Kostenloses Parken am Pastors Kamp wird nicht mehr möglich sein, wenn hier - zwischen Bahnhof und Innenstadt - gebaut wird. Studenten entwickelten überraschende Ideen für diese Brachfläche.

Haltern

, 22.05.2019, 11:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Jens Hoppstädter aus Neuss hat das Gebiet Pastors Kamp von allen Seiten betrachtet. Er hat den Lärm wahrgenommen, aber insgesamt findet er, dass Haltern diese Top-Lage mit Anbindung an alle wichtigen überregionalen Verkehrsachsen für eine Weiterentwicklung der Innenstadt nutzen sollte.

Jens Hoppstädter (24) und 14 weitere Studenten der Technischen Universität Dortmund, Fachrichtung Raumplanung, entwickelten im Rahmen ihrer Master-Arbeiten Ideen für das knapp drei Hektar große Areal zwischen Bahnhof und Innenstadt. Sie teilten sich dazu in vier Gruppen auf. Betreuerin war Halterns Baudezernentin Dr. Andrea Rüdiger als Dozentin an der TU Dortmund.

15 Studenten der TU Dortmund schrieben ihre Masterarbeiten zum Thema Urbanes Bauen an Pastors Kamp. Einige von ihnen stellten die Ideen im Rathaus vor. Mentorin war Baudezernentin Dr. Andrea Rüdiger.

15 Studenten der TU Dortmund schrieben ihre Masterarbeiten zum Thema Urbanes Bauen an Pastors Kamp. Einige von ihnen stellten die Ideen im Rathaus vor. Mentorin war Baudezernentin Dr. Andrea Rüdiger. © Elisabeth Schrief

Warum suchten sie sich ausgerechnet Haltern aus? Weil Haltern als eine der ersten Städte Deutschlands die neue Baukategorie „Urbanes Gebiet“ realisieren möchte. Urbanes Bauen erlaubt Flexibilität, geringere Abstände zwischen den Häusern, gestattet höhere Lärmimmissionswerte sowie ein Nebeneinander von Gewerbe und Wohnen.

Andrea Rüdiger bezeichnet Pastors Kamp als „besonders knifflig“: Das von drei Seiten durch Bahnlinie und Bundesstraße umschlossene Gebiet ist hohem Lärm - über 75 Dezibel - ausgesetzt und die Erschließung kann nur über die schmale Bahnhofstraße erfolgen. Außerdem liegt in diesem Gebiet ein Hauptsammler für Schmutzwasser, er darf nicht überbaut werden.

Pastors Kamp ist ein Gebiet in Toplage, aber künftige Bewohner vor Lärm zu schützen, ist eine besondere Herausforderung. 20.000 Fahrzeuge passieren täglich den Recklinghäuser Damm (im Vordergrund).

Pastors Kamp ist ein Gebiet in Toplage, aber künftige Bewohner vor Lärm zu schützen, ist eine besondere Herausforderung. 20.000 Fahrzeuge passieren täglich den Recklinghäuser Damm (im Vordergrund). © Guido Bludau

Trotz dieser Einschränkungen sehen die Studenten hier attraktiven Wohnraum für Familien und vor allem - wegen der Nähe zum Bahnhof - für Berufspendler und sogar Studenten. Sie entwarfen Pläne und was am Ende überraschte: Der freie Blick auf den Sixtus-Kirchturm war allen wichtig.

Welche Vorschläge haben die Studenten für Pastors Kamp? Einige Beispiele:

  • Die Anbindung an die Innenstadt muss neu gestaltet werden, eine fußläufige wäre beispielsweise durch einen Tunnel unter dem Friedrich-Ebert-Wall (B 58) denkbar. Das ist teuer, würde aber gleichzeitig auch eine Verbindung von Pastors Kamp Richtung Stausee bilden.
  • Aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen könnten eine Lärmschutzwand zum Recklinghäuser Damm, Begrünung und ein Parkhaus als Solitär und städtebauliche Dominante am höchsten Punkt, am Ampelberg, sein.
  • Das Gebiet wird in vier Baufelder aufgeteilt, der Bereich an der Bahntrasse wird hauptsächlich gewerblich genutzt. Oder ein anderer Vorschlag: Büros und Gewerbeeinheiten schützen als äußerer Riegel die Wohnbereiche.
  • Die Parkplätze werden tagsüber gewerblich genutzt, abends von Bewohnern.
  • Das Plangebiet wird durch Grünstrukturen fuß- und radfreundlich erschlossen.
  • Ein Quartiersplatz soll Bewohnern als Treffpunkt dienen.
  • Denkbar sind für die Studenten zwischen 114 und 170 Wohneinheiten, verteilt auf bis zu viergeschossige Häuser (Single-Wohnungen, Familienwohnungen, Alten-WG’s und Mehrgenerationenwohnungen) sowie neun Gewerbeeinheiten, eine Kindertagesstätte, Gastronomie und Angebote für die Freizeitnutzung.
  • Parkflächen sollen oberirdisch und unterirdisch zur Verfügung gestellt werden. Gedacht ist an ungefähr 250 öffentliche Stellplätze. Insgesamt soll ein verkehrsreduziertes Quartier mit gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen geschaffen werden.
  • Die Wohnhäuser entlang der Recklinghäuser Straße sind zu erhalten, Hinterhöfe mit Garagen könnten zwecks Nachverdichtung überplant werden.
  • Am Quartierseingang wären Car- und Bikesharing-Stationen denkbar.
  • Dachbegrünung, Laubbaumbepflanzung und Solaranlagen sollen für ein gutes Klima beziehungsweise die Energieerzeugung sorgen.

