Straßennamen spiegeln den Zeitgeist und prägen damit die Identität einer Stadt. Mit der gezielten Namensgebung wird der Einfluss von Persönlichkeiten aus der Region oder der von internationalen Größen würdevoll in Erinnerung gehalten.
In Haltern gibt es circa 500 Straßen und dementsprechend auch Straßennamen. Davon wurden nach Erkenntnissen der Redaktion knapp 70 Straßen nach Personen benannt, die meisten anderen tragen eine geschlechterneutrale Bezeichnung.
Somit erinnern 14 Prozent der Straßennamen an Menschen und deren gesellschaftlichen Einfluss. Wer nach bedeutenden Frauen auf den Straßenschildern sucht, wird in Haltern nur schwer fündig. Und wenn, dann eher außerhalb des Stadtzentrums.
Insgesamt wurden nur neun Straßen nach Frauen und knapp 60 nach Männern benannt. In Haltern spielt vor allem der Einfluss des alten Roms eine bedeutende Rolle, weshalb sechs Straßennamen von der Geschichte inspiriert wurden. Dazu zählen zum Beispiel die Drususstraße, die Varusstraße oder die Arminiusstraße.
Wenig Wertschätzung und Ehre
Die deutliche Unterrepräsentation im öffentlichen Raum spiegelt die fehlende Gleichberechtigung in der Stadtplanung wider. In Anbetracht der demographischen Lage wird zudem deutlich, dass sich die Straßen überwiegend abseits des Halterner Stadtkerns befinden. Es sei denn, die Namen stehen in einem religiösen Bezug (Marienhof und Marienkirche).


Viele deutsche Städte, unter anderem Hamburg oder München, haben sich diesem Ungleichgewicht angenommen und bevorzugen eine weibliche Persönlichkeit, wenn eine neue Straße nach einer Person benannt werden soll oder wenn problematische Namensgeber durch Frauen ersetzt werden sollen.
Eine solche Regelung gibt es in der Seestadt nicht: „Üblicherweise läuft es so ab, dass die Verwaltung einen oder mehrere Namensvorschläge macht, über die der Schul-, Sport- und Kulturausschuss berät und eine Empfehlung für den Rat abgibt“, sagt Stadtsprecherin Sophie Hoffmeier.
Das höchste politische Gremium der Stadt trifft dann die endgültige Entscheidung. Grundlage für den Vorschlag der Verwaltung sind laut Hoffmeier beispielsweise alte Flur- und Gewannenbezeichnungen im Liegenschaftskataster wie „Hetfeld“ und „Brinkwiese‘“
Die nächste Benennung von Straßennamen wird für das Bebauungsplangebiet „Nesberg“ erfolgen: „Auch hier wird die Verwaltung den politischen Gremien einen Vorschlag machen. Grundsätzlich können Gruppierungen wie zum Beispiel der Heimatverein, Kirchengemeinden usw. eigene Vorschläge einreichen, die dann ebenfalls zur Entscheidung vorgelegt würden“, erklärt Hoffmeier.
Für das geplante Baugebiet Nesberg kann sich Martina Frey, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, gut vorstellen, einen „weiblichen“ Vorschlag einzureichen. Im Baugebiet Elterbreischlag sind zwei Straßen nach Frauen benannt worden (Emilie-Schindler- und Sophie-Scholl-Straße). Das könnte für ein wachsendes Bewusstsein sprechen, mehr Straßen nach Frauen zu benennen, meint Martina Frey.
Problematische Persönlichkeiten
Nur selten kommt es im Zuge einer historischen Neubewertung zu einer Umbenennung von Straßennamen. Meistens dann, wenn Namensgeber einer Straße eine NS-Vergangenheit, antisemitische oder koloniale Bezüge haben. Weshalb in anderen Kommunen beispielsweise Treitschkestraße, Martin-Luther-Straße oder die Richard-Wagner-Straße regelmäßig kritisiert, eine Umbenennung diskutiert und möglicherweise auch umgesetzt wird.
„Normalerweise müssen Straßennamen für neue Straßen, die aufgrund eines Bebauungsplanes entstehen, vergeben werden. Die Änderung eines bereits bestehenden Straßennamens ist die absolute Ausnahme“, sagt die Stadtsprecherin. Das zeigte die in der Vergangenheit geführte Debatte rund um die Saarlautern bzw. Saarlouis-Straße in Haltern, die nicht umbenannt wurden. Stattdessen ordnet ein Hinweisschild den historischen Bezug ein.
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