing ist „Mädchen für alles“ in der Akademie. © Falko Bastos

So wie Ruven Mensing. Schon als 15-Jähriger half er in seiner Freizeit dem damaligen Hausmeister. Anschließend begann er eine Erzieher-Ausbildung und arbeitete in Berlin. Doch vor zwei Jahren kehrte er als Hausmeister nach Nienborg zurück. Schwer fiel ihm der Schritt nicht, hier kennt er alles und jeden. „Es ist ein super Arbeitsklima hier“, sagt er.

Nur zwei Minuten Fußweg wohnt er von seinem Arbeitsplatz entfernt. „Für die Akademie ist das natürlich gut“, sagt er und lacht. Denn wann immer ein Wasserhahn tropft, klingelt sein Handy. Der nächste Tag an der Akademie wird ruhiger, einer der wenigen Puffertage ohne Veranstaltung und Gäste. Für Ruven Mensing heißt das: „Zeit zum Umbau und Vorbereitungen für die nächsten Kurse.“ Nach der Veranstaltung ist vor der Veranstaltung.

Landesmusikakademie feiert Geburtstag

  • In diesem Jahr feiert die Landesmusikakademie ihr 30-jähriges Bestehen.
  • Gemeinsam mit dem Künstlerdorf Schöppingen lädt die Akademie am Jubiläumswochenende des 7. und 8. September zu einem Festakt in Schöppingen und Nienborg.
  • In Nienborg treten das Jugendjazzorchester NRW und zahlreiche Jugendensembles aus ganz NRW auf.
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