„Für uns war es interessant, in der neuen Gebietskategorie zu arbeiten. Haltern ist nett und hat Lebensqualität“, sagt Thorsten Walper (29). Das Gebiet Pastors Kamp sei zwar klein und beschränkt, aber durchaus attraktiv. „Es hat eine integrative Funktion, weil mit einer Bebauung die Vernetzung von Bahnhof und Innenstadt gelingen kann.“

Die Studenten hatten Gelegenheit, ihre Vorstellungen Politikern im Rathaus zu präsentieren. „Wir freuen uns über die Einladung. Das ist ja nicht selbstverständlich“, sagt Bastian Bussenius (27), „und, dass wir eine Baudezernentin als Mentorin haben, auch nicht.“

Die Masterstudenten sind jedenfalls gespannt, wie Haltern die spannende Herausforderung meistert und wie Urbanität letztlich in Haltern interpretiert wird. Sie sind jedenfalls sicher: „Die Mischung macht`s.“

Die Arbeitsschritte

Studenten der Raumplanung fingen mit der Sichtung an

Die Studenten begannen mit einer Ortsbegehung, um sich einen umfassenden Überblick über das Plangebiet Pastors Kamp zu verschaffen. Daran schloss sich eine Diskussionsrunde mit dem städtischen Planungsamt an. Die Studenten werteten ferner das Isek (Integriertes Stadtentwicklungskonzept) der Stadt als auch den Flächennutzungsplan, die Landschaftspläne und den Demografiebericht aus. Daraus entwickelten sie ein Leitbild und einen Gestaltungsplan. Ziel war, ein städtebauliches Konzept mit den Funktionen Wohnen, Arbeiten, Versorgung, Bildung, Kultur und Erholung und die Verbindung dieser Funktionen untereinander zu erarbeiten.

Baudezernentin Andrea Rüdiger sieht gute Ansätze in den Masterarbeiten. „Für uns in Haltern ist wichtig, Bewegung in den Wohnungsmarkt zu bringen und den Blick auch für Pendler und Studenten zu öffnen.“ Wichtig sei bei allem allerdings auch die Überlegung: Was verträgt Haltern?

Baudezernentin Dr. Andrea Rüdiger: „Wir haben einen nicht unerheblichen Anteil städtischer Flächen im Bereich Pastorskamp, so dass ich eine mögliche, gegebenenfalls auch teilräumliche Realisierung gar nicht so weit in der Zukunft sehe.“ „Mittelfristig“ , das sind etwa fünf bis zehn Jahre, könnte sich das Bild dieses Gebietes stark verändern. „Letztlich entscheidet die Politik, was hier passieren soll.“

Kommentar

Impulse von Aussen können Haltern gut tun

Pastors Kamp hat das Potenzial für ein neues Quartier. Ein Quartier, das eine Brücke bildet zwischen Innenstadt und Bahnhof und das den Stadtkern im Süden abrundet. Die Entwicklung jedoch ist eine Herausforderung: Das Gebiet ist von stark befahrenen Straßen und der Bahnlinie an drei Seiten eingefasst, eine Erschließung ist allein über die Bahnhofstraße zu erreichen. Diese Straße ist schon heute stark belastet, so stark, dass die Anwohner bereits jetzt unter der Last stöhnen. Da bedarf es viel Kreativität für eine erträgliche Lösung. Besonders interessant ist in einer Kleinstadt die Umsetzung der neuen Baukategorie Urbanes Gebiet. Es ist erfrischend, dass Studenten von außerhalb die Möglichkeit hatten, als Vordenker Pläne zu entwerfen und dabei ihre innovative Experimentierlust auszuprobieren. Von außen Impulse zu empfangen, kann der Stadt nur gut tun und der Lokalpolitik sowie allen Besserwissern Denkanstöße geben. Bleibt zu hoffen, dass am Ende das Feld nicht wieder Investoren überlassen wird, die dann ihre seelenlosen Funktionsbauten in die Stadt setzen. Davon gibt es schon zur Genüge zu besichtigen.
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