Sensationeller Fund im Römerlager Mini-Tempel und Opfergrube entdeckt

Von Halterner Zeitung
Mini-Tempel und Opfergrube im Römerlager entdeckt
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Archäologinnen und Archäologen des Landwirtschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) haben in Haltern eine sensationelle Entdeckung gemacht. Auf dem Gelände des ehemaligen Römerlagers fanden sie Fundamentreste von zwei kleinen römischen Tempeln und einer Opfergrube.

Der Befund sei außergewöhnlich, weil derartige Kultbauten nirgendwo sonst innerhalb römischer Militäranlagen gefunden worden seien“, sagt LWL-Römerexpertin Dr. Bettina Tremmel. „Die beiden rechteckigen Kultbauten bestanden zwar nur aus Lehmfachwerk, sie hatten aber die typischen großen, aus Stein errichteten Podiumstempel zum Vorbild, die zur Zeit des Kaisers Augustus in zahlreichen römischen Städten zu finden waren.“

Erste Untersuchung vor 100 Jahren

Die jetzt aufgedeckten Gebäudereste wurden erstmals vor fast 100 Jahren untersucht. Bis heute war diese ungewöhnliche Kombination von Römerlager und Kultbauten mangels Vergleichen in der Wissenschaft kaum wahrgenommen worden, teilte der LWL mit.

Den Grundriss des westlichen Kultbaus haben die Fachleute schon nahezu vollständig aufgedeckt. Das rechteckige, 30 Quadratmeter große Holzgebäude besaß demnach einen fünf Meter breiten Zugang in der Vorderseite. Durch zwei seitlich stehende Holzsäulen wurde die Gebäudefront architektonisch hervorgehoben.

Die beiden Mini-Tempel befinden sich innerhalb eines mehr als 2.000 Quadratmeter großen Komplexes, der bereits 1928 vom damaligen westfälischen Chefarchäologen Prof. Dr. August Stieren aufgedeckt wurde. Bestimmte Grundrissdetails führten ihn zu der Annahme, dass der Baukomplex anfangs als „Schola“ genutzt wurde, also als Versammlungshaus für Militärangehörige. Nach einigen Umbauten sei dort aber auch eine Truppenwerkstatt untergebracht worden, worauf viele Werkzeugfunde hindeuteten.

Die Gebäudegrundrisse gehörten ehemals zu rechteckigen, aus Lehmfachwerk errichteten Kultbauten.
Die Gebäudegrundrisse gehörten ehemals zu rechteckigen, aus Lehmfachwerk errichteten Kultbauten. © LWL/C. Hentzelt

Weil Zeit und Geld fehlte, beließ Prof. Stieren viele Baubefunde im Boden. „Zum Glück“, sagt Dr. Bettina Tremmel heute. „Denn die neue Befundvermessung brachte zur allgemeinen Überraschung auch einen Messfehler an den Tag.“ Demnach liegen die Kultbauten einen Meter weiter südlich, als bislang angenommen. Sie seien so in die Gebäudestruktur eingefügt, dass andere Räumlichkeiten nicht dafür weichen mussten.

Die archäologischen Strukturen sind durch zahlreiche Bodeneingriffe in den vergangenen 80 Jahren massiv gestört worden. „Es glich oft einer Sisyphusarbeit, die römischen Verfärbungen zwischen den Störungen aufzufinden“, so Tremmel. Bei der genauen Erfassung von Pfostengräben und Pfostenspuren wurde sie von Archäologiestudierenden der Universität Trier unter der Leitung von Dr. Stephan Berke unterstützt.

Der zweite Bau sah nach Stierens Plan fast identisch aus. Zwischen beiden Bauten lag eine von einem kleinen Nischenbau eingefasste, ebenerdige Grube. Die Holzkohlereste darin hatte bereits Stieren entnommen, auch diese Stelle war stark gestört. Sonstige Funde, besonders solche, die in kultischem Zusammenhang stehen könnten, scheinen nicht zu Tage gekommen zu sein.

„Bei unserem aktuellen Forschungsstand handelt es sich bei den beiden kleinen Tempeln und dem Nischenbau mit der Brandgrube um eine singuläre Baugruppe innerhalb eines Römerlagers, und schon frühere Archäologen haben über die Funktion dieser Bauten gerätselt“, sagt Prof. Dr. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen.

Verbotenes Grab?

Die ebenfalls als Bodenverfärbung erhaltene Kreisgrabenanlage liegt unmittelbar neben den Kultbauten. Die Tiefe des kleinen Grabens und die darin enthaltenen römischen Funde sprechen gegen eine bronzezeitliche Datierung und sind eher mit Grundrissen aus dem römischen Gräberfeld von Haltern vergleichbar. Die Anlage eines Grabes innerhalb einer Siedlung war jedoch nach römischem Recht verboten, heißt es in einer Mitteilung des LWL.

„Bei Römern in Westfalen denkt man als erstes an aufwendige Logistik, große Militäranlagen und glänzende Ausrüstung“, sagt LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. „Die Glaubensvorstellungen der Römer spielten bei unserer Arbeit bislang eine untergeordnete Rolle. In den kommenden Monaten soll daher der Frage nachgegangen werden, welches Rätsel hinter diesem einmaligen Befund in der Germanikusstraße steckt.“

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