Das verlassene WASAG-Gelände wird noch lange Zeit für viel Arbeit sorgen.

Es sieht ein bisschen aus, wie in einem Grusel-Film. Das verlassene WASAG-Gelände wird noch lange Zeit für viel Arbeit sorgen. © Jürgen Wolter

Das Gift unter Haltern: Wann erreicht es das Trinkwasser im Stausee?

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Jahrzehnte wurden in Haltern Sprengstoff verarbeitet. Das rächt sich nun Jahre später, denn das Gift arbeitet sich unaufhaltsam durch den Untergrund von Haltern – in Richtung Stausee.

Sythen

, 17.05.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Vor mehr als 120 Jahren wurde in Haltern schon Sprengstoff verarbeitet. Damals hatte Deutschland noch einen Kaiser, die Röntgenstrahlung wurde gerade entdeckt und das Auto stand noch in den Kinderschuhen. Das Wort Umweltschutz war noch nicht erfunden. Welche Folgen die Verarbeitung von Sprengstoffen in Sythen haben könnte, war wahrscheinlich keinem klar.

Luftbild des stillgelegten Sprengstoffwerk Maxam Deutschland GmbH, ehemalige Munitionsfabrik WASAG, im Hintergrund der Silbersee, in Haltern am See im Naturpark Hohe Mark-Westmünsterland im Bundesland Nordrhein-Westfalen, Deutschland

Luftbild des stillgelegten Sprengstoffwerk Maxam Deutschland GmbH, ehemalige Munitionsfabrik WASAG, im Hintergrund der Silbersee, in Haltern am See. © Hans Blossey

Auf dem riesigen Gelände der WASAG GmbH gab es zivile und militärische Nutzung. Neben der Herstellung von Bergbausprengstoffen wurde in beiden Weltkriegen auch Munition eingeschmolzen oder zerlegt. Das führte zu einer massiven Kontamination von Boden und Wasser. 2019 hat der Kreis Recklinghausen das Gelände gekauft und tüftelt seitdem an der Aufarbeitung der Altlasten.

„Kein Schadstoff soll mehr das Grundstück verlassen.“

Christian Eilebrecht vom Kreis Recklinghausen hat dem Umweltausschuss einen aktuellen Stand der Entwicklung gegeben. Das Ziel ist immer noch klar: „Kein Schadstoff soll mehr das Grundstück verlassen.“ Um zu wissen, wie man das Gift aufhält, muss der Kreis aber erst mal herausfinden, wo die Chemikalien sind und wie sie sich ausbreiten.

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Die Halterner Sande sind für die Trinkwassergewinnung ein wahrer Schatz. Durch eine bis zu 120 Meter dicke Sandschicht wird Wasser auf natürliche Art und Weise gefiltert. Leider nutzt diesen Weg auch das Gift vom WASAG-Gelände. Die Karten der Verschmutzungen im Untergrund von Haltern sehen aus wie die Pfütze eines umgekippten Glases Wasser. Vom WASAG-Gelände bereitet sich die „Fahne“ immer weiter Richtung Stockwiese und den Stausee aus.

Wie entwickelt sich die Schadstoff-Fahne?

Das ist natürlich fatal. Fließen die Schadstoffe in den Stausee, könnten sie in das Trinkwasser gelangen. Für den Kreis Recklinghausen ist die Untersuchung der Ausbreitung deswegen eine Kernfrage. Christian Eilebrecht: „Wir wollen schauen, was mit der Kernzone ist. Was ist mit dem Grundwasser am Ende der Fahne? Was passiert am Mühlenbach? Was passiert mit dem Stausee?“

Vier Gutachter stellen das Gelände deswegen auf den Kopf und schauen sich jeden Bereich genau an. Auf dieser Basis sollen dann neue Datenbanken und Modelle entstehen. Außerdem sollen Pläne erarbeitet werden, wie man das Gelände wieder nutzbar machen kann. Schließlich soll es 2027 für die internationale Gartenschau wieder genutzt werden. Ob die Aufarbeitung in fünf Jahren schon fertig ist, weiß Eilebrecht nicht: „Wir stehen eher am Anfang.“

Die Messstellen an der Fahnenspitze weisen 2019 erstmals Belastungen auf. Oben links ist das WASAG-Gelände zu sehen. Die blaue Fläche zeigt die „Fahne“ der Schadstoff-Ausbreitung.

Die Messstellen an der Fahnenspitze weisen 2019 erstmals Belastungen auf. Oben links ist das WASAG-Gelände zu sehen. Die blaue Fläche zeigt die „Fahne“ der Schadstoff-Ausbreitung. © Kreis Recklinghausen

Eine Sache ist aber schon klar: Die Aufarbeitung ist teuer. Bisher sind 5,2 Millionen Euro veranschlagt. 80 Prozent der Kosten trägt der Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung, 20 Prozent übernimmt der Kreis.

Nutzung des Grundwassers bereits in einigen Bereichen verboten

Die Auswirkungen der Giftstoffe unter Sythen bekommen die Menschen in Haltern schon heute zu spüren. Schon Anfang der 2000er-Jahre wurden die Anwohner der betroffenen Gebiete informiert. Weil sich die „Fahne“ immer weiter ausbreitet, wurde das Warngebiet stetig erweitert.

Den Sythenern, die in dem Gebiet leben, wird empfohlen, Obst und Gemüse nicht mit Brunnenwasser zu gießen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Rückstände der Sprengstoffe am Ende in der Tomate aus dem Garten stecken. Der Boden selbst ist übrigens nicht verseucht. Die Giftstoffe werden nur über das Grundwasser verbreitet.

Bisher orientiert sich die Warnung noch an den Messungen von 2016. Da sich die Rückstände aber weiter vorarbeiten, wird im Zuge der Untersuchungen auch geprüft, ob das „Grundwassernutzungsverbot“ ausgeweitet wird. Das Wasser vom WASAG-Gelände soll langfristig gereinigt werden. Wie das technisch umgesetzt wird, müssen die Gutachten und Erkenntnisse der Zukunft klären.

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