Halterner Windrad sackte binnen Sekunden in sich zusammen „Das war gar nicht so laut“

Von Elisabeth Schrief Ingrid Wielens
Windrad sackte innerhalb von Sekunden in sich zusammen
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Es dauerte Monate, das 1200 Tonnen schwere Windrad aufzubauen. Aber es dauerte keine zehn Sekunden, bis es in sich zusammenfiel.

Nach 20-monatigem Stillstand wurde der Zwilling der am 29. September 2021 eingestürzten Windenergieanlage mit einer ordentlichen Sprengladung zu Boden „geworfen“.

Dr. Bernhard Klocke, Geschäftsführer der Windparkgesellschaft Haltern AV 9, sah das vor allem mit Freude. Denn jetzt kann das Kapitel Havarie in diesem Windpark von Stadtwerke und RAG endlich abgeschlossen werden.

Unter größtmöglicher Geheimhaltung fand die Sprengung am Mittwochmorgen um 8 Uhr in der Hohen Mark statt. Die Vorbereitungen begannen bereits am Vortag. Sprengmeisterin Ulrike Matthes brachte die Sprengmunition an, am Mittwoch justierte sie die Flügel nach, damit sie passgenau in das mit Folie ausgelegte Bett fielen.

Drei Signale

Drei Signale, zwei Sprengungen als Ankündigung und Vergrämung für das Wild, dann eine dritte und schon stürzte das Windrad sauber ein. „Es ist bestens gelaufen. Mein großer Respekt gilt der Sprengmeisterin“, sagte Dr. Klocke später an der Einsturzstelle.

Die Sprengmeisterin selbst wollte kein Interview geben. In der Crew vor Ort hieß es nur: Sie ist äußerst kompetent. Es war nicht das erste Windrad, dass sie zu Fall brachte.

„Das war gar nicht so laut“, sagte fast enttäuscht Franz-Josef Kloth, Besitzer des benachbarten Reiterhofes. Er hatte wie andere Anwohner vorab Informationen von Nordex über den Sprengtermin bekommen und folgte dem Rat, am Morgen die Pferde im Stall zu lassen. Es gab bei der Sprengung keine Erschütterung, sie war - wie Bernhard Klocke sagte - deutlich weniger aufsehenerregend als vorgestellt.

Das gesprengte Windrad aus der Vogelperspektive
So sah es nach der Sprengung am Bornweg aus. Die Firma Krämer Bau aus Kehlberg begann sofort mit der Räumung der Einsturzstelle. © Beat Linde

Unmittelbar nach der Sprengung begann die beauftragte Firma Krämer Bau aus Kelberg/Rheinland-Pfalz mit den Aufräumarbeiten. Vier Wochen werden diese dauern und noch eine Auflockerungssprengung des Fundaments beinhalten.

Dann baut Nordex eine neue Anlage auf. Alles wurde bereits vor längerer Zeit organisiert, sodass das neue Windrad zügig, nämlich schon im Oktober, ans Netz gehen kann.

Die am 29. September 2021 havarierte Anlage ist bereits ersetzt worden. Sie produziert seit Dezember Strom für den durchschnittlichen Bedarf von rund 4200 Haushalten.

Nordex: Ein großer Schritt

„Mit der Sprengung sind wir unserem Ziel, auch die zweite Anlage im Windpark Haltern zeitnah neu zu errichten und in Betrieb nehmen zu können, einen großen Schritt nähergekommen. Dafür danken wir der Sprengmeisterin und dem gesamten Team“, nahm Karsten Brüggemann, Geschäftsführer der Nordex Germany GmbH, schriftlich Stellung. Er konnte bei dem Ereignis aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein.

Die gesteuerte Voll-Sprengung war die fünfte und letzte, die anderen 17 baugleichen Windkraftanlagen sind ebenfalls weitgehend zurückgebaut worden. Dort konnten allerdings vor der Sprengung des Betonturms Maschinenhaus, Rotorblätter und Nabe demontiert werden.

Bei den komplett gesprengten fünf Anlagen war dies aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen nicht möglich. Diese Türme konnten nicht mehr betreten werden, weil Betonteile in 100 Metern sich abzulösen drohten.

Der gesamte Rückbauprozess wurde, so Brüggemann, in enger Abstimmung mit allen zuständigen Behörden und unter Berücksichtigung aller Vorgaben umgesetzt.

 Dr. Bernhard Klocke und Jessica Meier, Geschäftsführer der Windparkgesellschaft Haltern AV 9,  und Projewktkoordinator Martin Nolte, (v.l.) waren sehr zufrieden mit dem Verlauf der Windradsprengung
Dr. Bernhard Klocke und Jessica Meier, Geschäftsführer der Windparkgesellschaft Haltern AV 9, sowie der Projektkoordinator Martin Nolte, (v.l.) waren sehr zufrieden mit dem Verlauf der Windradsprengung. © Jürgen Wolter

Dabei nutzten die Experten ein sogenanntes Fallbett. Dafür wurde eine Grube ausgehoben, in der der Schutt sicher aufgefangen und anschließend restlos geborgen wird. Zudem kommen spezielle Schutzfolien zum Einsatz, die eine vollständige Entsorgung aller Betriebsstoffe ermöglichen.

Martin Nolte von der Gelsenwasser AG war im Auftrag der Bauherrenschaft der Projektkoordinator des aufwendigen Vorhabens. Er hatte sich im Vorfeld auch um die notwendige Rodung von Bäumen und die Herrichtung von Wegen gekümmert.

Security kam mit dem Bus

Mehr als 20 Sicherheitskräfte riegelten das Areal rund um das Windrad großzügig ab und kontrollierten mit Wärmebildkameras, ob sich jemand unnötig in Gefahr begeben hatte.

An 14 Posten wachten sie, um Schaulustige fernzuhalten. Sie kamen mit einem Bus und verließen den Windpark wieder, nachdem das Signal zur Aufhebung von Sperrungs- und Sicherheitsmaßnahmen gegeben war.

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