
© Jürgen Wolter
Mit Video: Milliarden kleinster „Mitarbeiter“ reinigen das Abwasser in Haltern
Abwasser
Die Abwasserreinigung in Haltern läuft über ein Verbundsystem. Es ist ein langer Weg, bis wieder klares Wasser aus der Kläranlage in die Lippe fließt. Ein Blick hinter die Kulissen.
Grau-braunes Wasser dreht sich langsam in den Becken der Kläranlage Haltern-West, es blubbert. Zugesetzter Sauerstoff sorgt für einen Umwandlungsprozess: Hier sind Milliarden kleinster „Mitarbeiter“ im Einsatz, die dabei helfen, Abwässer zu reinigen.
Bakterien zersetzen Schadstoffe, bis ein Großteil des Abwassers aus Haltern wieder in die Lippe geleitet werden kann. In der Seestadt ist heute ein Verbundsystem für die Abwasserreinigung zuständig. „Früher wurde in Haltern eine Vielzahl kleiner Kläranlagen betrieben“, sagt Christof Illigen, Betriebsmanager für den Betriebsbereich Westliche Lippe beim Lippeverband. „Das erwies sich aber als unwirtschaftlich.“

Sie sieht die Kläranlage Haltern-West aus der Luft aus. © Lipeverband (Hans Blossey)
Der Lippeverband errichtete deshalb 1977 zunächst die Kläranlage Haltern-Mitte. Wegen der dort begrenzten räumlichen Möglichkeiten wurde sie in den 80er-Jahren durch eine moderne Anlage ergänzt: das Klärwerk Haltern-West, gelegen in der Nähe der Lippe am Fuße des Annabergs. Nur in Hullern blieb die kleine alte Kläranlage erhalten.
Anlage in Haltern Mitte erledigt nur die Vorklärung
„Die Kläranlage Haltern-Mitte beinhaltet aber nur eine Vorklärung“, sagt Christof Illigen. „Das vorgeklärte Wasser wird von Haltern-Mitte zur Anlage Haltern-West gepumpt. Hier kommen auch die ungeklärten Abwässer aus einigen Bereichen von Haltern West, aus Lippramsdorf, Freiheit, Mersch, Bergbossendorf, Flaesheim und Bossendorf an.“

Mithilfe solcher „Schnecken“ werden die ungeklärten Abwässer zunächst ins Rechenhaus transportiert. © Jürgen Wolter
Die vorgeklärten Abwässer aus Haltern-Mitte gehen in Haltern West direkt in die biologische Reinigung. Bei den ungeklärten Abwässern werden zunächst mit Hilfe von mechanischen Verfahren sämtliche Feststoffe abgeschieden. Das Abwasser fließt dabei durch die sogenannte Rechenanlage. Dort fangen Rechen grobe Substanzen wie Hygieneartikel, Äste, Laub und Plastikfolien ab und sieben sie aus. Dieses sogenannte Rechengut wird entwässert, gepresst und thermisch entsorgt.

Hier werden die Abwässer entsandet. © Jürgen Wolter
Aus dem Rechengebäude strömt das Abwasser in die Sandfangbecken. Hier setzen sich die feinkörnigeren Stoffe ab, die schwerer als Wasser sind. Die Becken sind künstlich belüftet, sodass eine Wirbelströmung entsteht. Sand und andere mineralische Stoffe werden von der Zentrifugalkraft nach außen gedrückt und sinken zu einer Bodenrinne ab.
Von dort wird das Material zur Sandwäsche gepumpt. So aufbereitet ist der Sand deponierfähig. Er kann beispielsweise mit anderen Bodenmaterialien vermischt und anschließend im Landschaftsbau verwendet werden.
Für Bakterien ein gefundenes Fressen
Anschließend erfolgt die biologische Reinigung. Das Wasser ist noch stark mit organischen Kohlenstoffverbindungen sowie mit organischen und anorganischen Stickstoffverbindungen und Phosphaten belastet.

Die Kläranlage Haltern-West ist im Wesentlichen für die Reinigung der Abwässer aus Haltern zuständig. © Jürgen Wolter
Die Kohlenstoffverbindungen sind für Bakterien ein gefundenes Fressen: Sie nehmen die Schmutzstoffe auf und zerlegen sie zu unschädlichen Grundstoffen. Zum Abbau benötigt ihr Stoffwechsel Sauerstoff. Dieser wird dem Bakterien-Abwasser-Gemisch über ein Belüftungssystem im Belebungsbecken zugefügt.
Stickstoffverbindungen werden über drei Phasen abgebaut: Sie entweichen letztlich gasförmig in die Atmosphäre. Auch Phosphate werden von Bakterien zersetzt. Sie gelangen schließlich in die Klärschlämme, die in Haltern wieder zurück zur Kläranlage Haltern-Mitte gepumpt werden. Dort wird in der Faulbehälteranlage in sauerstofffreiem Klima der Großteil des organischen Materials zu biologisch inaktiven Stoffen abgebaut.

Mit Hilfe von Sauerstoff zersetzen Bakterien die Schadstoffe im Abwasser. © Jürgen Wolter
Das bei der Gärung erzeugte Methangas wird im Blockheizkraftwerk in Strom umgewandelt. „Damit erzeugen wir etwa 28 Prozent der von uns benötigten Energie selbst“, so Christof Illigen. Das zurückgebliebene saubere Wasser wird schließlich wieder in die Lippe eingeleitet.
Immer mehr Spurenstoffe im Abwasser
Etwa einen Tag ist ein Wassertropfen in der Kläranlage unterwegs, bis er sie wieder verlässt. Insgesamt verarbeitet der Lippeverband 2,5 Millionen Kubikmeter Abwasser jährlich in Haltern. Sechs Regenwasserbehandlungsanlagen und acht Pumpwerke ergänzen die wasserwirtschaftlichen Anlagen des Lippeverbandes in Haltern.
Leider gelangen heute immer mehr Spurenstoffe in die Abwässer. Viele stammen aus Medikamenten. Sie sollten grundsätzlich über die Restmülltonne und nicht über den Wasserkreislauf entsorgt werden, rät der Lippeverband. Er sorgt mit dem Ausbau der vierten Reinigungsstufe an mehreren Kläranlagen künftig dafür, dass weniger Spurenstoffe in die Gewässer gelangen.

Am Ende der Klärung fließt wieder klares Wasser in die Lippe. © Lippeverband (Klaus Baumers)
Konkret werden in den nächsten Jahren mehr als zehn Kläranlagen an Belastungsschwerpunkten mit zusätzlichen Reinigungsstufen ausgestattet. Zusätzliche Reinigungsstufen sind zunächst für die Kläranlagen Hamm-West und Soest vorgesehen.
Studium der Germanistik, Publizistik und Philosophie an der Ruhr Universität Bochum. Freie Autorentätigkeit für Buchverlage. Freier Journalist im nördlichen Ruhrgebiet für mehrere Zeitungshäuser. „Menschen und ihre Geschichten faszinieren mich nach wie vor. Sie aufzuschreiben und öffentlich zugänglich zu machen, ist und bleibt meine Leidenschaft.“
