Zum Abschied ein fliegendes Klassenzimmer

Förderschule ist Geschichte

„Ohne diese Schule hätte mein Sohn das nicht geschafft“, sagt Iris Ladendorf. Ihr Sohn Justin Marvin, heute 21 Jahre alt, präsentiert stolz sein Zeugnis der Fachhochschulreife, das er am Hans-Böckler-Berufskolleg erworben hat. Den Grundstein dafür hat er an der Erich-Kästner-Schule gelegt. Aber die ist nun Geschichte.

HALTERN

, 09.07.2017, 11:49 Uhr / Lesedauer: 2 min
Präsentiert stolt sein Zeugnis der Fachhochschulreife: Justin Marvin Ladendorf mit Mutter Iris und seinem ehemaligen Lehrer Markus Elter

Präsentiert stolt sein Zeugnis der Fachhochschulreife: Justin Marvin Ladendorf mit Mutter Iris und seinem ehemaligen Lehrer Markus Elter

Am 14. Juli werden die Türen für Schüler und Lehrer für immer geschlossen. Aus diesem Grunde hatte das Schulleitungsteam um Vivi Klapheck und Falk Wildemann noch einmall alle zu einem Abschiedsabend aufs Schulgelände eingeladen: Lehrer, Schüler, Eltern, Ehemalige und Heutige. Auch die Haltener Verwaltungsspitze, darunter Bürgermeister Bodo Klimpel, und Vertreter einiger Ratsfraktionen waren gekommen. Vivi Klapheck verteilte unter den ehemaligen Lehrkräften „Das fliegende Klassenzimmer“ von Erich Kästner – als Erinnerung an das lebendige Schulleben an der nach dem Autor benannten Schule, die 1950 ihren Betrieb aufgenommen hatte.

Willkommenskultur

In vielen Gesprächen war an diesem Abend das Bedauern zu hören, dass diese Schule geschlossen wird. Und auf die Frage, was eigentlich das Schulleben besonders ausgezeichnet hat, ähnelten sich die Antworten: „die Willkommenskultur, dass sich jeder hier angenommen und akzeptiert fühlte“.

Das sehen Eltern, Schüler und auch Lehrer gleichermaßen so. Zum Beispiel Heide Urbanczyk, die über 20 Jahre als Lehrerin an der Erich-Kästner-Schule gearbeitet hat. „Es war das Kollegium, der Zusammenhalt, den ich besonders in Erinnerung behalten habe“, sagt sie, die seit 2012 im Ruhestand ist. „Hier wurden alle Entscheidungen vom gesamten Kollegium mitgetragen“. Und Birte Wiengarten, die heute als Lehrerin an der Joseph-Hennewig-Hauptschule unterrichtet, ergänzt: “Ich kam als Referendarin hierher und habe mich vom ersten Tag an voll akzeptiert gefühlt. Das war einmalig“.

Erfolg eines "Problemkindes"

Ähnlich ging es auch Justin Ladendorf. Er kam in die fünfte Klasse der Kästner-Schule, weil er in den großen Klassen der Grundschule nicht klarkam. „Er fühlte sich nicht beachtet, reagierte aggressiv und mit Zerstörungswut“, erinnert sich seine Mutter. In dem Alter war Justin, wie er selbst zugibt ein „Problemkind“. Das änderte sich auf der Erich-Kästner-Schule: „In der kleineren Klasse fühlte ich mich wohl und dann hatte ich einen tollen Lehrer, zu dem ich sofort einen Draht hatte, weil er so ruhig war und mich ernst genommen hat“, erinnert er sich. Gemeint ist damit Markus Elter, der inzwischen von der Kästnerschule an die Halterner Hauptschule gewechselt ist.

Falsche Entscheidung

Justin hat es gepackt: Er machte seinen Abschluss an der Erich-Kästner-Schule, erwarb auf dem Kuniberg-Berufskolleg in Recklinghausen die Fachoberschulreife, machte dann auf dem HBBK seine Fachhochschulreife, mit der Qualifikation „staatlich geprüfter kaufmännischer Assistent“.

„Dadurch kann ich jetzt das Crash-Abi in einem Jahr nachholen“, sagt er. „Eigentlich wollte ich nach der Schule eine Ausbildung anfangen, aber jetzt werde ich vielleicht sogar studieren: Informatik mit kaufmännischem Schwerpunkt“.

„Das haben wir vor allem der Erich-Kästner-Schule zu verdanken“, sagt seine Mutter Iris. „Und deshalb finde ich es falsch, dass diese Schule jetzt geschlossen wird.“