
© Jürgen Patzke
Perfekt „intrigiert“: Liza Kos gewinnt den Kiep 2020
Viele Fotos
Das Coronavirus hat auch die Preisverleihung des Kiep erreicht. Zumindest thematisch. Gewinnerin Liza Kos machte sich daraus aber nichts. Das gefiel Publikum und Jury gleichermaßen.
Schlangen vor der Herrentoilette der Seestadthalle, wo am Wochenende der Halterner Kiep verliehen wurde. Die Damen nebenan, denen so etwas nicht neu ist, witzeln: „Das dauert jetzt länger. Die waschen sich plötzlich alle die Hände und singen dreifach Happy Birthday.“ Das Coronavirus ist - zumindest was den Humor angeht - in Haltern angekommen. Nicht nur beim Publikum.

In gewohnt herausragender Manier führten die Büllemänner durch das Programm. © Jürgen Patzke
Auch Heinz Weißenberg und Augustin Upmann, besser bekannt als Duo „Bullemänner“ aus der Suchtruper Geländedepression, die den Kiep bereits seit seiner Geburt 1996 als Moderatoren begleiten, legen gleich zu Beginn vor vollem Haus die wichtigste Verhaltensregel fest: „Große Menschenansammlungen meiden.“
Das war der Kiep 2020
Dann palavern die beiden ausgiebig über alles, was neben Corona sonst noch Muffe macht - natürlich gerne auch mit Lokalkolorit aus Lavesum: Trump, Putin, Erdogan, Thüringen, Vorsorge bei Dr. Pennekamp, Brexit... „Lieber tot im Graben liegen als noch länger in der EU zu bleiben, wie Boris Johnson sagt? Das haben die hier in Haltern jedes Jahr beim Schützenfest.“
Von Mogelpackungen und Paprika-Koalitionen
Damit ist alles gesagt und die Messlatte hochgelegt. Doch Benjamin Eisenberg aus Bottrop kontert geschickt mit seinen politischen „Pointen aus Stahl“. Für die muss der US-Präsident ebenso herhalten („Acht Lügen pro Tag, seit er im Amt ist. Wie Pinocchio. Nur der durfte am Ende ein Mensch werden. Trump bleibt für immer ein Holzkopp.“) wie die Ampelkoalition („Die sollte besser Paprika-Koalition heißen, wie bei Aldi aus dem Dreierpack. Kaum mixt man drei Farben, hat man den Salat.“) oder die Mogelpackung Klimapaket („Verbieten die Grünen jetzt auch Kondome? Sind ja auch Plastiktüten.).
Das war der Kiep 2020 - Teil 2
Und während Eisenberg die deutsche Milchkuh zum natürlichen Feind des Eisbären erklärt, weil sie „das Klima kaputt furzt“, beschäftigt sich Inka Meyer, die Zweite im Wettbewerbsreigen, in „Der Teufel trägt Parka“ etwas weniger tief greifend mit Modesünden und falschen Werbeversprechen. Hätten Sie gewusst, dass die meisten Damen mit entzündetem Halux valgus eher ihren Orthopäden wechseln als ihre High Heels?
„Wir sind immer noch heiß“
Oder dass man sich heute, statt sich wie früher gegenseitig Ringe anzustecken, lieber Jack Wolfskin-Jacken im Partnerlook bestellt? Warum werben Modezeitschriften im Editorial mit Abnehmtricks und drucken in ihrer Beilage Tortenrezepte ab? Und was ist so schlimm daran, auf die 50 zuzugehen, solange man nicht aus der falschen Richtung kommt? Meyer: „Gegen die Zeit gibt es kein Mittel, aber egal. Wir sind immer noch heiß. Es kommt jetzt nur in Wellen.“
Das war der Kiep 2020 - Teil 3
Übrigens: Ebenso wenig wie Collagenampullen benötigt man Internetrankings, Smarthomekompatibilität oder große Phallusschauen auf Schützenfesten, wie Matthias Ningel als letzter Wettbewerber am Klavier wortreich feststellt. Hat er doch in seinem dritten Programm „Künstler - kann man davon leben?“ über den Sinn und Unsinn des Lebens sinniert. Leider mit etwas zu viel Wortakrobatik, Urin und Erbrochenem, wie mancher Besucher es zu später Stunde nach diesem Kabarett-Marathon empfand.
Türkin, Russin, Deutsche
Eindeutig am besten gemacht hat es Liza Kos, wie Publikum und Jury gleichermaßen befanden.
Die Kiep-Gewinnerin, die aus Russland immigriert ist, hat sich perfekt in Deutschland „intrigiert“ - nachdem sie zum Islam konvertierte, sich von einem Türken schwängern ließ und dann in einen Aachener Karnevalsverein eintrat. „Türkin, Russin, Deutsche - wer bin ich und wenn ja wie voll?“ Egal. Hauptsache, Corona erreicht nicht die Jecken.

Auch das Publikum entscheid sich mehrheitlich für Kabarettistin Lisa Kos. © Juergen Patzke
Apropos: Was machen wir eigentlich, wenn Corona vorbei ist, fragen die Bullemänner. „Dann stehste im Keller zwischen Dosen von Heringshappen. Und die werden dann beim nächsten Kiep aufgetischt.“
Zugezogen aus dem hohe Norden und geblieben – schon während des Journalistik-Studiums in Dortmund in die Schönheit des Ruhrgebiets ebenso verliebt wie in den Vater der gemeinsame kleinen Tochter. Deshalb: Nie wieder weg hier. Seit über 20 Jahren inzwischen freiberuflich für das Medienhaus Bauer und die Ruhr Nachrichten unterwegs – vor allem in Sachen Freizeit, Kultur und Gesundheit. Wichtiges Anliegen: Medizinische Themen gut und verständlich zu erklären.