Die Quarzwerke mit dem Siebturm

© Ingrid Wielens

Quarzwerke in Haltern, Ukraine und Russland: Produktion steht teilweise still

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Deutsche Unternehmen mit Engagement in Osteuropa tragen derzeit mitunter große Verantwortung. Die Quarzwerke mit einem Standort in Haltern sorgen sich gerade sehr um Mitarbeiter in der Ukraine.

Haltern

, 23.03.2022, 17:45 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Krieg in der Ukraine stellt die heimische Wirtschaft vor besondere Herausforderungen. Diese betreffen nicht nur Produktions- und Lieferketten oder die Energiekosten, sondern auch die soziale Verantwortung in einem globalen Markt. Bestes Beispiel für diese Situation ist die Quarzwerke-Gruppe, die neben einem Standort in Haltern aus der Vorkriegszeit mit heute zwei Grubenfeldern in Sythen und in Flaesheim weitere Betriebsstätten in ganz Europa unterhält.

Darunter sind drei Standorte in der Ukraine und vier in Russland. Auf Anfrage nahm das Unternehmen jetzt ausführlich zur Lage seiner Betriebe in der Ukraine Stellung und beantwortete auch einige wesentliche Fragen zu seinen Standorten in Russland. Die Unternehmensleitung äußerte sich auch deutlich zu ihrer Haltung gegenüber dem aktuellen Kriegsgeschehen und teilte mit: „Wir verurteilen die Invasion in der Ukraine.“

Mitarbeiter und Familien nach Deutschland geholt

In der Ukraine beschäftigen die Quarzwerke 460 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Höchste Priorität habe derzeit die Sicherheit und Versorgung der Mitarbeiter und ihrer Familien. „Wir haben allen unseren ukrainischen Mitarbeitern angeboten, sie und ihre Familien bei der Ausreise nach Deutschland oder Bulgarien zu unterstützen. 28 Frauen und Kinder konnten wir bisher in Sicherheit bringen. 20 davon sind zurzeit in Ruse/Bulgarien. Acht fanden Zuflucht in Hirschau/Schnaittenbach“, erklärt Quarzwerke-Sprecherin Britta Franzheim.

Dieses von Maxar Technologies zur Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt brennende Gebäude im Bezirk Livoberezhnyi, Mariupol, Ukraine.

Dieses von Maxar Technologies zur Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt brennende Gebäude im Bezirk Livoberezhnyi, Mariupol, Ukraine. © picture alliance/dpa/Maxar Technologies/AP

Zwar möchten alle geflüchteten Kolleginnen und Kollegen so schnell wie möglich wieder nach Hause. In der Zwischenzeit werde von den Quarzwerken aber alles in die Wege geleitet, um die Gäste bei ihrer Integration zu unterstützen. Hierzu gehöre auch, dass die rechtliche und faktische Basis geschaffen werde, damit sie zeitnah bei den Quarzwerken in Deutschland arbeiten können und die mitgereisten Kinder in die Schule gehen können.

Unter den Geflüchteten seien zwei hochschwangere Frauen, „sodass wir im Laufe des April Zuwachs erwarten. Ein Lichtblick in dieser schwierigen Zeit“, so Britta Franzheim. Die Ukrainer seien zurzeit in Wohnungen und Hotels untergebracht. Die Hilfsangebote aus dem Kreis der Quarzwerke-Mitarbeiter seien sehr bewegend. Viele private Unterkunftsangebote ständen bereit.

80 Männer sind zum Militärdienst eingezogen

„Der überwiegende Teil unserer ukrainischen Mitarbeiter ist hingegen vor Ort geblieben. 80 Männer sind zum Militärdienst eingezogen worden oder wurden bereits gemustert“, teilen die Quarzwerke außerdem mit. Um die Sicherheit vor Ort zu erhöhen und die Versorgung sicherzustellen, seien alte Schutzräume wieder in Betrieb genommen worden. Zudem versuche man auf unterschiedliche Weise, haltbare Lebensmittel zu beschaffen und eine Versorgung mit dem Nötigsten sicherzustellen. „Die meisten Mitarbeiter sind zurzeit bei ihren Familien. Die Löhne werden weiterhin bezahlt“, berichtet Britta Franzheim.

Ein ukrainischer Feuerwehrmann geht während der Löscharbeiten durch ein nach russischen Angriffen zerstörtes Haus.

Ein ukrainischer Feuerwehrmann geht während der Löscharbeiten durch ein nach russischen Angriffen zerstörtes Haus. © picture alliance/dpa/AP

Die Betriebe hätten bereits in der letzten Februarwoche ihre Produktion einstellen müssen. Die Lage in den Betrieben selbst sei ruhig, wobei ein Kernteam an den Standorten durch Löschübungen den Ernstfall probe.

Die Belieferung der Quarzwerke-Kunden aus der Ukraine sei zurzeit nicht mehr möglich. „Wir versuchen alles in unserer Macht Stehende, um einen Großteil unserer internationalen Kunden aus unseren Werken in Hirschau/Schnaittenbach und Caminau oder aus Bulgarien zu versorgen – keine leichte Aufgabe, denn der Beitrag unserer ukrainischen Betriebe insbesondere zur Belieferung unserer Kunden mit Kaolin ist für unsere Gruppe erheblich“, informiert das Unternehmen über die aktuellen Probleme.

Grenzüberschreitender Betrieb in Russland ist vorerst eingestellt

Die russischen Betriebe hätten alle grenzüberschreitenden Funktionen eingestellt. „Import und Export von Produkten und Dienstleistungen finden nicht mehr statt. Die Embargo-Richtlinien werden minutiös eingehalten“, beschreibt das Unternehmen die Lage in Russland. Diese sei für die russischen Mitarbeiter nicht einfach. „Gleichsam gilt unsere Fürsorge auch ihnen“, betonen die Quarzwerke.

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Auswirkungen des Krieges seien auch in Deutschland und ganz Europa zu spüren. Der Gaspreis habe zum Beispiel an den Spot-Märkten zeitweise versechsfacht, der Strompreis fast verdoppelt. Energieintensive Branchen, wie die Glas-, die keramische und die Gießerei-Industrie, hätten zum Teil große Probleme. „Sind die Einkaufspreise nicht gesichert, können die Energiekosten allein zurzeit die Verkaufspreise übersteigen“, erklärt Britta Franzheim.

Kunden haben Probleme mit den hohen Energiepreisen

Glücklicherweise hätten viele Quarzwerke-Kunden ihre Energiebeschaffung abgesichert, sodass bisher nur die Spitze des Eisbergs sichtbar sei. Erste Ankündigungen von Betriebsschließungen großer Kunden hätten die Quarzwerke jedoch bereits erreicht.

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Das deutsche Team der Quarzwerke sei sehr bestürzt. „Wir, die wir seit dem Fall der Mauer 1989 voller Einsatz und mit großem Enthusiasmus unseren Teil zur Entwicklung in Osteuropa beigetragen haben, wünschen uns nichts sehnlicher als eine Lösung am Verhandlungstisch und Frieden in der Ukraine“, beschreibt Britta Franzheim die Gemütslage. Das Unternehmen werde dann seinen „Beitrag zum Wiederaufbau dieses wunderbaren Landes leisten“.