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Sophia Schumann aus Haltern am See sitzt auf Spitzbergen fest - Rückreise ungewiss
Coronavirus
Sophia Schumann aus Haltern am See sitzt auf Spitzbergen fest, ihr Rückreisetermin ist noch ungewiss. Das stört die 27-Jährige aber bislang nicht.
Schnee so weit das Auge reicht, aber Gottseidank geht es hier nicht um Ischgl. Es gibt Eisbären in den Bergen, aber bislang keinen Corona-Fall. Noch ist auf Spitzbergen alles wie immer, so scheint es. Fast wie immer. „Die Touristen sind schon weg, sie sind alle ausgeflogen worden“, erzählt Sophia Schumann. Die 27-Jährige aus Haltern ist Biologie-Studentin, hat im Rahmen ihres Masterstudiengangs in Greifswald eine Kurs für Arktische Süßwasser-Ökologie belegt, der in Spitzbergen stattfindet.
Spitzbergen
Spitzbergen (norwegisch: Spitsbergen) ist die größte Insel des zu Norwegen gehörenden gleichnamigen Archipels im Arktischen Ozean. Sie ist heute die einzige dauerhaft bewohnte Insel des Archipels, hat 2642 Einwohner. Das administrative Zentrum ist Longyearbyen. Ein Flug von Düsseldorf nach Spitzbergen dauert fast sechs Stunden.Während das Auswärtige Amt mehr als 100.000 deutsche Reisende aus allen Ecken der Welt in einer beispiellosen Rückholaktion nach Hause fliegt, bleibt Sophia Schumann erst einmal ruhig. Für sie ist der Aufenthalt in Spitzbergen theoretisch erst nächsten Freitag beendet, aber ob sie dann nach Hause fliegen kann, ist mehr als ungewiss. Die Airline möchte erst drei Tage vor dem geplanten Abflug kontaktiert werden, die Informationen über Reisen via Oslo – Spitzbergen gehört zu Norwegen, ist eine Inselgruppe im Arktischen Ozean – sind nicht eindeutig, ändern sich schnell.
Unterkunft und Verpflegung stehen auf unbestimmte Zeit zur Verfügung
Für Sophia Schuhmann kein Problem. Im Zweifel, so sagt sie, schreibe sie ihre Masterarbeit eben auf Spitzbergen fertig statt in Haltern. Unterkunft und Verpflegung stünden auch auf unbestimmte Zeit zur Verfügung, das hat die Uni vor Ort bereits signalisiert. Solange es keinen dringenden Grund für eine Rückkehr gäbe, würde die junge Halternerin einfach bleiben.
„Ich bin seit dem 20. Februar hier“, erzählt sie im Interview per Video-Chat. Damit man sich vorstellen kann, wie ihr Blick aus dem Fenster ist, hat sie ein Foto geschickt. Darauf zu sehen: Drei tannengrüne Busse, ein ebenso grünes Haus mit abgeschrägtem Dach und ein dunkelgrünes Wohnheim für Studenten. Ansonsten ist alles weiß. Keine Menschenseele ist zu sehen.
Entscheidungen den Studierenden überlassen
Gibt es Corona-Vorsichtsmaßnahmen, wenn sowieso so wenig Leute unterwegs sind? „Ja, im Wohnheim dürfen sich nur noch wenige Leute in der Gemeinschaftsküche aufhalten, die sich mehrere Wohneinheiten teilen.“ Neben Sophia sind noch zwei andere Deutsche, zwei US-Amerikaner, je eine Studierende aus Litauen, Serbien und Russland in ihrem Wohnheim.
„Vorher waren wir 24 Leute, aber die meisten sind wegen Corona von ihren Universitäten bereits kurz nach Beginn des Kurses zurückgerufen worden.“ Greifswald hat die Entscheidungen den Studierenden überlassen.
„Das war sehr emotional“
Die Universität in Spitzbergen hat wie die meisten kooperierenden Hochschulen auch ihre Pforten geschlossen. Sophia Schumann: „Das war sehr emotional. Auch, dass wir von so vielen so schnell wieder Abschied nehmen mussten.“
Die Gemeinschaft sei schnell eingeschworen gewesen und der Moment, an dem die Stimmung sich verdüsterte, sei normalerweise eigentlich ein Anlass zum Feiern gewesen: Beim Sonnenfest fällt zum ersten Mal nach dem dunklen Winter Licht auf den Ort. 2020 fällt die Abreise vieler junger Menschen genau auf diesen Tag.
„Als die Sonne wiederkam, wurden die meisten anderen ausgeflogen.“ Kostenlos wurden Urlauber nach Deutschland oder andere Heimatländer zurückgebracht. Auch viele Kurs-Teilnehmer reisten wieder ab, ohne ihre Feldarbeit vornehmen zu können.
Und jetzt, da nur noch wenige Studenten da sind, was gibt es da noch zu beachten? „Wir müssen zum Beispiel immer sofort das Gewehr zurückbringen, nach Wanderungen.“
Wie gefährlich ist das Wandern auf Spitzbergen?
Gewehr? Bei Wanderungen? Wie gefährlich ist das Wandern auf Spitzbergen? „Es gibt Eisbären hier, und wir sind gleich zu Beginn des Kurses im Umgang mit den Gewehren geschult worden. Wir wissen, wann wir die einsetzen müssen und dürfen. Überhaupt sollen wir so wenig wie möglich draußen herumlaufen.“
Der Corona-Zusammenhang: Ein Aufeinandertreffen mit einem Eisbären birgt erhebliche Verletzungsrisiken, und allein ein „ganz normaler“ Spaziergang in Eis und Schnee kann einen Aufenthalt in dem kleinen Krankenhaus zur Folge haben. „Da möchten die Verantwortlichen aber natürlich im Moment alle nötigen Betten frei halten, falls es Corona-Fälle geben wird.“
Sorgen um die Oma
Solange der Kurs weiterläuft und sie an ihrer Masterarbeit auf Spitzbergen schreiben kann, macht sich Sophia Schumann also nur Sorgen um ihre Oma. „Der geht es nicht so gut im Moment, aber ich dürfte sie ja leider auch nicht besuchen, wenn ich zu Hause wäre.“ Videochats müssen eben eine Weile reichen. Für Interviews, und mit der Oma.
Mareike Graepel ist Journalistin, Autorin und Übersetzerin, seit 2017 selbstständig. Die Mutter von zwei Töchtern lebt teils in Haltern, teils in Irland. Von der Grünen Insel berichtet sie für DEINE KORRESPONDENTIN und die dpa. Am liebsten schreibt sie über Kultur, Gesellschaft und Umwelt.
