Der Gemüsestand der Familie Schinkel gehört zum Halterner Wochenmarkt wie die Butter zum Brot. Als Willi Schinkel nach dem Zweiten Weltkrieg anfing, zunächst mit vollgepacktem Fahrrad Gemüse aus eigenem Anbau zu verkaufen und 1948 mit der Pferdekutsche vor der Kirche in Haltern stand, war der Grundstein für den Wochenmarkt gelegt.
Der Vater von Sturmhart Schinkel gilt als Mitbegründer des Halterner Wochenmarktes, der noch heute jeden Dienstag und Freitag die Menschen in die Stadtmitte zieht. Nach dem Krieg flüchtete er mit Frau und Schwester aus Schlesien nach Lippramsdorf. In Kusenhorst kam die Familie in einer Holzbaracke unter. Die großen Felder nutzte Willi Schinkel zum Anbau von Gemüse.
Dem Gärtner wurde eine wichtige Aufgabe zuteil: „Er sollte den Leuten nach dem Krieg zeigen, wie sie Gemüse anbauen können, um sich selbst zu versorgen. Also hat er noch mehr angebaut und schließlich verkauft“, erzählt Sascha Schinkel, Enkelsohn von Willi Schinkel.

Von Kindesbeinen auf dem Wochenmarkt dabei und stets helfende Hand des Vaters war Sturmhart Schinkel. Fünf Jahre war er alt, als der Wochenmarkt aus dem Boden gestampft wurde. „Damals habe ich das Pferd festgehalten“, erinnert er sich.
Lange Arbeitstage
Von da an verschrieb Sturmhart Schinkel sein Leben dem Wochenmarkt und übernahm zusammen mit seiner Frau den Stand seines Vaters. Lange Arbeitstage waren normal: „Wir haben teilweise bis 1 Uhr nachts malocht, dann zwei Stunden hingelegt und dann ging es weiter. Das Pferd musste eine Stunde bevor es auf den Markt ging gefüttert werden“, sagt der 80-Jährige.
Auch als er 1970 eine Stelle als Gärtner im Krankenhaus annahm, zog Sturmhart Schinkel stets im Hintergrund die Fäden. Er baute Gemüse und Pflanzen an und half beim Aufbau des Marktstandes in den frühen Morgenstunden mit. Den Verkauf leitete aber jahrelang seine Frau. Erst zu Beginn der 90er-Jahre zog es ihn dauerhaft zurück auf den Markt, weil seine Frau einen Blumenladen eröffnete.

Viele weitere Jahre leitete Sturmhart Schinkel den Marktstand. Er verkaufte nicht nur Gemüse, sondern unterhielt auch die Kundschaft und die Händlerkollegen. „Ich war ein Spaßvogel“, sagt er. Wenn Kunden fragten, wie viel den ein Kilogramm Kartoffeln sei, antwortete Schinkel trocken: „Das sind zwei Pfund.“
Mit seiner humorvollen Art knüpfte er über die Jahrzehnte viele Kontakte, verstand sich mit den anderen Händlern bestens. Einmal im Jahr habe es sogar eine Marktfete mit allen Händlern im alten Hotel Seestern gegeben, sagt er. Morgens nach dem Aufbau frühstückten die Marktbeschicker oft gemeinsam.

Trotz Eisregen auf dem Markt
Diese Marktgemeinschaft existiert aber so schon lange nicht mehr. „Heute macht es keinen Spaß mehr. Es gibt zu viele Neider und es wird kaum mehr Spaß gemacht“, sagt Sturmhart Schinkel.
Wenig Spaß gemacht hat auch ein Tag, der vor allem Tochter Bettina Plechinger besonders in Erinnerung geblieben ist: Vor einigen Jahren stand sie mit ihrem Vater im Eisregen auf dem Marktplatz. „Damals hatten wir noch einen alten Stand aus Eisen, die Plane konnten wir nicht draufmachen, weil es so stürmisch war. Wir waren durchgefroren und nass, das war der Horror. Die Kunden haben schon aus Mitleid etwas gekauft“, erzählt Bettina Plechinger.
Jahrelang unterstützte sie ihren Vater auf dem Markt. Auch sie war schon als Kind oft dabei – wie auch ihr Bruder Sascha Schinkel: „Wir haben dort Kopfrechnen gelernt und den Umgang mit Menschen“, sagt der Fahrlehrer.

Bettina Plechinger übernahm 2006 nach ihrer Ausbildung zur Industriekauffrau offiziell das Zepter von ihrem Vater. Auf dem Weg zur Marktbeschickerin hatte sie aber eine Hürde zu überwinden. „Eigentlich habe ich immer gerne ausgeschlafen. Es hat zehn Jahre gedauert, bis ich es richtig drin hatte“, sagt sie.
Der ein oder andere Beschwerde-Anruf des Vaters blieb da nicht aus: „Wo bleibst du?“, schallte es dann früh morgens durch das Telefon. Gerade in der nun wieder bevorstehenden dunklen Jahreszeit sei das Marktleben nicht immer einfach. Bettina Plechinger macht es aber aus Leidenschaft: „Ich bin ein Marktkind.“
„Wochenmarkt wird aussterben“
Von den Verkäufen auf dem Markt leben kann sie aber nicht. Diese Zeiten sind längst vorbei. „Von den Umsätzen von damals kann man heute nur träumen“, weiß auch Sturmhart Schinkel. Früher lebte die ganze Familie vom Markt. Bis zu 100 Kisten Blumenkohl wurden verkauft. Als auch die Lebensmittelläden anfingen, Gemüse zu verkaufen, wurde es immer weniger.
Heute stehen der ganze Aufwand in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag. „Markt darf man nur machen, wenn man es liebt. Wenn da nichts nachkommt, wird der Wochenmarkt aussterben“, ist sich Bettina Plechinger sicher.

Daher steht auch fest, dass der Marktstand nicht nochmal weitervererbt wird. „Nach mir ist Schluss“, sagt Bettina Plechingers. Ihr Sohn läge der Markt zwar im Blut, er wird sich allerdings auf seinen Beruf als Elektriker fokussieren.
Sturmhart Schinkel lehnt sich inzwischen ohnehin zurück. Vor zwei Jahren stieg er aus dem Marktgeschäft aus. Arthrose in beiden Füßen setzt dem 80-Jährigen zu sehr zu. Der Abschied fiel ihm schwer, den Markt vermisst er. Eines aber ist geblieben: Bis heute steht Sturmhart Schinkel um 2 Uhr nachts auf. „Den Rhythmus“, sagt er, „kriegt man nicht so schnell raus.“
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