Landwirt Christian Schlichtmann vermarktet seine Rinder direkt.

© Bernd Schäfer

Landwirt Christian Schlichtmann vermarktet seine Rinder direkt

rnKlasse statt Masse

Junglandwirt Christian Schlichtmann geht bei der Vermarktung seiner Rinder einen besonderen Weg. Einen, der nicht auf Masse setzt. Eine ganz bewusste Entscheidung aus gleich mehreren Gründen.

von Bernd Schäfer

Heek

, 01.01.2023, 07:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Brutale Schläge, unfassbare Bilder gab es im letzten Jahr vom Schlacht-Skandal in Werne. Es geht auch anders! Das beweist der Junglandwirt Christian Schlichtmann aus Heek.

Leopold hatte wahrscheinlich ein gutes Leben. Seine ersten sechs Monate verbrachte er mit seiner Mutter und anderen Kühen und Kälbern auf einer Wiese. In seinem ersten Winter zog er in einen Offenstall um. Auch dort lebte er wie einst seine wilden Vorfahren als Teil einer Herde.

Ein paar Mauern und ein Dach boten zwar einen gewissen Schutz vor Sonne, Wind, Regen und Schnee – dennoch bekam er das Wetter in dem nach einer Seite hin offenen Unterstand immer hautnah mit. Und trainierte so sein Immunsystem. Selbst sein letzter Weg war für Nutztierverhältnisse ein leichter.

Alles soll verwertet werden

Am frühen Morgen holte ihn der Dorfmetzger ab, die Fahrt dauerte nur wenige Minuten, der in der konventionellen Tierhaltung übliche Stress, stundenlang in einem viel zu dicht beladenen Transporter ausharren zu müssen, blieb ihm erspart.

Bald wird das Fleisch des zweijährigen Limousin-Rinderbullen auf den Grills und in den Kochtöpfen der Umgebung liegen – als Steak, Roulade, Entrecôte oder Filet. Oder als Suppenknochen und sogar als Hundefutter. „Alle Teile des Rindes sollen mit der Schlachtung verwertet werden“, sagt Christian Schlichtmann. Denn auch das bedeutet für ihn Nachhaltigkeit: Wenn ein Tier sterben muss, dann soll nichts von ihm weggeworfen werden.

Es geht über Masse oder Klasse

Dem jungen Landwirt aus der Bauerschaft Wichum hat Leopold sein artgerechtes Leben zu verdanken. Schon als Kind wollte Christian Bauer werden. Nach einer Lehre als Landwirt und der Ausbildung zum Agrar-Betriebswirt entschied er sich, den elterlichen Hof zu übernehmen.

Leopold genoss auf dem Hof Schlichtmann ein artgerechtes Rinderleben.

Leopold genoss auf dem Hof Schlichtmann ein artgerechtes Rinderleben. © Bernd Schäfer

In Zeiten stagnierender und oft sogar sinkender Erlöse keine Selbstverständlichkeit. „Entweder muss es über die Masse gehen oder die Qualität“, gibt es laut Schlichtmann nur zwei Optionen. „Und auf den Massezug wollte ich nicht aufspringen.“

Qualitativ hochwertiges Fleisch anbieten

Stattdessen will er qualitativ hochwertiges Fleisch anbieten und direkt selbst vermarkten. „Wir wollen unabhängig sein und nichts verramschen. Die Tiere haben ein super Fleisch, das soll auch wertgeschätzt werden.“ Begünstigt wurde die Entscheidung durch die bemerkbare Nachfrage.

„Wir haben früher schon hin und wieder mal für uns selbst geschlachtet und Fleisch an Bekannte weitergegeben“, erzählt Barbara Schlichtmann, die die Bullenmast vorher mit ihrem Mann Hermann im Nebenerwerb führte. Schon da gab es immer wieder Anfragen von anderen, ob nicht noch ein Stück übrig sei . . .

Nachfolger steht bereits fest

Was noch übrig ist, lässt sich jetzt einfach auf der Internetseite des Hofs (hof-schlichtmann.de) feststellen. Da steht, was bereits verkauft und was noch zu haben ist. „Bestimmte Teile wie Steak und Rouladen sind sofort ausverkauft“, weiß Barbara Schlichtmann. „Dabei kann man auch aus anderen Teilen leckere Sachen machen.“

Das Fleisch kann auf dem Hof abgeholt werden. Der Nachfolger steht auch schon fest: Bulle Peter hat das richtige Alter und Gewicht – immerhin gut 800 Kilo – fast erreicht.