Karl-Heinz Voß im Vorführraum der Filmklappe.

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Vom Kino zum Theater: Die Geschichte der Filmklappe

rnKleinstes Filmtheater Westfalens

„Gibt es nicht die Möglichkeit, die Filmklappe wieder zu öffnen?“, fragte 2007 eine Leserin unsere Redaktion. Nach der Schließung 2003 fand sich jedoch nie wieder ein neuer Betreiber. Eine Zeitreise.

Haltern

, 28.05.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

„Haltern braucht ein Kino“, stachelten seine Kegelbrüder ihn an. Warum ausgerechnet ihn, Karl-Heinz Voss? Karl-Heinz Voss war zwar Verkaufsleiter eines Branchenriesen (Herta) in Fleisch- und Wurstwaren, aber er kam aus dem Metier. Sein Großvater tingelte mit Stummfilmen durch die Lande, sein Onkel Josef Nieborg, bei dem der früh verwaiste Junge aufwuchs, betrieb zwei große Kinos in Haltern, das Römer- und das Deli-Theater. „Kino war immer mein Leben, für mich spielte es seit meinem 14. Lebensjahr eine wichtige Rolle“, sagt Karl-Heinz Voss 2016 bei einem Treffen in seinem idyllischen Garten.

1958 war er von Haltern fortgezogen, 1976 kam Karl-Heinz Voss zurück. Irgendwann folgte er dem Drängen seiner Kegelbrüder, entdeckte das kleine Ladenlokal, das frühere Möbelgeschäft Münsch, in der Zaunstraße für sich und machte daraus ein Treibhaus seiner Träume. Mit Unterstützung der Deutschen Filmförderanstalt eröffnete er am 4. April 1980 die Filmklappe – mit 80 Plätzen das kleinste Kino in Nordrhein-Westfalen. Aber damals mit der größten Leinwand. Karl-Heinz Voss musste dafür noch den staatlichen Filmvorführschein ablegen.

Der Eingang des alten Kinos an der Zaunstraße. Den Namen "Filmklappe" dachte sich der Werbemanager einer großen Wurst- und Fleischwarenfabrik aus.

Der Eingang des alten Kinos an der Zaunstraße. Den Namen "Filmklappe" dachte sich der Werbemanager einer großen Wurst- und Fleischwarenfabrik aus. © Archiv

Reichtümer konnte er mit der Filmklappe – den Titel erfand übrigens der damalige Werbemanager von Herta – nicht erwerben. „Es war eigentlich ein Wahnsinn“, sagt er. „Aber ein schöner.“ Er startete mit der Komödie „Das Krokodil und sein Nilpferd“. In den Hauptrollen das Abenteuer-Duo Bud Spencer und Terence Hill.

Im Schnitt zählte Karl-Heinz Voss 15.000 Besucher pro Jahr in Haltern. Nebenbei betrieb er noch ein Kino in Lüdinghausen und mittwochs organisierte er Kino im Dülmener Kolpinghaus. In Haltern gab es täglich eine Vorstellung, samstags und sonntags drei. Und dann organisierte er noch Filmnächte bis morgens um 4 Uhr oder zu „Dirty Dancing“ Film-Tanznächte.

Starke Konkurrenz aus den großen Städten

Sein Arbeitspensum beschreibt Karl-Heinz Voss so: „In der Woche konnte ich paddeln gehen; wenn andere feierten, saß ich im Kino. Mein einziger freier Abend war der Heilige Abend.“ Acht Jahre später ging er eine Renovierung an. Karl-Heinz Voss kaufte Klappsessel, sorgte für erhebliche Verbesserungen in Ton und Bild und baute eine kleine Theke ein, um Bier, Chips und Schokolade zu verkaufen.

Karl-Heinz Voss stellte 1995 fest, dass es ein kleines Kino gegen eine starke Konkurrenz in großen Städten schwer hat. Letztlich aber hing er an seinem Provinz-Kino: „So lange, wie sich das zu geringen Kosten aufrechterhalten lässt, wird es bleiben.“

Karl-Heinz Voß blättert in seinen Erinnerungen an die Filmklappe. Leider hat er aus seiner Zeit als Kinobetreiber nur Außenaufnahmen.

Karl-Heinz Voß blättert in seinen Erinnerungen an die Filmklappe. Leider hat er aus seiner Zeit als Kinobetreiber nur Außenaufnahmen. © Archiv

Manchmal hatte das kleine Kino aufgrund der NRW-Filmförderung sogar einen kleinen Vorteil. Von der Filmförderungsanstalt wurden Zusatz-Kopien der aktuellen Filme angefertigt, die dann nach einem bestimmten Zuteilungs-Schlüssel an die Kleinstädte vergeben wurden. In der Regel musste die Filmklappe fünf bis sechs Wochen lang warten, ehe sie die neuen Filme zeigen durfte.

Zwölf Wochen lief „Titanic“

Beim Tom-Hanks-Film Apollo 13, der in den USA überragende Zuschauerquoten erzielte, saß nun das Halterner Kino quasi wieder in der ersten Reihe und durfte gleich zugreifen. Voss stand allerdings eher auf romantische Filme wie French Kiss oder Pretty Woman. „Das sind keine Hauruck-Filme, die sieht man sich auch noch ein zweites Mal an.“

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Zwölf Wochen spielte er das Untergangs-Drama „Titanic“, dann ging er von Bord. Zum 1. April 1998 gab Karl-Heinz Voss das Kino aus Altersgründen ab. Er fand in Helmut Fortmann einen neuen Betreiber. Der backte früh morgens Brötchen, um abends Filme zeigen zu können.

Bäcker Fortmann brachte neue Ideen mit. Neben einer Dolby-Surround-Tonanlage schaffte Fortmann einen LCD-Video-Beamer an. Dieses Gerät ermöglichte es ihm, neben Video- und Fernsehfilmen auch Play-Station-Spiele an die Leinwand zu projizieren. Außerdem übertrug er Formel-1-Rennen.

Cineastische Höhepunkte waren zu teuer

Anfangs liefen noch die großen Filme wie Stars Wars Episode 2. Doch es ging bergab. Ab Dezember 2002 setzte Helmut Fortmann aus wirtschaftlichen Gründen nur noch auf Streifen kleiner Verleihe. Cineastische Höhepunkte waren zu teuer. Im September 2003 fiel endgültig der Vorhang.

Die Filmklappe machte dicht, Helmut Fortmann meldete das Gewerbe ab. Er war enttäuscht: „Wenn jeder Halterner nur alle zwei Jahre einmal ins Kino gegangen wäre, hätten wir anbauen müssen. Die Besucherzahlen waren in den vergangenen zwei Jahren mit durchschnittlich zwei Zuschauern pro Vorführung ernüchternd.“ Klappe zu, 23 Jahre Kino-Geschichte sind abgespult.

Fast genau 14 Jahre später kam wieder Leben in das Gebäude. Im September 2017 eröffnete in der ehemaligen Filmklappe das Lea-Drüppel-Theater. Dort finden heute Theaterprojekte, Workshops und Auftritte statt – zumindest, wenn die Corona-Maßnahmen es zulassen.

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