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Schlagerstars, Schmuddelfilme, Drogen: „Das war eine Räuberhöhle...“
Serie: Kult-Disco „Old Daddy“
Sex, drugs & rock’n’roll: Das „Old Daddy“ prägte über Jahrzehnte die Partyszene der Region. Mit einer exklusiven Serie erinnern wir an die Kult-Disco. Heute: Die Anfänge in der Goldstraße.
„Wir haben damals alte Holzbänke mit einer Lötlampe geflämmt, damit sie cooler aussahen“, sagt der Halterner Gerd Twilfer. Im alten Daddy, so erzählt er, sei er viele Jahre Stammgast gewesen. „Das war eine Räuberhöhle, aber da war immer was los.“ Kaum zu glauben: Sogar der heutige Schlagerstar Howard Carpendale ist kurz nach der Eröffnung, Ende der 60er Jahre, in den Räumlichkeiten aufgetreten.

Dieses Foto aus einem alten Zeitungsartikel zeigt den Eingang der ehemaligen Diskothek in der Goldstraße. © Repro WAZ/Archiv Backmann
In der Goldstraße, einer kleinen unscheinbaren Gasse neben dem Alten Rathaus, hat die Geschichte der Kult-Disco einst begonnen. Heute befindet sich hier ein kleiner Parkplatz. Gegenüber entsteht ein neues Gebäude. „Früher hat dieser Ort für viele aus Haltern und Umgebung die große, weite Welt bedeutet. Da haben sich kuriose Dinge abgespielt und es wurden die wildesten Partynächte gefeiert. Viele Paare haben sich zudem dort kennengelernt“, so Gerd Twilfer.
Daddy Charts hatten Kultcharakter
Die wöchentlichen Daddy Charts hätten Kultcharakter gehabt. „Das war wie eine Hitparade. Auf den vorderen Plätzen landeten damals Lieder von Bands wie Uriah Heep oder Deep Purple.“ Pikant: Während die Partygäste im großen Tanzsaal abrockten, wurden auf einem Bildschirm im benachbarten Kaminzimmer Schmuddelfilme gezeigt.

Im Kaminzimmer wurden Schmuddelfilme gezeigt. © Archiv Backmann
Das Gebäude gehörte den Eheleuten Gottfried und Christine Böhmer. Sie hatten zunächst ein Café-Restaurant mit Bierstube und Tanzsaal an der Rekumer Straße. 1961 eröffneten sie im hinteren Teil zur Goldstraße die Gaststätte „Ratsklause“. Als das Ehepaar 1967 in den Ruhestand ging, wurden die Räumlichkeiten an die „Neue Gaststätten GmbH, kurz „Neuga“ verpachtet. Das Tanzlokal, das am 26. März 1967 eröffnete, bekam den Namen „Old Daddy“.

Der Halterner Uli Backmann (l.) trat damals mit einer Band im Old Daddy auf. © Archiv Backmann
Dieter Böhmer, Sohn der damaligen Eigentümer, hat diese und weitere Erinnerungen in einem Artikel für das Halterner Jahrbuch 2018 festgehalten. Anfangs, so heißt es in seinem Bericht, sei das Lokal sehr gut und auch seriös gelaufen. „Eine Reihe von Stars gastierten hier, der bekannteste darunter war wohl Howard Carpendale.“
Immer wieder Ärger
Als nächster Pächter der Diskothek sei zum 1. Juni 1969 Werner Ortmann gefolgt, der das „Daddy“ bis zum Sommer 1974 führte. Er soll nach Informationen unserer Zeitung heute in Australien leben und im vergangenen Jahr noch zu einem Heimatbesuch in Haltern gewesen sein.
Nach ihm übernahm der mittlerweile verstorbene und jahrelange Daddy-Chef Edgar Engel die Regie. Mit den Jahren wurde die Disco zunehmend als großer Drogenumschlagsplatz zwischen Ruhrgebiet und Münsterland bekannt. Bei Nachbarn, Stadt und Justiz sorgte das Daddy immer wieder für großen Ärger. Zeitweilig wurde der Betrieb sogar geschlossen.
1987 endete schließlich die Daddy-Ära an der Goldstraße. Edgar Engel eröffnete die Diskothek unter dem gleichen Namen in einem Gebäude an der Recklinghäuser Straße. Dieter Böhmer schreibt in seinem Bericht dazu: „Seitdem stand die Lokalität in der Goldstraße leer. Bewerbungen gab es einige. Möglicherweise aus Angst vor Konkurrenz zahlte Engel jedoch noch einige Jahre Pachtgebühren.“
Im September 1992 erwarb die Stadt das Gebäude. Doch weil sich der Rat über eine neue Nutzung nicht einigen konnte, wurde das geschichtsträchtige Haus 2001 abgerissen und die Ära „Old Daddy“ ging an der Recklinghäuser Straße weiter.
1982 in Haltern geboren. Nach Stationen beim NRW-Lokalfunk, beim Regionalfernsehen und bei der BILD-Zeitung Westfalen 2010 das Studium im Bereich Journalismus & PR an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen erfolgreich beendet. Sportlich eher schwarz-gelb als blau-weiß orientiert. Waschechter Lokalpatriot und leidenschaftlicher Angler. Motto: Eine demokratische Öffentlichkeit braucht guten Journalismus.
