Es klingt simpel: Bauschutt wird geschreddert und zu neuem Beton, neuen Wänden und Häusern verarbeitet. Doch was Hans-Jürgen und Wolfgang Büscher in ihrem Betonwerk in Heek erfunden haben, ist nicht viel weniger als eine Revolution für die Bauindustrie.
Das grobe Rezept für Beton ist einfach: 50 Prozent Gestein, 30 Prozent Sand, der Rest sind Zement, Wasser und Fließmittel. Bisher durften von Gestein und Sand höchstens 45 Prozent ersetzt werden. Etwa durch Schutt. Bisher. Denn die Büschers sind zehn Jahre lang gegen Windmühlen angerannt und haben sich am Ende durchgesetzt: Mit einer Erfindung, die bis dahin als unmöglich galt. Sie dürfen den kompletten Naturstein durch Bauschutt ersetzen.

„Wir haben aus Abfall einen Wertstoff gemacht“, sagt Wolfgang Büscher (54). Einen besonders hochwertigen sogar. Damit könne nachhaltiger, ressourcenschonender und günstiger gebaut werden.
„Alle Lehrbücher über Betontechnologie müssen jetzt eigentlich umgeschrieben werden“, sagt sein Bruder Hans-Jürgen Büscher. Der 57-Jährige Stahlbetonbaumeister und sein Bruder sind gegen alle Widerstände stur geblieben. Zehn Jahre haben sie getüftelt und geforscht. Zehn Jahre lang sind sie bei zahllosen Fachleuten, Ingenieuren und Prüfern abgeblitzt. „Uns hat niemand geglaubt“, sagt Wolfgang Büscher.

Aber noch einmal ganz an den Anfang: Die Büschers betreiben vor allem einen Containerdienst. Nehmen Bauschutt an. Und der türmte sich plötzlich auf dem Hof. „Wir wussten nicht wohin damit und haben angefangen, daraus etwas Neues zu machen“, sagt Wolfgang Büscher. Der Büscher-Block war geboren. Ein überdimensionierter Lego-Stein, mit dem die Brüder beispielsweise einzelne Boxen für Abfall abtrennten. Und sie tüftelten weiter. Die Steine hielten der Witterung stand.
Statt zu den großen Betonblöcken verarbeiteten sie den Schutt schließlich zu Wandelementen. Sie selbst seien erstmal überrascht gewesen, wie gut das funktioniere. Jedenfalls stehen Wandelemente aus herkömmlichem Beton und die aus Recyclingmaterial seit mehreren Jahren direkt übereinander. „Ein Unterschied ist nicht zu erkennen“, sagt Hans-Jürgen Büscher.
Zulassung lange nicht möglich
Doch auch wenn die Elemente über Jahre vor Ort bewiesen, dass der Beton aus altem Baumaterial funktioniert, eine Zulassung war nicht zu bekommen. Fachleute seien nicht einmal zu einem Besuch nach Heek gekommen. Mehrfach hätten sie verschiedene Stellen angefragt und eingeladen. Ohne Erfolg.
Bis zum Sommer 2021: Da legten sie ihre Entwicklung noch einmal dem Deutschen Institut für Bautechnik vor. Und bekamen schließlich grünes Licht.
Seitdem dürfen sie tragende und nicht-tragende Wände in dem neuen Baustoff herstellen. Und an dem Punkt beginnen die Rechenspiele: Laut Umweltbundesamt gab es in Deutschland im Jahr 2018 aus Bauschutt und Straßenaufbruch 73,9 Mio. Tonnen mineralische Abfälle. Davon wurden nur 15,8 Mio. Tonnen in der Asphalt- und Betonherstellung eingesetzt. Technisch ließe sich noch weit mehr Bauschutt aus dem Hochbau wieder für den Hochbau aufbereiten.

„Hochgerechnet ließen sich mit den verbliebenen 58,1 Mio. Tonnen Bauschutt etwa 375.000 Mehrfamilienhäuser im gleichen Stil bauen, macht bei sechs Personen je MFH einen neuen Wohnraum für 2.250.000 Menschen innerhalb kürzester Bauzeit“, erklärt Hans-Jürgen Büscher.
Denn aus dem Recyclingbeton ließen sich Elemente im Werk vorfertigen. Zur Baustelle transportiert werden sie vor Ort zusammengefügt. Dass das funktioniert, haben die Brüder längst bewiesen. Ihr Pilotprojekt steht an der Schniewindstraße in Heek und wird seit 2022 bewohnt. „Wir wollten das Praxisbeispiel, ein Haus, damit man sich das vorstellen kann“, sagt Wolfgang Büscher.
Ein Großteil des Hauses hatte zuvor in Nienborg gestanden: Nach dem Abriss wurde aus dem Schutt der Neubau in Heek.

Davon hat sich jetzt gerade auch Bundesbauministerin Klara Geywitz in Heek ein Bild gemacht: Bei einem einstündigen Besuch vor Ort zeigte sich die SPD-Politikerin deutlich beeindruckt. Zum Abschluss des kurzen Besuchs lud die Bundesministerin die Brüder nach Berlin ein: Sie sollen das Verfahren auf einer der nächsten Konferenzen den Ministern vorstellen. Gleichzeitig sind sie nominiert für den Deutschen Umweltpreis.
Warum nicht vorher schon jemand auf die Idee kam? Die Brüder wissen es nicht. Wolfgang Büscher wählt einen Vergleich: „Jahrzehntelang hat die Menschheit ihre Koffer ohne Murren durch die Gegend geschleppt. Bis irgendwann endlich jemand auf die Idee gekommen ist, Rollen darunter zu bauen.“
Recycling-Beton soll Europa erobern
Ihr System jedenfalls funktioniert. Und es soll schnell wachsen: „Wir dürfen selbst Anbieter zertifizieren und lizensieren“, sagt Hans-Jürgen Büscher. Eine Ausweitung auf ganz Deutschland oder sogar Europa sei denkbar. „Wir können das von jetzt auf gleich fast beliebig skalieren“, fügt Wolfgang Büscher hinzu. Schon jetzt seien sie fast täglich zu Vorträgen unterwegs. Um im Bild zu bleiben: „Das Fundament ist jetzt gebaut.“
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