Die Sexualpädagoginnen Jessica Müller und Birgit Winkelkotte.

Die Sexualpädagoginnen Jessica Müller (r.) und Birgit Winkelkotte. © Antje Bücker

Jessica Müller und Birgit Winkelkotte wollen mit Kindern und Jugendlichen über Sex reden

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Die Sexualität ist zu oft immer noch ein Tabuthemen, finden Jessica Müller und Birgit Winkelkotte. Als Sexualpädagoginnen wollen sie das ändern, auch um Missbrauch vorzubeugen.

Haltern

, 10.10.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Sexualpädagoginnen Jessica Müller und Birgit Winkelkotte aus Haltern am See bieten Vorträge, Schulungen und Beratungen zum Thema Sexualität an. Den beiden gelernten Erzieherinnen ist die sachliche Aufklärung zu diesem, auch in der heutigen Zeit noch heiklen Thema, eine Herzensangelegenheit. „Nur wenn Fachkräfte sensibilisiert sind, kann Missbrauch erkannt und interveniert werden.“

In einer Zeit, wo unter anderem die katholische Kirche und aktuell auch Sportvereine mit der Aufklärung zu Missbrauchsfällen beschäftigt sind, ist die präventive Arbeit der beiden Pädagoginnen wichtiger denn je. Ihre Projekte, Beratungen und Schulungen richten sich an Eltern, Erzieher und an alle, die mit Heranwachsenden zu tun haben, sowie an Kinder und Jugendliche selbst.

„Sexualität ist in erste Linie etwas sehr positives“

„Das Thema ist noch immer sehr schambehaftet“, berichten die Frauen. „Schon der Begriff Sexualität wird oft negativ assoziiert. Es ist uns ein Anliegen, klarzustellen, dass Sexualität in erster Linie etwas sehr positives ist. Wir verweisen gerne auf einen Ausspruch von Kurt Tucholsky: Der Mensch wird auf natürlichem Wege hergestellt, dennoch empfindet er dies als unnatürlich und spricht nicht gerne davon.“

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Zu ihrer heutigen Tätigkeit kamen die beiden Frauen durch eine gemeinsame Präventionsschulung im Rahmen ihres Berufs als Erzieherinnen der Kirchengemeinde St. Sixtus. „Wir wussten sofort, das ist es, was wir zukünftig machen wollen.“ Die beiden Frauen begannen daraufhin 2019 ihre Weiterbildungen parallel zu ihrer Arbeit und sind nun zertifizierte Sexualpädagoginnen und Mitglieder der Gesellschaft für Sexualpädagogik. 2021 gründeten sie die Winkelkotte & Müller GbR - Team für Sexualpädagogik und Prävention.

Mit ihren Konzepten gehen sie seitdem in Kindergärten, Schulen, sowie Wohnheime und erstellen Module für Projekte. Sie sind aber auch für Privatpersonen ansprechbar. „Unsere Arbeit beschränkt sich nicht auf eine Altersgruppe, ebenso wie sich Sexualität von der Kindheit bis ins hohe Alter durch das Leben des Menschen zieht.

Beratungen beruhen auf verschiedenen Bausteinen

Jessica Müller und Birgit Winkelkotte geht es darum, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein aufzubauen. Die Fähigkeit zu stärken, Nein zu sagen, Grenzen zu erkennen und zu setzen, eigene und fremde Gefühle wahrzunehmen und sie auszudrücken. „Es gibt seit vielen Jahren Projekte, wie zum Beispiel ‚Mein Körper gehört mir‘, welche in den Halterner Grundschulen umgesetzt werden.“

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Die beiden Sexualpädagoginnen sehen es als ihre Aufgabe, noch einen Schritt weiterzudenken. „Es braucht Fachkräfte, die sich in diesem Bereich weiterbilden und sexuelle Bildung im Lebensalltag der Kinder und Jugendlichen integrieren. Dazu gehört auch die Erstellung von sexualpädagogischen Konzepten, die vom jeweiligen Team mit Leben gefüllt und getragen werden. Es ist wichtig, dass Kitas, Schulen und Vereine, innerhalb ihrer Institution eine gemeinsame Haltung entwickeln, um ein Schutzraum für Kinder und Jugendliche zu werden.“

Kein Konzept von der Stange für alle Einrichtungen

Die Pädagoginnen stellen immer wieder fest, wie schwer Verantwortlichen es fällt, über dieses Thema zu diskutieren. Oft fehlt die Sprachfähigkeit, wenn es zum Beispiel bei Kindern um Körpererkundungsspiele geht. Die Frauen zeigen den richtigen Umgang damit. „Auch in unserer eigenen Erzieherausbildung war das kein Thema. Wer mit Kindern zu tun hat, wird ins kalte Wasser geworfen. Wir halten es für sehr wichtig, dort eine Brücke zu schlagen.“

Allgemeinlösungen bieten sie nicht an. Es gibt kein Konzept von der Stange, dass allen Einrichtungen übergestülpt wird. Winkelkotte und Müller setzen auf Individualität und passen sowohl Ansprache als auch Vorgehensweise jedem ihrer Einsätze an. Ihre Arbeit hält die Waage zwischen sexueller Bildung und Prävention sexualisierter Gewalt, zwischen Emotionalität und Sachlichkeit.

Ihr Angebot wird nicht nur in Haltern gut angenommen, die beiden sind bis weit über die Grenzen der Stadt hinaus tätig. Sie sind dabei nicht festgelegt auf einen Träger, arbeiten sowohl als Schulungsreferenten für das Bistum Münster und die Caritas Münster, als auch freiberuflich.

Sexuelle Bildung ist ein Herzensthema

„Es fällt uns nicht schwer, über dieses Thema offen zu sprechen. Wir stellen aber immer wieder selbst bei Kindern, die generell eigentlich offener als Erwachsene sind, fest, dass sie bestimmte Begriffe nicht kennen und umschreiben. Da spiegelt sich leider immer noch das große Tabu zum Thema Sexualität in der Gesellschaft wider.“

Winkelkotte und Müller arbeiten mit Kindern und Jugendlichen in der Regel in Kleingruppen. Neben Gesprächsrunden, gibt es Spiele, Bücher, Puppen, Lieder, Bewegungseinheiten, die eingebracht werden. Außerdem ist ihnen wichtig, die Erziehungsberechtigten von Beginn an mit ins Boot zu holen.

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Was jedoch bei allen Einsätzen immer wieder im Vordergrund steht, ist die Feinfühligkeit, mit der beide vorgehen. Es kommt vor, dass Menschen sich öffnen und Pausen brauchen, das ist einer der Gründe, warum beide immer im Team auftreten. So kann sich jeweils eine von beiden um die betroffene Person kümmern, die andere den Vortrag fortführen.

Mehr Infos auf: www.sexualpaedagoginnen.de