Halterner ließen Späne auf dem Markt fliegen Komplimente für bayerischen Holzbildhauer

Späne flogen auf dem Markt: Komplimente für bayerischen Holzbildhauer
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Ernst Franz hat seine Künstlerwerkstatt in Unterammergau vorübergehend gegen ein Freiluft-Atelier in Haltern getauscht. Am 11. April ließ er sich von Franz Bennemann eine 400 Kilogramm schwere Linde zum Marktplatz bringen, seither fliegen die Späne. Das Holz bearbeitet er nun mit Schnitzschwert, Schnitzeisen und Klüpfel. Denn Ernst Franz hat einen Auftrag.

Für die Sixtus-Pfarrei schnitzt er zu Ostern ein 4,50 Meter großes Gabelkreuz mit einer Christus-Figur. Am Karfreitag wird es in die Kirche geholt und Teil der Liturgie sein.

Vorher sollen die Menschen im Be-greifen, wie Pfarrer Michael Ostholthoff sagt, die Botschaft von Ostern spüren. Und sie sollen Spuren hinterlassen: Nach dem Gottesdienst am Palmsonntag bat Künstler Ernst Franz sowohl die Kinder wie auch die Erwachsenen, Schnitzeisen und Klüpfel in die Hand zu nehmen und dem Corpus eine persönliche Note „aufzudrücken“.

Michael Ostholthoff mit Ernst Franz.
Pfarrer Michael Ostholthoff holte Ernst Franz nach Haltern. Sie kennen sich aus Münster, dort hat der Unterammergauer Holzbildhauer schon drei Mal mit seiner Kunst große Beachtung gefunden. Ernst Franz ist Holzbildhauer seit er die Schule verlassen hat. „Also schon immer!“ © Elisabeth Schrief

Gottesdienstbesucher fassen zunächst zaghaft das weiche Holz an. Sie staunen, wie schön das Gesicht innerhalb von nur einem Tag herausgearbeitet ist. „Einmalig, einmalig!“, die Komplimente kommen von allen Seiten.

Sigrid Meusener ist von dem Oster-Projekt sehr angetan: „Die Idee, den Künstler dafür nach Haltern einzuladen, ist super. Es ist faszinierend, so hautnah die Entstehung des Kreuzes mitverfolgen zu können.“

Bewundernde Worte

Immer wieder fallen Worte der Bewunderung - und dann auch Späne. Denn nach anfänglichem Zögern trauen sich doch Gottesdienstbesucher, am Corpus zu schnitzen. Hanne Kortenkamp greift zum Handwerkszeug, auch Familien oder Ida (9) und Philipp (8) schnitzen am Lendentuch der zwei Meter großen Christus-Figur.

Vater schnitzt mit seinen Kindern.
Nach dem Palmsonntag-Gottesdienst waren die Besucherinnen und Besucher eingeladen, an der Christus-Figur zu schnitzen. Auch Familie Schulte-Mecklenbeck traute sich und hinterließ persönliche Spuren. © Elisabeth Schrief

Bei seiner Arbeit seit Freitagmittag bekommt der Holzbildhauer immer wieder Besuch. „Es ist eine tolle Idee, in einem öffentlichen Raum ein Gabelkreuz zu gestalten“, stand Hermann Döbber bewundernd beim Künstler. Man müsse schon ein gutes Vorstellungsvermögen haben, um ein solches dreidimensionales Bildwerk erschaffen zu können, sagt er, der in seinem Leben immer mit Holz zu tun hatte.

Christus-Kopf aus Holz
So sieht der Kopf der Christus-Figur aktuell aus. Bis Dienstag soll der Corpus fertig sein, dann muss Ernst Franz noch das Gabelkreuz erstellen. © Elisabeth Schrief

Einige der Zaungäste nehmen Holzsplitter mit. Ein kleiner Junge fragt, ob der Künstler das auch signieren würde. Natürlich! „Jetzt habe ich mein erstes Autogramm gegeben“, lächelt Ernst Franz.

„Ein schöner Auftrag“

Holzbildhauer gibt es nicht mehr viele, sagt der 63-Jährige. In der Ausbildung sind aktuell 15 junge Leute aus ganz Deutschland, nur wenige machen als selbstständige Schnitzer weiter. Es ist inzwischen schwierig, davon den Lebensunterhalt zu bestreiten. Ernst Franz kann das, er hat genügend Aufträge. Zeit für Haltern hatte er eigentlich keine, „aber es ist ein so schöner Auftrag, den kriegt man nicht alle Tage“, sagt er im Gespräch mit der Redaktion. Seine gute Verbindung zu Pfarrer Michael Ostholthoff spielte für ihn eine entscheidende Rolle, die besondere Herausforderung anzunehmen.

Holzbildhauer arbeitet an seinem Werk.
Konzentriert setzt Ernst Franz das Schnitzschwert (so heißt die kleine Motorsäge) an und arbeitet die Konturen der Christus-Figur heraus. Der Corpus ist zwei Meter groß. © Elisabeth Schrief

In der Jugendkirche „Effata“ in Münster sind die beiden sich zum ersten Mal begegnet. Als späterer Pfarrer von St. Sixtus war Michael Ostholthoff lange mit der Idee unterwegs, Ernst Franz nach Haltern zu holen. Er ist angekommen nach über sieben Stunden Fahrtzeit und hat sich ans Werk gemacht.

Zuschauer erwünscht

Der kommunikative und herzliche Bayer freut sich über jeden, der sich eine Weile zu ihm gesellt und dem Werden des Kunstwerks zuschaut. Bis Karfreitag wird er mit seiner Arbeit fertig sein. „Im Grunde ist dieses Schnitzen und auch das Betrachten schon ein Weg hin zu Ostern“, sagt Michael Ostholthoff. „Es ist im Grunde schon Gottesdienst.“

Hanne Kortenkamp schnitzt an der Christus-Figur.
Hanne Kortenkamp traut sich: Sie nimmt Schnitzeisen und Klüpfel in die Hand und schnitzt am Lendenschutz der Christus-Figur. Der Künstler staunte über ihre Fertigkeiten. © Elisabeth Schrief

Was denn mit dem Kreuz nach Ostern passiere, wollen alle wissen. „Alles ist möglich“, entgegnet Pfarrer Ostholthoff. Die Entscheidung ist offen und hängt von der Akzeptanz der Gemeinde ab. Aber es bleibt in Haltern.

Der Holzbildhauer verlässt Haltern am Karsamstag. Dann fährt er zurück in sein kleines Dorf und in das Bauernhaus, das es schon seit 1630 gibt. „Meine Heimat ist schön“, sagt er, „wir können auf die Höhe gehen und herunter schauen.“ Im flachen Münsterland sieht er diese Möglichkeiten nicht. „Aber hier gibt es schöne Höfe und vor allem sehr freundliche Menschen.“

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