Aufzucht im Schuhkarton Lotti (11) aus Haltern rettet elternlosen Jungvögeln das Leben

Elfjährige Lotti rettet elternlosen Jungvögeln das Leben
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Hinter Lotti Köhler aus Lavesum liegen aufregende Wochen. Die Elfjährige hat es geschafft, vier frisch geschlüpften Jungvögeln das Leben zu retten. Sie zog sie mit Unterstützung ihrer Familie in mühsamer Kleinarbeit auf und konnte sie jetzt wieder in die Freiheit entlassen.

Ein Sturm hatte am 7. Juni einen großen Lebensbaum umgeworfen und ein Vogelnest mit fünf kleinen, wenige Tage alten Vögeln mit dem Ast auf die Einfahrt vor Lottis Haus am Hennewiger Weg geschleudert. Keine Vogeleltern näherten sich dem Nest. Nach mehreren Stunden Wartezeit piepten sie immer lauter, wenn man sich dem Nest näherte und sperrten die Schnäbel auf.

„Die Vogelart konnten wir nicht bestimmen“, schreibt Lottis Oma Angelika Gerdes, die die Ereignisse festgehalten hat. „Wir hatten keine Ahnung. Alle waren sehr besorgt. Das Nest wurde mit Handschuhen angefasst und in ein Körbchen gesetzt. Aber wie füttert man diese hungrigen kleinen Lebewesen?“

Stündliche Fütterung

Der Versuch, Kügelchen aus Haferflocken und Wasser zu füttern, schlug zunächst fehl, der Brei verstopfte die kleinen Schnäbel, die Lotti mühsam mit Wassertropfen wieder abwischte. Dann wurde der Brei ganz langsam geschluckt. Am nächsten Tag konnte dann frisches Vogelaufzuchtfutter besorgt werden. Bei der stündlichen Fütterung wechselten sich jetzt alle Familienmitglieder ab.

Leider verstarb der schwächste und kleinste Vogel nach wenigen Tagen, er hatte es nicht geschafft, genug Kräfte zu sammeln. „Das war echt traurig“, sagt Lotti, denn die Vögel waren ihr inzwischen sehr ans Herz gewachsen.

Lottis Oma beschreibt, wie der nächste Besuch zum Kaffee ablief: „Im Schuhkarton auf dem Schoß, reiste Lotti an. Zwischen Kaffee und Kuchen wurden die Vögel gefüttert. Sie hüpften Lotti zutraulich auf die Hand und ließen sich leicht füttern. Dann passierte es, der erste Vogel schaffte es, aus dem Karton zu hüpfen.“ Ein Umzug in einen größeren Karton war fällig.

Anfangs streckten sich Lotti fünf hungrige Schnäbel entgegen. Ein Jungvogel starb leider nach ein paar Tagen.
Anfangs streckten sich Lotti fünf hungrige Schnäbel entgegen. Ein Jungvogel starb leider nach ein paar Tagen. © privat

„Der Freiheitsdrang wurde immer größer. Auch dieser Karton wurde zu klein. Sie wurden weiter flügge und dann flog ein Vogel in den Flur, versuchte auf der Garderobe zu landen, hatte keine Kraft mehr und stürzte die Kellertreppe hinunter. Große Aufregung. Lotti fing ihn wieder ein, nichts war gebrochen“, berichtet ihre Oma weiter.

Aus einem alten Moskitonetz, unter das ein Kaninchenstall gestellt wurde, wurde eine Voliere gebastelt, in die die Vögel jetzt umziehen konnten. Wasser, Futter und Zweige vervollständigten das neue Zuhause.

Farbkleks auf die Stirn

„Mitten hinein setzte sich Lotti mit den Vögeln“, schreibt Lottis Oma weiter. „Sofort flogen sie ihr auf die Hand und ließen sich weiter füttern. Schon nach kurzer Zeit flatterten die ersten herum und eroberten sich ihr neues Zuhause. Zwei blieben einfach nur sitzen, suchten bei Lotti Schutz und bettelten weiter um Futter.“

Um sie zu unterscheiden, malte Lotti jedem ihrer Schützlinge einen kleinen Farbkleks aus Lebensmittelfarbe auf die Stirn und gab ihnen Namen: Bubble, Blubber, Kiki und Coco. Bald flogen die Kleinen Lotti auf den Kopf und auf die Schultern, begannen auch am Boden selbst zu picken, konnten sich aber noch nicht eigenständig ernähren. Und dann stand ein Urlaub der Familie an.

Lotti und ihre Mutter Stefanie öffneten am Montagnachmittag die Voliere und ließen die Hänflinge frei.
Lotti und ihre Mutter Stefanie öffneten am Montagnachmittag die Voliere und ließen die Hänflinge frei. © Jürgen Wolter

Für diese Zeit kümmerte sich Rolf Behlert, Naturschützer und Tierfotograf, um die Vögel. Er gewöhnte sie an neues passendes Samenfutter und steckte Spitzwegerich und Wiesenbärlapp-Samenkolben an den Käfig. Und er wusste, dass es sich bei den Kleinen um Bluthänflinge handelte, eine inzwischen gefährdete Singvogelart.

Wieder frei

Am 16. Juli kam Lotti mit ihrer Familie zurück aus dem Urlaub und jetzt kam der große Tag: Die Vögel wurden in die Freiheit entlassen. „Bei ihnen hat jetzt schon der Zugdrang eingesetzt, denn Bluthänflinge sind Zugvögel“, sagt Rolf Behlert.

So ganz eilig hatten es die jungen Vögel nicht, ihr vertrautes Heim zu verlassen. Aber einer machte den Anfang, die anderen folgten schnell, erkundeten die Bäume auf dem Grundstück. Wird Lotti ihre Schützlinge vermissen? "Eigentlich nicht“, sagt sie. „Sie mussten ja jetzt in die Freiheit entlassen werden.“

So ganz weg sind sie auch noch nicht. Familie Köhler berichtet, dass die Vögel immer wieder auftauchen und auch ihre bekannte Futterstelle weiter nutzen. Noch bleiben sie in ihrer vertrauen Umgebung.

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