Aus heimischem Eschen-Holz und bayerischem Lindenholz schnitzte Holzbildhauer Ernst Franz eine zwei Meter hohe Christus-Figur und ein gut vier Meter hohes Kreuz. Seine Werkstatt war der Platz vor der Sixtus-Kirche. Unter freiem Himmel gab er einem grobem Klotz Tag für Tag immer mehr Konturen, am Abend des Gründonnerstag war der Unterammergauer Künstler fertig. Aber auch nervös.
Wie kommt ein 300 Kilogramm schweres Kunstwerk in die Kirche und wie kann es für Karfreitag im Altarraum gebettet werden, damit jeder es begreifen kann?
Wie gut, dass es Küster Albert David gibt, der Künstlergehilfe mit den praktischen Ideen. „A bisserl a Herausforderung“ hat Ernst Franz ihm schon zugemutet. Aber eigentlich hat er sich selbst viel mehr zugemutet. Innerhalb von sieben Tagen ein Kreuz zu schnitzen, das war eine Herkulesaufgabe. Hätte er nicht schon zu Hause in seiner Werkstatt die Arme geschnitzt, hätte er das Zeitfenster um drei Tage länger öffnen müssen. Aber Ernst Franz ist fertig.

Das Osterkreuz ist große Kunst geworden. Es ist grob geschnitzt, dadurch stecke noch viel Kraft im Holz, sagt Ernst Franz. Er hat die Christus-Figur und das Gabelkreuz lediglich zart mit einer Lasur überzogen. So geht von der Ausdruckskraft nichts verloren.

Viele Halterner und Gäste der Stadt haben den Künstler an seiner Wirkungsstätte vor der Kirche besucht, haben das Holz berührt, haben auf Einladung ein wenig geschnitzt und vor allem gestaunt. „Die, die am Schaffensprozess beteiligt waren, sind eine ganz eigene Beziehung zum Kreuz eingegangen“, sagt Pfarrer Michael Ostholthoff.
Er selbst auch. Michael Ostholthoff schnitzte die Tafel mit den Initialen INRI (das sind die Anfangsbuchstaben des lateinischen Satzes Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum – „Jesus von Nazareth, König der Juden“). So hat das Gabelkreuz eine außergewöhnliche Bedeutung für ihn gewonnen, aber insgesamt auch für die Gemeinde.
„Es ist ein Christus zum Anfassen. Er ist mitten unter uns und ich darf ihn berühren“, das ist, findet Michael Ostholthoff, eine wichtige Osterbotschaft. Die Atmosphäre an den vergangenen Tagen auf dem Marktplatz habe ihn berührt. Die Kinder und Erwachsenen hätten oft in Stille und mit Ehrfurcht den Künstler bei seiner Arbeit beobachtet. „Seine Kunst erzeugt diese andächtige Atmosphäre“, sagt Michael Ostholthoff.

In Haltern habe er schöne, freudige Eindrücke gesammelt, sagt der sehr sympathische Holzbildhauer. Gewöhnlich arbeitet er allein in seiner Werkstatt. In Haltern dagegen war er immer umgeben von begeisterten Menschen: „Die Welt ist zu mir gekommen.“ Das hat Ernst Franz sehr gefallen. Auch, dass er mit seiner Arbeit, in dessen Poren große Leidenschaft und große Emotionen stecken, den Glauben weitergeben kann.
Ausstellung in Murnau
Ernst Franz ist ein Auftragskünstler. Er lebt von seiner Kunst, meistens sind es sakrale Werke, die bei ihm in Unterammergau entstehen. Gern schnitzt er auch moderne Kunst, aber davon könne er nicht leben, sagt er. Für September bereitet er als Mitglied des Künstlerbundes eine Ausstellung in Murnau vor: „Max Ernst und Ernst Franz“ heißt sie. Max Ernst war ein bedeutender, dem Surrealismus zugeordneter Maler und Bildhauer. Darauf freut er sich.
Gerade wird sein Corona-Christus in Pradalunga/Italien gezeigt: Für die Dornenkrone, hergestellt aus Pappmaché, überlegte sich Ernst Franz etwas Spezielles. Er sammelte aktuelle Zeitungsausschnitte über die Pandemie und arbeitete diese ein.
Das fertige Halterner Osterkreuz, dass von der Pfarrei und durch Spenden finanziert wird, liegt am Karfreitag im Altarraum auf der Erde, damit jeder es berühren kann. Am Samstag wird es hoch über dem Altar aufgehängt und von dort seine Wirkungskraft vollends entfalten. Eine Fotoausstellung in der Sixtus-Kirche dokumentiert des Künstlers Arbeit von der Entstehung bis zur Fertigstellung.

Eigentlich, sagt Küster Albert David, kann man Ostern mit der frohen Botschaft von Auferstehung und ewiges Leben nicht verbessern. Gläubige Christen werden ihm zustimmen. Aber der Jubelruf „Halleluja“ dürfte in St. Sixtus Ostern 2025 lauter klingen als sonst.