Paul Weidekamp ist der ‚Denis Scheck von Haltern‘ „Bücher sind meine Lebensgefährtinnen“

Paul Weidekamp: „Bücher sind meine Lebensgefährtinnen“
Lesezeit

Paul Weidekamp aus Sythen ist ein Vielleser: „Ich brauche immer ein Buch an meiner Seite und eins, das ich als nächstes lesen will, sonst fühle ich mich nackt“, sagt er. „Bücher sind meine Lebensgefährtinnen.“ Und das ist schon seit seiner Jugend so. Wie viele Bücher er insgesamt gelesen hat, kann man nicht mal schätzen.

Eine Initialzündung waren seine Theaterbesuche mit seinen Eltern. „Nachdem ich 12 war, haben sie mich häufig in Münster mit ins Theater genommen“, sagt er. „Als erstes haben wir Stücke von Gerhard Hauptmann gesehen, ich glaube es war ein Hauptmann Festival damals in Münster. Es wurden Stücke wie „Der zerbrochene Krug“ oder „Die Weber“ gezeigt. Das war 1964.“

Der heute 72-Jährige beließ es nicht bei den Theaterbesuchen, er las weitere Bücher von Gerhard Hauptmann. „Die hatte mein Vater im Regal. Ich war davon total fasziniert und mich hat danach das Lesen nie mehr losgelassen. Es ist dieses Abtauchen in andere Welten, das das Lesen für mich so spannend macht.“

„Kleine Pikanterien“

In den nächsten Jahren verlagerte sich sein Interesse auf französische Autoren. „Ich habe Flaubert gelesen, Zola und andere“, erinnert sich Paul Weidekamp. Warum französische Schriftsteller? „Wegen der kleinen Pikanterien“, sagt Paul Weidekamp und schmunzelt. „Wir Jungs mit 13, 14 waren doch alle auf der Suche. Und die französischen Autoren waren da in einigen Punkten freizügiger als andere.“

Inzwischen hat sich Paul Weidekamp quer durch die Weltliteratur gelesen: die russischen Klassiker, die lateinamerikanischen Autoren. Heute sind es häufig US-amerikanische Autorinnen und Autoren, die ihn begeistern. „Ich lese so in etwa sechs Bücher im Monat.“ Damit erreicht er zwar noch nicht das Pensum des bekannten Literaturkritikers Denis Scheck, aber weit entfernt ist er wahrscheinlich nicht davon.

Caritasverband Münster

Surrealistische Kunst, Klavierspielen: Paul Weidekamp war und ist vielfältig kulturell aktiv und interessiert. Im Hauptberuf machte er aber etwas ganz anderes. „Ich habe 37 Jahre beim Caritasverband Münster in einer teilstationären Einrichtung für Jugendliche mit psychosomatischen Erkrankungen gearbeitet. 20 Jahre lang war ich deren Leiter.“ Seit 2014 lebt er mit seiner Frau in Sythen. Hier bestückt er regelmäßig den Bücherschrank und gibt inzwischen auch regelmäßig Lesetipps.

Paul Weidekamp, bestückt regelmäßig den Bücherschrank in Sythen.
Paul Weidekamp, bestückt regelmäßig den Bücherschrank in Sythen. © Jürgen Wolter (Archiv)

Auch für Weihnachten 2024 hat Paul Weidekamp wieder drei Tipps auf Lager: Er empfiehlt zunächst Gaea Schroeters Roman „Trophäe“. Der Jäger Hunter White jagt jeder Trophäe nach, die er erlegen kann. Nur eine fehlt ihm noch: einen Menschen zu töten. „Fesselnd und überraschend bis zur letzten Zeile“, findet Paul Weidekamp. Zzolnay Verlag, 256 Seiten, 24 Euro.

Der zweite Lesetipp: Miranda July „Auf allen Vieren“. Die 45-jährige, namenlose Ich-Erzählerin stürzt sich Hals über Kopf in eine Affäre. „Das Buch enthält viele kluge Gedanken über das Leben und das Älterwerden, aber es ist auch ein Manifest und eine Feier weiblicher bzw. menschlicher Lust“, findet Paul Weidekamp. Die New York Times zählt das Buch aktuell zu den zehn besten Büchern des Jahres. Verlag Kiepenheuer und Witsch, 416 Seiten 25 Euro.

Der dritte Tipp: Jan Weiler, „Munk“. Peter Munk, der mit 51 Jahren einen Herzinfarkt erleidet, blickt in der Reha auf die 13 Frauen zurück, die in seinem Leben eine Rolle spielten. „13 Portraits, 13 gescheiterte Lieben“, so charakterisiert Paul Weidekamp das Buch. „Nachdenklich und mit feinem Humor erzählt. Und am Ende gibt es eine überraschende Wendung.“ Heyne Verlag, 380 Seiten, 24 Euro.