
© Werner von Braunschweig
Prozess nach brutalem Überfall auf Pater James in St. Sixtus: Angeklagtes Trio schweigt
Landgericht Bochum
Ein Jahr nach dem brutalen Überfall auf Pater James von St. Sixtus Haltern stehen drei mutmaßliche Mitglieder der sogenannten „Pfarrhaus-Bande“ vor Gericht. Zum Auftakt herrschte Schweigen.
Herzlos, gewissenlos und teilweise unheimlich brutal: Vor dem Bochumer Landgericht hat am Mittwoch der Prozess um eine Serie von Einbrüchen und Raubüberfällen in Pfarrhäusern begonnen.
Angeklagt sind zwei Männer (28/44) und eine Frau (47), die zwischen September 2017 und August 2018 mehr als 30 Einbrüche verübt haben sollen. Der wohl dramatischste Fall passierte laut Anklage am 4. Februar 2018 im Pfarrhaus von St. Sixtus am Markt in Haltern.
Pater James mit Schraubendreher attackiert
Die Staatsanwaltschaft geht in der Anklage von folgendem Tatgeschehen aus: Gegen 11.45 Uhr klingelte die angeklagte Frau an der Tür des Pfarrhauses, um festzustellen, ob sich dort jemand aufhielt. Anschließend sollen sich der 44-jährige Angeklagte und drei unbekannte Bandenmitglieder an die Rückseite des zum Wohnhaus für zwei Pater umgebauten Pfarrhauses begeben, dort eingebrochen sein und dann die Büros sowie weitere Räume durchwühlt haben.
Als Pater James gegen 12.35 Uhr nach Hause zurückkehrte und die vier Einbrecher entdeckte, überschlugen sich die Ereignisse – und mündeten in einem brutalen Verbrechen. Pater James soll laut Anklage erst mehrfach mit einem Schraubendreher ins Gesicht geschlagen worden sein.
Kellerschlüssel in der Toilette versenkt
Dann sollen die Täter den völlig verängstigten Seelsorger auf einen Stuhl gesetzt, ihm mit einem Schal die Augen verbunden und immer wieder zur Herausgabe des Tresorschlüssels gezwungen haben. Später sollen sie den Seelsorger mit verbundenen Augen in den Heizungskeller gebracht, und ihm mit abgetrennten Kabeln von einem Bügeleisen und Kühlschränken die Hände und Füße zusammen gebunden haben.
Danach wurde der Pater mit seiner Jacke über den Kopf gefesselt und in dem Heizungskeller eingesperrt. Den Schlüssel sollen die Täter in die Toilette geworfen und dann ihre Suche nach Diebesgut fortgesetzt haben. Mit einer Beute von 330 Euro Bargeld und weiteren ausländischen Devisen soll das angeklagte Trio später vom Tatort geflüchtet sein.

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Pater James, der laut Anklage die ganze Zeit über Todesängste hatte, war es anschließend gelungen, durch einen Kellerschacht um Hilfe zu rufen. Durch die Schläge gegen seinen Kopf soll der Seelsorger unter anderem eine große blutende Schürfwunde am Kopf erlitten haben. Außerdem wurde seine Brille zerstört. Durch den Einbruch im Pfarrhaus von St. Sixtus entstand laut Staatsanwaltschaft ein Sachschaden von mehr als 3000 Euro.
Den zwei Männern und einer Frau werden 32 Einbrüche und Raubüberfälle in Haltern, Recklinghausen, Datteln und Umgebung zur Last gelegt. Bei ihren Beutezügen sollen sie sich neben Einfamilienhäusern, insbesondere bewohnt von älteren Damen, vor allem auf Pfarrhäuser und Gemeindebüros in kleineren Gemeinden in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen spezialisiert haben.
Sogar Tauf- und Sterberegister gehörten zur Beute
Seit Ende 2017 sollen die Täter meistens sonntags in Pfarrheime und Gemeindebüros eingebrochen sein, während die jeweiligen Pfarrer gerade die Gottesdienste feierten. Auch in Dortmund sollen die Täter einen Geistlichen niedergeschlagen haben. Die Beute des Trios soll insgesamt weit über 100.000 Euro betragen haben. In Datteln sollen die Täter im Pfarrbüro der St. Amandus Gemeinde unter anderem auch das Taufregister ab 1992, das Eheregister und das Sterberegister ab 2010 mitgehen lassen haben – außerdem das Siegel des Kirchenvorstandes.
Die Polizei war der sogenannten „Pfarrhaus-Bande“ nach einem Zeugenhinweis auf die Spur gekommen. Nach ihrer Festnahme Mitte August 2018 war bei den Durchsuchungen ihrer Wohnungen in Gelsenkirchen mögliches Diebesgut gefunden worden, unter anderem Uhren und Schmuck mit christlichen Symbolen.
Weil die Angeklagten zum Prozessauftakt weder etwas zu ihren Lebensläufen noch zu den Vorwürfen sagen wollen, stellen sich die Richter der 7. Strafkammer auf eine lange und aufwendige Verhandlung ein. "Wir werden nun in den nächsten Wochen im Wesentlichen die Geschädigten vernehmen", blickte Richter Josef Große Feldhaus voraus. Für den Prozess sind derzeit 32 weitere Verhandlungstage bis zum 26. September 2019 anberaumt.