„Über die Meere ins Exil“ - Berührender Vortrag in der Halterner Erlöserkirche

Pogrom-Gedenken

Über die Vertreibung jüdischer Kulturschaffender in den Jahren 1933 bis 1941 referierte Dr. Kristine von Soden in der Erlöserkirche. Ihre Schilderungen berührten die Besucher.

Haltern

, 10.11.2021, 13:49 Uhr / Lesedauer: 2 min
Dr. Kristine von Soden referierte auch aus ihrem Buch „Und draußen weht ein fremder Wind … Über die Meere ins Exil“.

Dr. Kristine von Soden referierte auch aus ihrem Buch „Und draußen weht ein fremder Wind … Über die Meere ins Exil“. © Horst Lehr

Am Dienstagabend wurde in der Halterner Erlöserkirche der Progromnacht 1938 gedacht. Auf Einladung der Stadt Haltern am See und der Evangelischen Kirchengemeinde referierte Dr. Kristine von Soden über die Vertreibung jüdischer Kulturschaffender in den Jahren 1933 bis 1941.

In Anlehnung an ihr Buch „Und draußen weht ein fremder Wind … Über die Meere ins Exil“ erzählte die Autorin anrührende Geschichten von geglückten Überfahrten, zeigte aber auch das Schicksal vieler tragisch Gescheiterten auf.

Bertholt Brecht flüchtete nach Dänemark

Sie begann mit dem Gedicht „Überfahrt“ der Literatin Mascha Kaléko, die etwa um 1935 als Journalistin der „Jüdischen Rundschau“ jugendliche Zionisten an Bord der „Roma“ auf ihrem mühevollen Weg von Triest ins gelobte Land begleitete. Aber auch Bertolt Brecht, der mit seiner „Dreigroschenoper“ das seinerzeit wohl berühmteste deutsche Theaterstück geschrieben hatte, flüchtete, wie so viele andere, nach dem Reichstagsbrand 1933 mit seiner Frau, der jüdischen Schauspielerin Helene Weigel, über Prag und Wien bis nach Dänemark.

Das Buch „Und draußen weht ein fremder Wind … Über die Meere ins Exil“ erzählt anrührende Geschichten von geglückten Überfahrten, aber auch vom Scheitern.

Das Buch „Und draußen weht ein fremder Wind … Über die Meere ins Exil“ erzählt anrührende Geschichten von geglückten Überfahrten, aber auch vom Scheitern. © Horst Lehr

Doch die Fluchten gestalteten sich wegen der sich immer stärker zuspitzenden antijüdischen Entrechtungspolitik bis zum Ausreiseverbot im Oktober 1941 immer schwieriger.

Ausreisebestimmungen verschärften sich immer mehr

Unterstützung und Beistand erhielten die Emigranten vom „Hilfsverein der deutschen Juden“ und dem „Palästinaamt“, die sich mit großem Engagement um die Auswanderungswilligen kümmerten. Doch die sich ständig verschärfenden Bestimmungen machten immer mehr Probleme.

Daneben wurde es immer schwieriger, überhaupt noch Pässe, Visa oder Schiffspassagen für geeignete Fluchtländer zu finden. Die Berliner Künstlerin Ann Frank-Klein schrieb in ihrem Bordtagebuch: „Unser Hochseedampfer ist ein 80 Jahre alter, ehemaliger Postdampfer, auf dem jetzt 1875 Emigranten unterwegs sind.“

Illustriert mit historischen Bildern aus ihrem Buch schilderte von Soden im Verlauf des Abends anhand von weiteren beispielhaft ausgewählten Schicksalen mit einfühlsamen Worten die Schiffs- und Irrwege vieler weiterer Menschen aus Kultur und Wissenschaft. Sie alle verließen die Heimat in Richtung Palästina, ins europäische Ausland nach Südamerika oder in die USA.

Durch die Verwendung von originalen Tagebucheinträgen und Briefauszügen bekamen von Sodens Ausführungen eine ganz besondere Authentizität und gab damit zum Teil auch Antworten auf Fragen, die bisher in der Exil-Forschung kaum gestellt wurden.

„Neuer, aufschlussreicher Blickwinkel“

„Das war ein sehr informativer und gut gemachter Vortrag“, sagte Rainer Wiedtemann aus Haltern. Tief beeindruckt von dem Gehörten war auch Christa Müther: „Mit den berührenden Ausführungen habe ich einen neuen, aufschlussreichen Blickwinkel bekommen.“

Bürgermeister Andreas Stegemann mahnte in seinem Grußwort: „Ein solches Unrecht darf nie wieder geschehen. Wir alle sollten niemanden ausgrenzen, sondern vielmehr sehen, was uns alle verbindet.“

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